Solarmarkt: Warum die Preise sinken
Die anhaltend hohe Nachfrage zieht ausländische und neue inländische Fachhändler in die Solarmärkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bekannte Großhändler bauen ihre Angebote massiv aus. Gute Nachrichten für die Installateure: Ihre Einkaufsbasis wird breiter, die Wartezeiten für Komponenten schrumpfen. Und die Preise sinken.
Modulpreise im Sinkflug
So befinden sich die Modulpreise seit Jahresbeginn im Sinkflug. Der Verfall im August erreichte im Mittel etwa sechs Prozent. Umgerechnet seit Beginn 2023 gaben die Modulpreise in allen Leistungsklassen um durchschnittlich 25 Prozent nach. Zur Bereinigung ihrer Lager müssen die Hersteller und Händler Rabatte gewähren, das schmälert die Marge – und freut die Installateure.
Nach Angaben des Onlinehändlers PVXchange scheinen die asiatischen Hersteller zu reagieren, indem sie den Nachschub reduzieren. Dennoch bleibt der Verkaufsdruck hoch, denn in Europa aufgebaute Lagerbestände verlieren zusehends an Wert.
Einige Kunden versuchen, aus Lieferverträgen auszusteigen oder sie zu stornieren. Das ist in der Regel nicht ohne Weiteres möglich und wenn, mit hohen Strafzahlungen verbunden. Es empfiehlt sich daher, den Kaufpreis in Nachverhandlungen geringfügig anpassen zu lassen.
Produkte aus Europa werden wichtiger
Erfahrungsgemäß folgen die Preise für Wechselrichter und Unterkonstruktionen den Preiskurven der Modulanbieter. Neben dem schwachen Markt in China dürften sich nun auch die neuen Fabriken auswirken, die ihre Kunden aus Europa beliefern.
So haben Fronius und Kostal erhebliche Summen in den Ausbau ihrer Wechselrichterschmieden investiert. Die zusätzlichen Kapazitäten erscheinen nun im Markt – in Form von mehr Ware und sinkenden Preisen. Gleiches gilt für Modulanbieter wie Meyer Burger oder Heckert Solar. Sie bauen ihre Fabriken gleichfalls aus.
Zwar haben die asiatischen Anbieter nach wie vor eine unangefochtene Dominanz im Markt. Aber sie müssen ihre Ware per Schiff um die halbe Erde schicken, bevor sie bei den Kunden in Rotterdam ankommt. Der mitunter mehrmonatige Transport auf See bringt allein durch den Zeitverzug schon erhebliche Verluste mit sich – weil die Preise zwischenzeitlich weiter fallen und die hohen Transportkosten die Hersteller in ihrer Marge belasten.
Überbestände abbauen
Wie lange die unbequeme Marktsituation anhalten wird, ist schwer vorauszusagen. Vermutlich zieht die Nachfrage im Spätsommer in Europa wieder an, zudem beginnt in China die übliche Rallye zum Jahresende. Dann könnten sich die Preise einpegeln. Derzeit ist allerdings noch nicht abzusehen, wie lange es dauert, bis die Überbestände in europäischen Lagern abgebaut sind. Beispielsweise lungern noch viele Tonnen Perc-Module in den Beständen, die man als veraltet betrachten kann. Deshalb ist vorerst von weiteren Preissenkungen auszugehen.
Händler puffern Warenströme
Das ist nicht wirklich dramatisch, das ist das Alltagsgeschäft der Fachhändler. In unserer Branche ist in den vergangenen 20 Jahren ein starkes Netz von Großhändlern entstanden, die solche Verwerfungen in den Märkten auffangen.
Das ist ihre zentrale Bedeutung in der Wertschöpfungskette der Solarwirtschaft. Sie wirken als Puffer zwischen Herstellern und Installateuren. Volle Lager sind manchmal Fluch und manchmal Segen. Langfristig wirken sie preisdämpfend und bieten den Installateuren planbare Einkaufsbedingungen. Die neue Vielfalt der Händler spielt den Installateuren in die Hände, die ihren Einkauf auf mehrere Säulen stellen können. Um sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren: die Montage von Anlagen und Systemen bei ihren Kunden.
Krannich: Lagerflächen erweitert
Krannich Solar beispielsweise hat seine Lagerflächen weltweit deutlich erweitert. Denn das globale Geschäft nabelt sich von den dominanten Chinesen ab. Regionale Märkte steigen in ihrer Bedeutung – allen voran Europa und die USA.
Krannich hat im vergangenen Jahr fünf neue Lagerhallen eröffnet. Das größte Lager wurde im Oktober in der Nähe des Hauptquartiers in Esslingen in Betrieb genommen: 15.000 zusätzliche Quadratmeter verdoppeln die Lagerfläche in Deutschland. Daneben wurden weitere Flächen in Frankreich und Tschechien angemietet.
Ausbau auch in Nordamerika
Auch in Amerika stehen zusätzliche Logistikflächen zur Verfügung. In Oceanside in Kalifornien wurde das fünfte US-amerikanische Lager in Betrieb genommen. Es hat eine Fläche von 1.500 Quadratmetern. Insgesamt können die vier US-Niederlassungen nun mehr als 11.000 Quadratmeter Lagerfläche nutzen. In Mexiko wurde das zweite Lager eröffnet. Mit 500 Quadratmetern Fläche gehört es zu den kleineren Lagern von Krannich.
Damit stehen dem Fachhändler weltweit 125.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. „Für uns als PV-Großhändler sind moderne und verkehrstechnisch gut angebundene Lagerflächen essenziell, um unsere Kunden schnell und reibungslos beliefern zu können,“ sagt CEO und Gründer Kurt Krannich. „Die Nachfrage nach Photovoltaikprodukten ist fast überall auf der Welt sehr hoch. Diese Nachfrage können wir nur dann befriedigen, wenn wir unsere Lagerflächen weiter kontinuierlich ausbauen.“
Deswegen sind bereits weitere Flächen in Planung: 2023 kommen weitere Lager in Europa, Australien und Vietnam hinzu. Zugleich erweitert Krannich sein Produktsortiment. Seit diesem Jahr werden unter anderem die Wechselrichter von Sofar angeboten. Die Wechselrichter sind für größere Anlagen auf Mehrfamilienhäusern, Gewerbeimmobilien oder Industrieanlagen geeignet, außerdem für kleinere Projektanlagen auf Freiflächen. Der kleinste Wechselrichter verarbeitet bis zu 25 Kilowatt, der größte 255 Kilowatt.
Baywa r.e.: Globaler Handel wächst
Deutschlands größter Solarhändler Baywa r.e. Solar Trade ist weltweit auf 21 Gesellschaften und mehr als 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewachsen. In den vergangenen Jahren kamen zahlreiche neue Niederlassungen oder Vertriebsbüros in Österreich, Polen, Lettland, Litauen, Bulgarien und Tschechien hinzu. Vor Kurzem wurde ein Fachhändler in Brasilien übernommen (siehe Infokasten auf Seite 55). Im vergangenen Jahr hat die Solarsparte von Baywa r.e. rund 500 neue Mitarbeiter eingestellt.
Allein in Europa hat der Großhändler 14 nichtdeutschsprachige Gesellschaften und rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr wurden in Europa rund zwei Milliarden Euro Umsatz erzielt. Darüber hinaus wächst Baywa r.e. Solar Trade in Amerika und in Asien.
Weltweit erreichte der Solarfachhändler 2022 einen Umsatz von 2,76 Milliarden Euro. 2022 wurden 3,5 Gigawatt Solarmodule und 4,6 Gigawatt Wechselrichterleistung verkauft. Das zeigt, welches Ausmaß der Handel mit Solarkomponenten, Speicherbatterien und Ladetechnik für die E-Mobilität mittlerweile erreicht. „Wir haben das Potenzial, den jährlichen Absatz von Solarmodulen und Wechselrichtern auf jeweils mehr als zehn Gigawatt zu steigern“, kommentiert Frank Jessel, Global Director Solar Trade bei Baywa r.e. „Beim Solarhandel gibt es die Chance, das Geschäft zu veräußern, damit es sich entsprechend den Märkten entwickeln kann.“
Er sieht hohen Kapitalbedarf, um das erforderliche Wachstum zu stemmen. „Die Verkaufspreise für Module, Wechselrichter oder Speicher werden perspektivisch fallen“, analysiert Jessel. „Sie müssen fallen, um den Zubau weltweit weiter anzukurbeln. Wir müssen also mehr Ware zu sinkenden Roherträgen durchschleusen. Das erfordert digitale Prozesse.“
E-Commerce wird viel wichtiger, obwohl viele Installateure noch per Fax oder Telefon ordern. Und natürlich spielen die Kosten der weltweiten Handelslogistik eine wesentliche Rolle. Gut erreichbare und zentral gelegene Lagerflächen werden immer teurer, zumal die Solarbranche mit allen anderen Handelsbranchen konkurriert.
Baywa r.e. hat bisher 52 Lagerstandorte und plant 105.000 Quadratmeter neue Solarlager. „Oft wird unterschätzt, wie schwierig es ist, sehr gute Standorte zu vernünftigen Preisen zu bekommen“, meint Jessel. „Das sind echte Herausforderungen, will man dem Wachstum unserer Branche gerecht werden.“ Für Großhändler, die nicht global agieren, stellt sich die Sache kaum weniger komplex dar. Auch wenn sie ihre Lager besser konzentrieren können und das Logistiknetz zur Auslieferung an die Kunden kleiner und somit überschaubarer ist.
EWS hat 2022 verdoppelt
EWS in Handewitt an der dänischen Grenze konzentriert sich beispielsweise auf Kunden in Norddeutschland und Skandinavien, ebenso in Benelux und im Nordosten. Auch dort zieht die Nachfrage nach Solarsystemen deutlich an. „Wir konnten unseren Absatz 2022 in allen Märkten Nordeuropas mehr als verdoppeln, vor allem in Deutschland“, resümiert Gründer und Geschäftsführer Kai Lippert.
Langsam werden auch im Norden mehr Speicherlösungen angefragt. „Mit zunehmender Professionalität legt man auch in den Nachbarmärkten mehr Wert auf Qualität, Flexibilität und Sicherheit in allen Anlagenbauteilen“, bestätigt Lippert. „Das zeigt sich bei uns ganz massiv bei der Montagesystemtechnik.“
Der Anteil an Komplettsystemen, die inklusive Montagesystem ausgeliefert werden, liegt bei EWS mittlerweile doppelt so hoch wie vor drei Jahren. EWS hat 2022 sein Lagervolumen verdoppelt, das Team wuchs auf mehr als 200 Leute. „Im vergangenen Jahr haben wir gut 400 Megawatt Systemleistung ausgeliefert, in mehr als 50.000 Einzellieferungen“, rechnet Kai Lippert vor. „Eine weitere Verdopplung 2023 ist in Anbetracht der absoluten Zahlen für uns sicher das Höchste der Gefühle. Auch wenn wir im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr schon weit darüber liegen.“
Um die Beschleunigung zu verdeutlichen: Innerhalb von zwölf Monaten musste EWS Kapazitäten schaffen wie in fast 40 Jahren Firmengeschichte zusammengenommen. Mit Fronius und REC Solar zum Beispiel arbeitet der Fachhändler seit gut 20 Jahren zusammen, mit SMA sogar seit weit über 30 Jahren.
EWS hat auf dem Firmengelände in Handewitt ein zusätzliches Hochregallager für bis zu 90.000 Module bezogen und die Kapazitäten für das Kommissionieren von Montagesystemen verdoppelt. Derzeit laufen bereits Planungen für ein weiteres Speicherlager und Verhandlungen für den Kauf angrenzender Grundstücke. Im Herbst wird ein neues großes Verwaltungsgebäude eingeweiht.