Technische Machbarkeit solarer Vollversorgung mit Wasserstoff als Speichergas
Schöneiche: In einem Vorort östlich von Berlin startet das erste autarke Wasserstoffhaus in den Praxistest. Ein solarer Ganzjahresspeicher soll den Bedarf für das moderne Holzhaus decken. Mit dem Forschungsprojekt Flex E-Home soll gezeigt werden, wie ein Eigenheim bei entsprechend guter Dämmung sich selbst mit Strom und Wärme versorgen kann. Im Rahmen dieses Projekts testen die Beteiligten zudem netzdienliche Leistungen.
Die Photovoltaikanlage des brandneuen Einfamilienhauses in der Schillerstraße wurde mit insgesamt knapp 30 Kilowatt Leistung bewusst sehr groß ausgelegt – so kann sie einen solaren Energieüberschuss für die Produktion von sauberem Wasserstoff erzeugen. Denn derzeit produzieren die meisten Gebäude mit Photovoltaikanlage und Batterie zwar zu viel Strom im Sommer, jedoch zu wenig Strom in den Wintermonaten. Es fehlt bislang ein Saisonspeicher.
In dem Forschungsprojekt Flex E-Home soll nun in einem Praxistest gezeigt werden, dass es anders geht: Es soll nur Strom ins Netz abgegeben oder entnommen werden, wenn dies auch für das Stromnetz dienlich ist. Dies ist möglich aufgrund einer im Vergleich zu Batterien deutlich größeren Speicherkapazität und der Herstellung von Wasserstoff, der über längere Zeiträume bevorratet werden kann. Dank dieser Flexibilität wird die Netzstabilität verbessert und der Ausbaubedarf der dezentralen Verteilnetze minimiert.
Saisonspeicher Wasserstoff
Die Bewohner eines solchen Gebäudes leisten auf diese Weise einen Beitrag zur Stromnetzstabilität und Versorgungssicherheit. „In Zukunft sind solche dezentralen Flexibilitäten für den Erfolg der Energiewende unverzichtbar“, betont Zeyad Abul-Ella, Chef und Gründer von Home Power Solutions (HPS), bei der feierlichen Vorstellung dieses solaren Wasserstoffhauses. Ein wesentlicher Baustein des Projekts ist der Langzeitspeicher Picea von HPS, der den überschüssigen Strom der Solaranlage im Sommer in Form von Wasserstoff mittels Elektrolyse speichert. Im Winter wird das grüne Gas über die Brennstoffzelle wieder zu Strom und Wärme umgewandelt.
Den Wasserstoff erzeugt ein AEM-Elektrolyseur 2.0 des deutsch-italienischen Herstellers Enapter. Das Modul kann relativ schnell starten und hochfahren. Der Batteriespeicher ist ein Blei-Gel-Akkumulator aus deutscher Produktion und verfügt über 20 Kilowattstunden Kapazität (netto). Blei hat – obwohl es ein giftiges Schwermetall ist – den Vorteil, dass es bereits ein eingespieltes Recyclingsystem gibt – insbesondere bei Starterbatterien aus Kraftfahrzeugen.
Bauingenieur Abul-Ella hat das Komplettsystem aus Elektrolyseur, Brennstoffzelle, Wasserstofftank sowie Bleispeicher und Lüftungsgerät vor fast zehn Jahren selbst entwickelt. Billig ist das Picea-System mit 120.000 Euro im Vollausbau allerdings nicht. Dennoch hat der Absatz der sogenannten Ganzjahresstromspeicher in den letzten Monaten stark zugelegt. Mehr als 100 Geräte sind schon in Betrieb, mehr als 500 Exemplare bestellt.
Das Berliner Unternehmen kommt bei den Bestellungen kaum hinterher. Die Wartezeit beträgt derzeit etwa zwölf Monate. Die Produktion von HPS soll deshalb weiter ausgebaut werden. Auch wegen Projekten wie Flex E-Home: Beteiligte Partner sind beispielsweise der Wärmepumpenhersteller Vaillant, der Holzhausbauer Albert Haus sowie die TU Berlin. Solar gen Osten, Westen und Süden
Um die solare Ernte vom Dach schon in der Produktion zu glätten, wurde das Gros der Photovoltaikmodule mit 27,4 Kilowatt als dachintegrierte Lösung in Ost-West-Ausrichtung installiert. Zusätzlich befinden sich sieben Module mit insgesamt 2,4 Kilowatt an der Balkonbrüstung in Südausrichtung. Beides zusammen reduziert die PV-Mittagsspitze um 30 Prozent – und verlängert so die Laufzeit des Elektrolyseurs im Sommer um vier Stunden pro Tag. „Dadurch erhöht sich der Wasserstoffertrag um satte 40 Prozent“, sagt Daniel Wolf von HPS. Der Ingenieur ist der Verbundkoordinator dieses innovativen Projekts.
Die Solarstromanlage integriert sich harmonisch in die Holzhausästhetik. Die schwarzen Photovoltaikmodule inklusive schwarzer Dach- und Stoßverblechung stellen dabei einen farblichen Gegensatz zur hellen Lärchen-Echtholzfassade her. Dabei wurden auch die Kosten im überschaubaren Rahmen gehalten, indem nach Möglichkeit auf kostengünstige, massenproduzierte Standardkomponenten zurückgegriffen wurde. „So wurde ausschließlich mit kostengünstigen Standardmodulen für das Eigenheimsegment gearbeitet, die allerdings als Indachmodule eingesetzt und integriert wurden“, erklärt Wolf.
Leo Black Premium von Aleo Solar
Für die Südfassade kam demnach die kurze Modulausführung der Leo Black Premium von Aleo Solar zum Einsatz. Die Module wurden von der Holzhausbau-Firma Albert Haus im Werk in das Balkongeländer systemintegriert. „Dabei ermöglicht die Modullänge von 156 Zentimetern einen idealen Kompromiss zwischen maximaler Flächennutzung und notwendiger lichter Höhe für das Erdgeschoss“, sagt der Projektleiter.
Mithilfe des Indachsystems wurden die Module Mono S3 von der Solarfabrik verbaut. Und mithilfe des PE-Wannensystems des französischen Anbieters GSE Integration wurden die Module dachintegriert und als harte Dachbedeckung verlegt.
Die Wannen ermöglichen zudem eine vergleichsweise einfache Integration von Dachfenstern. So wurden im Ostdach drei Dachfenster jeweils anstelle eines Solarmoduls integriert – auf der Westseite eines. Die Installation verlief mechanisch und elektrisch reibungslos. „Einzig wünschenswert wäre es noch, die durch den Rollladenaufbau generierte Modulverschattung in Zukunft durch einen flacheren Fensteraufbau zu vermeiden“, regt er an. Gleiches gelte für die blechbasierten Modulklemmen von GSE Integration. Sie generieren eine minimale, aber vermeidbare Verschattung der Module. „Hier stehen die Hersteller noch am Anfang, sodass Verbesserungspotenziale bestehen“, resümiert Wolf.
Fünf Bündel von Gasflaschen
In einem Holzhäuschen an der Nordseite des Einfamilienhauses steht dann der Wasserstoffspeicher mit insgesamt fünf Bündeln an Druckgasflaschen mit je 300 Kilowattstunden elektrischer Energie, um das grüne Gas aus den Sommermonaten für die Wintermonate zu speichern. Schon im Juli sei der Wasserstoffspeicher wieder komplett gefüllt, prognostiziert Wolf.
Der Heizwärmebedarf des knapp 150 Quadratmeter großen Eigenheims liegt rund 40 Prozent unter dem eines KfW-55-Hauses. Dieser hohe Dämmstandard ist auch nötig, damit sich das Haus selbst rund ums ganze Jahr mit Strom und Wärme versorgen kann. Das ist der Schlüssel und die Basis zur grünen Vollversorgung.
Aber auch ökonomisch soll sich die langfristige Speicherung von Strom künftig rechnen – und zwar über den Handel am Strommarkt. Denn immer wieder gibt es sehr hohe Börsenstrompreise, wie an einigen Tagen im Dezember 2022, als er bei umgerechnet 60 Cent pro Kilowattstunde lag.
Auf der anderen Seite gibt es das Extrem von negativen Strompreisen, wie Anfang Juni 2021, als minus fünf Cent pro Kilowattstunde aufgerufen wurden. Hier könnte sich der Wasserstoffspeicher von HPS auszahlen, der jederzeit über Reserven verfügt, sagt Wolf.
Zusammenspiel mit der Wärmepumpe
Der Wasserstoff wird in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wieder zu Strom und Wärme, wobei auch die Abwärme genutzt wird. In Verbindung mit einer Wärmepumpe wird so eine ganzjährige Versorgung des Hauses mit selbst erzeugtem Solarstrom gesichert. Gerade auch das Zusammenspiel mit der Wärmepumpe soll durch dieses Projekt in den nächsten Monaten näher untersucht werden.
Schon bald soll eine vierköpfige Familie zur Miete im Projekthaus wohnen. Sie zahlt im Ortsvergleich eine günstigere Miete, muss allerdings von Zeit zu Zeit Fachbesucher und Techniker nach Anmeldung Zugang zum Technikraum gewähren. Um die Vollversorgung und eine netzdienliche Einspeisung zu dokumentieren, wird die TU Berlin zudem sämtliche Energieflüsse im Haus in den nächsten Monaten genau monitoren.
TU Berlin überwacht alle Energieflüsse
Die Forscher begleiten das Projekt noch mindestens bis Ende 2024. Sie gucken sich neben den Energiebilanzen auch die CO₂-Emissionen an. „Am Ende wollen wir bewerten, ob sich so ein Gebäude für den Klimaschutz lohnt“, sagt Alexander Studniorz von der TU Berlin. Dafür machen die Wissenschaftler eine Lebenszyklusanalyse.
Die Annahme des Wissenschaftlers ist, dass sich gerade die zeitliche Verschiebung des Stromverbrauchs positiv auf die CO₂-Bilanz auswirken wird. Denn anders als in Eigenheimen mit Solaranlage und Batteriespeicher muss in einer kalten Winternacht kein zusätzlicher Graustrom aus dem Netz gezogen werden. „Gerade der saisonale Puffer garantiert im Zusammenspiel mit der Wärmepumpe somit ganzjährig niedrige CO₂-Emissionen“, prophezeit der TU-Forscher.