Legionellen: Worauf Sie schon bei der Planung achten müssen
Mit Zunahme der Komfortansprüche in den letzten Jahrzehnten wird Trinkwasser heute über eine Vielzahl von Entnahmestellen direkt an der Stelle des Gebrauchs als kaltes oder warmes Trinkwasser (PWC / PWH) bereitgestellt.
Die Bedarfsdeckung konzentriert sich dadurch nicht mehr auf nur wenige Entnahmestellen mit kurzen Fließwegen im Gebäude, sondern erfolgt über ein weitverzweigtes Rohrleitungssystem.
Durch die große Anzahl von Entnahmestellen ist die Benutzungsfrequenz der einzelnen Armaturen gering. Das hat zur Folge, dass die zugehörigen Rohrleitungen nur schwach durchströmt werden und die Verweildauer des Trinkwassers in der Rohrleitungsanlage zunimmt [1].
Weiterhin fördern „lauwarme Temperaturbereiche“ das Wachstum von Mikroorganismen und stellen damit zunehmend ein Problem in der Trinkwasser-Installation dar. Einerseits führen zu geringe Austrittstemperaturen aus der zentralen Trinkwassererwärmungsanlage oder eine mangelhafte bzw. fehlende Zirkulation zu einer Absenkung der Temperaturen des erwärmten Trinkwassers. Andererseits verursacht die heute übliche Installation der Rohrleitungen in Schächten, Zwischendecken und Vorwänden sowie die Parallelverlegung von Trinkwasserleitungen kalt mit warmgehenden Rohrleitungen erhöhte Temperaturen des kalten Trinkwassers [2].
Um das Wachstum von Mikroorganismen zu minimieren, müssen Temperaturbereiche vermieden werden, die im Wachstumsbereich fakultativ pathogener Krankheitserreger liegen. Niedrige Temperaturen bieten den Mikroorganismen schlechte oder keine Wachstumsbedingungen („Kältestarre“). Im Bereich der optimalen Wachstumstemperatur ist ein schnelles Wachstum durch eine sehr kurze Generationszeit möglich. Aufgrund der temperaturbedingten Vermehrungsrate von Legionellen, atypischen Mykobakterien und Pseudomonas aeruginosa sind Temperaturen zwischen > 25 °C und < 55 °C, insbesondere aber 30…40 °C, in der Trinkwasser-Installation strikt zu vermeiden.
Häufig wird dabei übersehen, dass es im Kaltwasserbereich durch Wärmeübergänge zum regelhaften und über längere Zeiträume andauernden Überschreiten von 25 °C Wassertemperatur kommen kann. Als sichere Temperatur wird beispielsweise in der DVGW-Wasserinformation 90 [3] nur eine Temperatur von < 20 °C für Legionellen angesehen. Dies entspricht auch vielen internationalen Vorgaben, ist technisch jedoch schwer bis gar nicht umsetzbar.
Die besonders in der jüngeren Vergangenheit auch in neu erstellten Trinkwasser-Installationen vermehrt nachgewiesenen Kontaminationen mit Legionellen im kalten Trinkwasser verdeutlichen, dass die bereits seit vielen Jahren bestehenden Regeln und Zielsetzungen zur Reduzierung der Temperaturen des Trinkwassers kalt entweder nicht hinreichend konkret formuliert sind, nicht eingehalten werden oder aufgrund fehlender technischer Konzepte nicht eingehalten werden können [4].
Das hat zur Folge, dass Trinkwasser-Installationen – häufig unbemerkt bzw. nicht beanstandet – mit zu hohen (kritischen) Kaltwassertemperaturen betrieben werden. Eine Kontamination des kalten Trinkwassers mit Legionellen kann das Resultat sein. Der Betreiber hat in diesem Fall lediglich die Möglichkeit, auf reaktive Maßnahmen1) zur Beseitigung der Kontamination zurückzugreifen.
Durch diesen Zusammenhang ergeben sich zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung der Verbraucher bei Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasser-Installationen erhöhte Anforderungen an die Sicherstellung der Trinkwasserhygiene.
Bereits im Planungsprozess sollte deshalb an jeder Entnahmestelle eine Kontrolle (Simulation) der nach einer Stagnationsphase zu erwartenden Temperatur des warmen und kalten Trinkwassers erfolgen. Dabei müssen die Wärmeverluste bzw. der Wärmeeintrag gedämmter Rohrleitungen in Abhängigkeit von den vorherrschenden Umgebungslufttemperaturen berücksichtigt werden.
Einfluss der Installationstechnik
In den letzten 30 Jahren hat sich die Installationstechnik für Trinkwasserleitungen grundlegend verändert. Bis in die 1980er-Jahre hinein wurden kalte und warme Trinkwasserleitungen in Schlitzen massiver Wände verlegt und anschließend eingemauert. Heizungsleitungen wurden in der Regel von kalten Trinkwasserleitungen weit entfernt installiert.
Eingemauerte Stockwerks- oder Einzelzuleitungen wurden dadurch nur unwesentlich mit den Wärmelasten aus dem senkrecht verlaufenden Installationsschlitz zur Aufnahme der Steig-/Fallleitungen beaufschlagt. Die Temperatur des kalten Trinkwassers wurde in diesen Leitungsteilen somit ausschließlich von der die Installationswand umgebenden Lufttemperatur beeinflusst. Die Raumlufttemperaturen sind mit 24 °C im Badezimmer und maximal 22 °C im angrenzenden Flur oder Wohnräumen verhältnismäßig gering, sodass sich das kalte Trinkwasser in den eingemauerten Leitungen nicht auf kritische Temperaturen erwärmen konnte.
Diese Installationstechnik hatte viele Nachteile, führte aber automatisch zu relativ geringen Temperaturen des kalten Trinkwassers; auch nach Stagnationsphasen. Heute werden Trinkwasserleitungen aus guten Gründen fast ausschließlich in den Hohlräumen von Installationsvorwänden frei verlegt. Insbesondere bei vertikalen Erschließungskonzepten kommt es dabei zu einem Luftverbund zwischen dem Installationsschacht und der Installationsvorwand.
Nicht nur im Wohnungsbau ist es mittlerweile üblich, die Leitungen für das kalte Trinkwasser in einem Steigeschacht gemeinsam mit den warmgehenden Leitungen sowohl der Sanitär- als auch der Heizungstechnik zu verlegen. Durch den Luftverbund zwischen einem hochinstallierten Schacht und der Installationsvorwand werden bei den modernen Installationstechniken nicht nur die Steigleitungen, sondern auch die Stockwerks- und die Einzelzuleitungen höheren Umgebungslufttemperaturen ausgesetzt. In den Schächten und Vorwänden einer Vorwandinstallation müssen ggf. mittlere Lufttemperaturen deutlich über 25 °C erwartet werden (Bild 3 + 11).
Bei horizontalen Verteilungen wird in der Regel eine Zwischendecke in den Fluren als Installationsraum genutzt. Neben den warmgehenden Leitungen der Sanitär- und Heizungstechnik sorgen in diesem Bereich weitere Wärmequellen, beispielsweise aus der Elektro- und Klimatechnik, für Lufttemperaturen, die erfahrungsgemäß deutlich höher als 25 °C sind.
Komplexe Berechnungen und messtechnische Untersuchungen zeigen, dass in der Fachwelt die Dämmung der kalten Trinkwasserleitungen als Maßnahme zur Vermeidung bzw. Begrenzung der Temperaturerhöhung überschätzt wird. Bei geringen und ungleichmäßig über den Tag verteilten Wasserwechseln sowie anzunehmenden Umgebungstemperaturen von bis zu 30 °C in Rohrkanälen, Schächten, abgehängten Decken und Vorwänden, kann auch bei einer Dämmung der Rohrleitungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) die Temperatur des Trinkwassers kalt vor den Entnahmearmaturen nicht dauerhaft unter 25 °C gehalten werden [4] 2.
Der Wasserinhalt einer kalten Trinkwasserleitung mit geringer Nennweite (DN 20), die sich in einer Zwischendecke oder einer Installationswand mit einer Umgebungstemperatur von 28 °C befindet, überschreitet bereits nach einer Stagnationsphase von etwas mehr als 2 h eine Temperatur von 25 °C 4 .
Sofern nicht Methoden zur thermischen Entkopplung [5] konsequent umgesetzt werden, muss bei den heute üblichen Installationsmethoden sowohl bei horizontalen als auch bei vertikalen Verteilungskonzepten damit gerechnet werden, dass nach einer Stagnationsphase kurzzeitig Kaltwasser mit Temperaturen > 25 °C aus den Entnahmearmaturen austritt (Bild 13). Das trifft insbesondere auf die Wintermonate zu, wenn die Raumheizung höhere Vorlauftemperaturen erfordert.
Es gehört zu den alltäglichen Erfahrungen, dass frühmorgens das „kalte“ Trinkwasser zunächst leicht erwärmt aus der Entnahmearmatur austritt und dass erst nach dem Ablaufen des Stagnationswassers kühleres Trinkwasser zur Verfügung steht. Das spürbar erwärmte Wasservolumen stammt dabei aus den Leitungen mit geringem Leitungsdurchmesser (Stockwerks- und Einzelzuleitungen), während das kühlere aus großvolumigen Leitungen (Steig-/Verteilungsleitungen) nachströmt (Bild 3).
Spätestens wenn bei aktuellen Neuplanungen überwiegend nur Installationsräume mit zu erwartenden Lufttemperaturen > 25 °C für die Verlegung der kalten Trinkwasserleitungen zur Verfügung stehen, muss die Temperatur des Kaltwassers im Planungsprozess berücksichtigt werden, damit alle Anforderungen aus den Regelwerken erfüllt werden können.
Neben einer Kontamination der Trinkwasser-Installation mit Krankheitserregern können auch Komfortaspekte, wie stark schwankende Fließdrücke vor den Entnahmearmaturen und damit verbundene Temperaturschwankungen des Mischwassers oder auch ein zu geringer Entnahmevolumenstrom usw. zu Beanstandungen führen. Eine erste Beurteilung der Betriebsverhältnisse auffällig gewordener Trinkwasser-Installation erfolgt in der Regel auf der Grundlage von sogenannten Zapfprofilen an ausgewählten Entnahmearmaturen.
Unter einem Zapfprofil wird der zeitliche Verlauf der Kalt- bzw. Warmwassertemperatur bei Wasserentnahme an einer Entnahmestelle im laufenden Betrieb verstanden. Dabei wird mit einem Sekundenthermometer die Temperatur im Kernstrom des aus einer Entnahmearmatur austretenden Wasserstrahls kontinuierlich gemessen (Bild 5 + 6). Für die messtechnische Aufnahme der Zapfprofile sollten jeweils im Rohrnetz endständig positionierte Entnahmestellen ausgewählt werden. Die Lage dieser Entnahmearmaturen ist durch maximal lange Fließwege von der Wassereinspeisung im Gebäude bis zur Entnahmestelle gekennzeichnet.
Anforderungen an Entnahmearmaturen
Da sich erste Untersuchungen auf die Entnahmearmaturen konzentrieren, müssen für eine kritische Beurteilung der Betriebsverhältnisse zunächst die wesentlichen Anforderungen an Entnahmearmaturen aus maßgeblichen Regelwerken bekannt sein (DIN 1988-200 [6], DIN 1988-300 [7], DIN 1988-500, DVGW W 551 [8], DVGW W 553 [9], VDI 6003, VDI 6023 [10] usw.).
Eine Entnahmearmatur wird auf ihrer Kennlinie (Armaturenkennlinie) zwischen Fließdruck und Ruhedruck betrieben. Der Fließdruck ist der niedrigste statische Druck im Armaturenanschluss, der sich mit Auftreten des Spitzendurchflusses (Auslegungsfall) einstellt. Der Fließdruck muss immer größer oder gleich dem Mindestfließdruck sein.
Der Ruhedruck ist der statische Druck, der sich einstellt, wenn kein Wasser aus der Trinkwasser-Installation entnommen wird. Der Ruhedruck im Armaturenanschluss sollte aus Gründen des Schallschutzes 5000 hPa (5 bar) nicht überschreiten.
Je nach Lage im Rohrnetz variieren sowohl die Ruhe- als auch die Fließdrücke vor den Entnahmearmaturen. Je geringer die Differenz zwischen Ruhe- und Fließdruck ist, umso geringer ist der Einfluss anderer Wasserentnahmen im Netz auf den Entnahmedurchfluss. Temperaturschwankungen an Mischarmaturen ohne thermostatische Temperaturregelung können so reduziert werden.
Damit eine Kontrolle der Hygiene- und Komfortanforderungen an Entnahmearmaturen bereits im Planungsprozess erfolgen kann, müssen für jede Entnahmearmatur sowohl der Fließ- als auch der Ruhedruck und die möglichen Durchflüsse an den Entnahmearmaturen bekannt sein. Diese Werte ergeben sich aus einer Rohrnetzberechnung für die Trinkwasser-Installation [11].
Aus der in Bild 7 dargestellten Entnahmearmatur, mit einem Berechnungsdurchfluss von 0,15 l/s, können im realen Rohrnetzbetrieb bei voller Öffnung, z. B. mit Auftreten des Spitzendurchflusses, minimal 0,12 l/s oder bei Ruhedruck maximal 0,18 l/s entnommen werden. Für die Berechnungen sollten vorzugsweise die Angaben der Hersteller über die Berechnungsdurchflüsse und die Mindestfließdrücke der Entnahmearmaturen berücksichtigt werden [12].
3-Liter-Regel
Eine erste Anforderung an die Funktionalität einer Entnahmearmatur erfolgt aus trinkwasserhygienischen Gründen [13]. Im DVGW-Arbeitsblatt W 551 wurde erstmalig die 3-Liter-Regel aufgestellt. Danach können Stockwerks- und/oder Einzelzuleitungen mit einem Wasservolumen von weniger als 3 l im Fließweg ohne Zirkulationsleitungen realisiert werden. Im Umkehrschluss heißt das vereinfacht, dass an jeder Entnahmearmatur spätestens nach dem Ablauf von 3 l Wasser Wasser mit mindestens 55 °C zur Verfügung stehen muss.
In der Kaltwasserinstallation gilt ebenfalls eine 3-Liter-Regel. Danach müssen Einzelzuleitungen so kurz wie möglich sein. Ein Wasservolumen von 3 l ist als Obergrenze einzuhalten; kleinere Wasservolumina sind anzustreben [14].
30-Sekunden-Regel
Zur Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit von Entnahmearmaturen gilt gemäß DIN 1988-200 die Anforderung [15], dass bei bestimmungsgemäßem Betrieb, maximal 30 s nach dem vollen Öffnen einer Entnahmestelle, die Temperatur des Kaltwassers 25 °C nicht übersteigen darf und die Temperatur des warmen Trinkwassers mindestens 55 °C erreicht haben muss. Damit gilt auf der Warmwasserseite neben der 3-Liter-Regel aus dem DVGW-Arbeitsblatt W 551 auch die 30-Sekunden-Regel aus DIN 1988-200.
Bild 8 zeigt den Verlauf der Ausstoßzeiten für 3 l Leitungsvolumen über Entnahmearmaturen mit einem Berechnungsdurchfluss von 0,15 l/s bzw. 0,07 l/s. Bei einer handelsüblichen Mischarmatur für eine Dusche mit einem Berechnungsdurchfluss von 0,15 l/s beträgt die Ausstoßzeit für 3 l Stagnationswasser 27 s bei Mindestfließdruck (1 bar). Damit kann zu jedem Zeitpunkt die 30-Sekunden-Regel erfüllt werden.
An einer Waschtischarmatur mit einem Berechnungsdurchfluss von 0,07 l/s liegt allerdings die Ausstoßzeit mit fast 60 Sekunden bei Mindestfließdruck bereits doppelt so hoch. Die 30-Sekunden-Regel ist damit bei Waschtischarmaturen die deutlich schärfere funktionale Anforderung. Die Einhaltung der betrieblichen Parameter wird in der Regel an Waschtischarmaturen überprüft. Damit nach einer Stagnationsphase auch an diesen Entnahmestellen die 30-Sekunden-Regel erfüllt werden kann, muss das Stagnationsvolumen (VnZirk) in den nicht zirkulierenden Stockwerks- und Einzelzuleitungen mit Temperaturen < 55 °C deutlich unter 3 l gehalten werden.
Für einen sicheren Planungsprozess ist es daher erforderlich, mit der Rohrnetzberechnung den nicht zirkulierenden Wasserinhalt (VnZirk) und die zugehörige Ausstoßzeit (tAus) für jeden Warmwasser-Fließweg zu berechnen und zu überprüfen (Bild 8). Die Druckverhältnisse vor der Entnahmearmatur und die zugehörigen Entnahmedurchflüsse müssen dabei berücksichtigt werden (Bild 9).
Die Dämmung der PWC-Stockwerks- und Einzelzuleitungen mit geringen Nennweiten (DN 12 bis DN 20) kann die Temperaturerhöhung in einer Stagnationsphase auf Umgebungstemperatur nur geringfügig zeitlich verzögern, aber nicht verhindern [4].
Die Leitungsanlage muss in solchen Fällen so gestaltet werden, dass zumindest noch die 30-Sekunden-Regel der DIN 1988-200 sicher eingehalten werden kann. Gegebenenfalls müssen temperaturgeführte Spül- bzw. Wasserwechselmaßnahmen, die auch die Stockwerksinstallationen umfassen müssen, etabliert werden.
Zur Überprüfung der 30-Sekunden-Regel muss deshalb bereits im Planungsprozess – abhängig von der Charakteristik der Entnahmearmatur – sowohl die Ausstoßzeit tAus für das nicht zirkulierende Wasservolumen als auch die Ausstoßzeit für das PWC-Stagnationswasser im Fließweg, das nach einer zu erwartenden Stagnationsphase eine Temperatur von 25 °C überschritten hat, berechnet und nachgewiesen werden 13 .
Für eine technisch einwandfreie und rechtssichere Grundlage und Planung wurden mit der VDI-Richtlinie 6003 Komfortklassen für die Bewertung von Warmwasserentnahmestellen eingeführt. Die Komfortklasse muss in Abstimmung mit dem Nutzer bzw. Auftraggeber für jede Entnahmearmatur entsprechend der Nutzung festgelegt werden [16]. Die Komfortklassen sind abhängig vom Armaturentyp und legen die PWH-Ausstoßzeit tAus und den Entnahmevolumenstrom der betreffenden Armatur fest.
Bei Mindestfließdruck dauert es beispielsweise ca. 1 min bis 3 l Wasser aus einer Waschtischarmatur abgeflossen sind. Damit kann zwar die 3-Liter-Regel erfüllt werden, die 30-Sekunden-Regel wird aber erheblich überschritten. Nach den VDI-Regeln kann diese Armatur noch der Komfortklasse I zugeordnet werden, während nach DIN 1988-200 die Gebrauchstauglichkeit nicht mehr gegeben ist!
Zur Bewertung sollten die Ausstoßzeiten von Stagnationswasser wahlweise mit dem Berechnungsdurchfluss der Entnahmearmatur bzw. mit dem Entnahmevolumenstrom bei Ruhe- oder bei Fließdruck berechnet werden können.
Berechnete Temperatur-Zapfprofile
Zur Vermeidung gravierender Fehlfunktionen im laufenden Betrieb ist es sinnvoll, bereits im Planungsprozess über die Rohrnetzberechnung für jede Entnahmearmatur ein Zapfprofil zu berechnen.
Auf der Warmwasserseite sind die Einhaltung der 3-Liter-Regel, der 30-Sekunden-Regel und der Nachweis der Komfortklasse relativ einfach rechnerisch nachzuweisen.
Die Temperatur des kalten Trinkwassers an der Entnahmestelle im Planungsprozess rechnerisch zu kontrollieren, ist ungleich schwerer. Der Verlauf der Kaltwassertemperatur im laufenden Betrieb ist instationär und abhängig von der Eintrittstemperatur des Trinkwassers in das Gebäude, den Rohrdurchmessern im Fließweg, den Umgebungstemperaturen, der Dämmung und vom Wasserwechsel durch Zapfvorgänge.
Einfach zu berechnende, näherungsweise stationäre Zustände ergeben sich erst in Stagnationsphasen, in denen kein oder nur wenig Trinkwasser aus der Leitungsanlage entnommen wird. Für die Berechnung von Temperatur-Zapfprofilen müssen deshalb die maximale Stagnationszeit und für jede Teilstrecke die Nennweite, die Dämmschichtdicke mit Wärmeleitfähigkeit und die Umgebungstemperatur bekannt sein (variieren einzelne Parameter, ist einer Unterteilung der Teilstrecke erforderlich).
Für die grundsätzliche Beurteilung der zu erwartenden Funktionalität einer Trinkwasser-Installation ist es ausreichend, wenn die Berechnung eines Temperatur-Zapfprofils in einer ersten Näherung ohne Berücksichtigung der instationären Wärmeübergänge während des Zapfvorgangs erfolgt.
Maximale Stagnationszeit
Die maximale Stagnationszeit ist der längste Zeitabschnitt, in dem bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Trinkwasser-Installation in einer Teilstrecke kein bzw. nur wenig Wasser fließt.
In allen Trinkwasser-Installationen, die von Personen mit einem normalen wöchentlichen Lebensrhythmus genutzt werden, kann die maximale Stagnationszeit mit 5 bis 8 h erwartet werden (Bild 2). In Gebäuden, die bestimmungsgemäß an den Wochenenden nicht oder nur teilweise genutzt werden, wie Schulen, Kindergärten, Verwaltungsgebäude, Kaufhäuser usw. kann die maximale Stagnationszeit auch deutlich länger werden.
Umgebungstemperaturen
Für die Berechnung der Kaltwassertemperaturen nach einer Stagnationsphase und der Ausstoßzeiten für überwärmtes Kaltwasser ist die jeweilige Umgebungslufttemperatur der betreffenden Rohrleitungen von besonderer Bedeutung.
Die zu erwartenden Lufttemperaturen in Zwischendecken von Fluren ergeben sich vorwiegend aus Messergebnissen mit Temperaturen zwischen 25 und 30 °C (z. B. Bild 2). Für den Luftverbund Schacht / Vorwand kann die zu erwartende mittlere Lufttemperatur aus den inneren Wärmelasten und den Transmissionswärmeübergängen an den Umschließungsflächen (Schacht / Vorwand) über eine Wärmebilanz berechnet werden [17], Anhaltswerte enthält Bild 11. Messtechnische Untersuchungen an Versuchsaufbauten bestätigen die rechnerischen Ergebnisse und liefern darüber hinaus weitere wertvolle Erkenntnisse zur thermischen Entkopplung [18].
Die Berechnungen für die Ausstoßzeiten sollten wahlweise für den Durchfluss der Entnahmearmatur bei Fließ- bzw. Ruhedruck (Bild 7) durchgeführt werden können. Werden in die berechneten Temperatur-Zapfprofile die Grenzlinien für die Ausstoßzeiten aus den vorgenannten Regelwerken eingetragen, ergibt sich dadurch bereits in der Planungsphase eine leistungsfähige Bewertungsgrundlage (Bild 13) .
Das nicht zirkulierende Warmwasservolumen im Fließweg VnZirk, die Ausstoßzeit tAus und die Komfortklasse sollten im Datenblatt des entsprechenden Warmwasser-Fließwegs protokolliert werden (Bild 12). Analog sollten auch im Datenblatt eines Fließwegs, der zu einer Kaltwasser-Entnahmestelle führt, das Volumen des Stagnationswassers, das nach einer zu erwartenden Stagnationsphase eine Temperatur von 25 °C überschritten hat VStag > 25°C und die zugehörige Ausstoßzeit tAus angegeben werden .
Probenahme
Nach dem Ablauf von 1 l Wasser wird die Probe für die Untersuchung auf Legionellen gezogen. Es ist deshalb von Interesse, welche Temperatur die Wasserprobe nach einer Stagnationsphase hat. Im Zapfprofil der Entnahmestelle sollte aus diesem Grund auch eine Grenzlinie für das Zapfvolumen von 1 l angegeben werden (Bild 12 + 13) , wie dies die Berechnungssoftware Dendrit Studio 2.0 (Version 2017) bietet. Mit dem Anklicken dieser Grenzlinie wird dort zudem die Teilstrecke im Strangschema blau markiert aus der die Wasserprobe genommen wird.
Fazit
Der konstruktive Aufbau der Stockwerksinstallationen hat zu berücksichtigende Auswirkungen auf die zu erwartende Temperatur des Trinkwassers kalt nach einer Stagnationsphase. In diesem Installationsbereich müssen verstärkt Methoden zur thermischen Entkopplung umgesetzt werden, damit die montagetechnischen Vorteile einer Vorwandinstallation ohne hygienekritische Temperaturen des Kaltwassers genutzt werden können.
Spätestens wenn bei Neuplanungen überwiegend Installationsräume mit zu erwartenden Lufttemperaturen > 25 °C für die Verlegung der kalten Trinkwasserleitungen zur Verfügung stehen, muss die Temperatur des Kaltwassers im Planungsprozess berücksichtigt werden, um alle Anforderungen aus den Regelwerken (a.a.R.d.T.) erfüllen zu können.
Bereits im Planungsprozess muss das Zusammenwirken von Umgebungstemperatur, Rohrdurchmesser, Dämmung und Wasserwechsel planerisch aufeinander abgestimmt werden, damit die Temperatur des Trinkwassers kalt in jedem Betriebszustand möglichst niedrig, zumindest jedoch unter 25 °C gehalten werden kann.
Dieser Artikel von Lars Rickmann ist zuerst erschienen in TGA Ausgabe 01-2018.
Literatur
[1] Flemming, C.; Kistemann, T,; Bendinger, B.; Wichmann, K.; Exner, M.; Gebel, J.; Schaule, G.; Wingender, J.; Szewzyk, U.: Erkenntnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt „Biofilme in der Trinkwasser-Installation“. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. 2010
[2] Guidelines for Drinking-water Quality. Genf: World Health Organization, Fourth Edition, WHO Press, 2011
[3] DVGW-Information Wasser Nr. 90. Informationen und Erläuterungen zu Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 551. Bonn: DVGW, Juli 2016
[4] Rickmann, L.: Einfluss neuer Konzepte bei Planung und Konstruktion von Trinkwasserinstallationen in Großgebäuden auf die hygienische Qualität des Trinkwassers. UMIT, September 2014
[5] Kirchhoff, T.; Mathys, W.; Rickmann, B.; Bäcker, C.: Rohrführung für Erhalt der Trinkwasserhygiene entscheidend. Winnenden: Heizungs-Journal Verlags, Sanitärjournal-Sonderheft Trinkwasserhygiene 2017
[6] DIN 1988-200 [3.8 Betriebstemperatur] Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe; Technische Regel des DVGW. Berlin: Beuth Verlag, Mai 2012
[7] DIN 1988-300 [5.2 Berechnungs- und Summendurchfluss] Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 300: Ermittlung der Rohrdurchmesser; Technische Regel des DVGW. Berlin: Beuth Verlag, Mai 2012
[8] DVGW W 551 Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen; Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums; Planung, Errichtung, Betrieb und Sanierung von Trinkwasser-Installationen. Bonn: WVGW, April 2004
[9] DVGW W 551 (siehe [8]) und DIN 1988-200 (siehe [6]) Abschnitt 10.5.2 Zirkulationssysteme
[10] VDI/DVGW 6023 Hygiene in Trinkwasser-Installationen, Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung. Berlin: Beuth Verlag, April 2014
[11] Dendrit Studio 2.0 – Trinkwasserinstallation 08/2017. Dülmen: Dendrit Haustechnik-Software, 2017
[12] DIN 1988-300 (siehe [7]) Abschnitt 5.2.1 Berechnungsdurchfluss
[13] DVGW W 551 (siehe [8]) Abschnitt 5.4 Anforderungen an Leitungsanlagen
[14] DIN 1988-200 (siehe [6]) Abschnitt 8.1 Trinkwasserentnahmestellen
[15] DIN 1988-200 (siehe [6]) Abschnitt 3.6 Betriebstemperatur
[16] VDI 6003 Trinkwassererwärmungsanlagen – Komfortkriterien und Anforderungsstufen für Planung, Bewertung und Einsatz. Berlin: Beuth Verlag, Oktober 2004
[17] Kirchhoff, T.: Rechnerische Ermittlung der Lufttemperaturen in Installationsschächten und Vorwänden. Münster: Projektarbeit an der FH Münster, 2010
[18] Bäcker, C.: Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur thermischen Entkopplung in Trinkwasser-Installationen. Münster: Labor für Haus- und Energietechnik an der FH Münster, 2017
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