Wie funktionieren eigentlich Anschlussleitungen?
Der Auftraggeber hätte am liebsten eine WLAN-Entwässerung, schon klar. Dann blieben lästige Stemmarbeiten aus oder es müssten nicht überall Vorwände gesetzt werden. Solange es eine kabellose Entwässerung nicht gibt, muss sich der Anlagenmechaniker auf einige Rededuelle gefasst machen und seine fachliche Meinung gegenüber dem Bauherrn vertreten. Damit genau Ihnen die Argumente gegenüber dem Bauherrn nicht ausgehen, fassen wir einige wichtige Punkte zum Thema zusammen.
Grundsätzliches zu Leitungstypen
Wir reden hier über Abwasserleitungen und nicht über Trinkwasser- oder Heizungsleitungen, das ist eine wichtige Besonderheit. Und obwohl man vielleicht mit den ersten Gedanken hierzu logische Zusammenhänge zwischen diesen grundsätzlichen Aufgaben herstellt, sind diese doch krass unterschiedlich. Rohr ist eben nicht gleich Rohr. Trinkwasserleitungen berücksichtigen in erheblichem Maße auch die Hygiene beim Transport innerhalb einer Rohrleitung. Der Versorgungsdruck des Hausanschlusses ist die antreibende Kraft.
Heizungsleitungen sind eher zur Funktion verdammt und sollten effizient die Wärme verteilen. Eine Umwälzpumpe befördert das Heizwasser im Kreislauf durchs Gebäude.
Abwasserleitungen hingegen funktionieren aufgrund der Schwerkraft und müssen in einigen Abschnitten auch mal feste Stoffe ableiten. Die Strategien bei der Planung sind also unterschiedlich. Und es gilt eben nicht, dass derjenige, der ein Trinkwassersystem oder eine Heizung verstanden hat, auch gleichzeitig Abwasser beherrscht und korrekt ableitet. Ich beschreibe also ein paar grundsätzliche Unterschiede, erwähne aber nicht jede Verwandtschaft zu Trinkwassersystemen oder der Heizungstechnik.
Dickes oder dünnes Rohr?
Dicke Abwasserleitungen sind nicht immer und ausschließlich nur positiv. Umgekehrt sind besonders schlanke Leitungen auch nicht anzustreben. Vielmehr soll sich das Abwasser und die abzutransportierende Fracht mit diesem Wasser befördern lassen. Mal übertrieben dargestellt: So eine wurstgroße Fracht des WCs flutscht nicht durch ein 40er Röhrchen. Und ebenso wenig lässt es sich in einem tunnelgroßen Kanal zum Krabbeln anregen.
Für beide Extrembeispiele kommt zwar noch das Spülwasser des WCs als Anschub- und Schlitterhilfe mit ins Spiel. Im 40er Röhrchen käme es aber trotzdem nach kurzer Zeit zur Verstopfung, da die Fracht ja nicht aus harten, kugelrunden und immer gleichen Bällchen besteht. Und in einem tunnelgroßen Kanal wäre das Wasser schnell verschwunden und das Häufchen Elend bliebe ohne auftriebspendendes Wasser nach kurzer Gleitfahrt liegen.
Gefälle ist immer notwendig
Abwasserleitungen sind so zu verlegen, dass diese komplett leerlaufen können. Der „Trick“, soeben noch die Waage zu halten, also ohne Gefälle zu arbeiten, ist also kein Trick, sondern Unfug. Gefälle ist immer notwendig. Lassen Sie sich nicht auf faule Kompromisse ein! Sie können es nach Fertigstellung des Bades nicht mehr einfach korrigieren. Wer jetzt an ein starkes Gefälle denkt, um Pluspunkte in Sachen Ablaufgeschwindigkeit zu sichern, liegt jedoch ebenso falsch. Das Abwasser übernimmt eben auch Transportaufgaben. Wenn Abwasser auf einer abschüssigen Gefällestrecke mit 45 Grad Neigung herunterrast, könnten Feststoffe schnell trocken rutschen und daher liegen bleiben.
Wer jemals auf einer steil abfallenden Wasserrutsche im Schwimmbad mit zu wenig Wasser unterwegs war, kann ein langweiliges Lied davon singen. Gefälle entspricht also einer Antriebsenergie, die aber nicht übertrieben werden sollte.
Füllungsgrad
Liegende Abwasserrohre werden unter normalen Umständen nicht dafür vorgesehen, während des Ablaufvorgangs komplett gefüllt zu sein. Vielmehr soll sich im unteren Halbkreis Abwasser bewegen. Im oberen Halbkreis kann dann Luft nachströmen. Dies ist zwingend erforderlich für einen entsprechenden Druckausgleich im System. Bei der Vollfüllung eines liegenden Rohres würde ja sonst eine Saugwirkung entstehen, ähnlich wie beim Aufziehen einer medizinischen Spritze. Eine solche Saugwirkung nuckelt im Zweifel die Geruchsverschlüsse leer.
Gleichzeitig wird bei einem entsprechend ausreichenden Füllungsgrad eine ausreichende Schwimmtiefe für die Feststoffe gewährleistet. Ein Schiff braucht ja auch Wasser unterm Kiel.
Noch Fragen?
Jetzt könnte man das soeben skizzierte Pflichtenheft schließen und rufen: „Gehet hin und bauet!“ Dann könnte man sich im Laufe der nächsten Jahre durch Versuch und Irrtum (Try and Error) einen wertvollen Erfahrungsschatz aneignen und wäre sicherlich am Ende seines Lebens ein erfahrener Baumeister in Sachen Abwassertechnik. Zum Glück ist das nicht mehr notwendig, denn unsere Normen wie die DIN EN 12056 und DIN 1986 haben diesen Erfahrungsschatz bereits zusammengefasst. Der Lesestoff ist zwar furztrocken, beinhaltet aber die Erfahrungen und Erkenntnisse, um funktionsfähige Abwasseranlagen richtig zu bauen.
Definitionen
Als Einzelanschlussleitung gelten Leitungen vom Geruchverschluss eines Entwässerungsgegenstandes bis zur Einmündung in eine weiterführende Leitung. Und Sammelanschlussleitungen vereinen mehrere Einzelanschlussleitungen bis zur Fall-, Sammel- oder Grundleitung. Durch das Bad im obersten Geschoss eines Hauses führt dann noch regelmäßig die Lüftungsleitung über Dach. Andere Leitungsabschnitte lassen sich sehr gut anhand der Zeichnung in Bild 1 erkennen und korrekt benennen.
Einzelanschluss
Die DIN 1986-100 führt auf, welchen Entwässerungsgegenständen verbindlich entsprechende Rohrleitungsquerschnitte zugeordnet werden. Diese werden in der Tabelle 1 auf dieser Seite des Berichts aufgeführt.
Beispielsweise wird daher einem Waschtisch die Nennweite DN 40 zugeordnet. Damit könnte man also jetzt schnurstracks zur nächsten Fallleitung wandern und der Anschluss wäre ja offensichtlich perfekt. Aber so ganz einfach ist es dann doch nicht. Die Leitungslänge soll nämlich 4 Meter für diesen Einzelanschluss nicht überschreiten. Es dürfen auch nur maximal drei Umlenkungen (Bogen) von 90 Grad in diesem Abschnitt montiert sein. Die maximale Höhendifferenz zwischen dem Entwässerungsgegenstand und dem Abzweig in die Fallleitung soll 1 Meter nicht überschreiten. Das Gefälle soll mindestens 1 Zentimeter pro Meter betragen.
Tipps für mehr Abbiegungen
In der Praxis werden Sie auch Gegebenheiten vorfinden, die es nötig machen, mehr als die zulässigen drei 90-Grad-Bogen zu setzen. Es ist dann tatsächlich erlaubt, zweimal 45 Grad zur Richtungsänderung zu installieren. Diese Konstruktion bleibt gewissermaßen als Umlenkung ungezählt und ist nur als Leitungslänge anzurechnen. Übrigens zählt der obligatorische Siphon eines Entwässerungsgegenstandes nicht als einer der drei erlaubten Bogen.
Tipps für mehr Reichweite
Ein weiteres Problem kann sich bei der Einhaltung der Maximallänge ergeben. Bis zu vier Meter kann man die Leitung verziehen. Darüber hinaus gibt es als Möglichkeit für eine Verlängerung des Leitungsverlaufs nur die Alternative der Belüftung dieser Einzelanschlussleitung. Dann dürfen es auch bis zu 10 Meter Gesamtlänge sein. Anstatt einer Belüftung eine Vergrößerung des Rohrquerschnittes vorzunehmen, ist nicht zielführend. Größere Querschnitte bei geringen Abwassermengen führen, wie bereits eingangs beschrieben, zu sehr geringen Fließgeschwindigkeiten und bergen daher die Gefahr der Bildung von Ablagerungen mit potenzieller Verstopfung. Also wenn Distanzen von mehr als vier Metern zu überbrücken sind, gilt es, eine Einzelanschlussleitung zu belüften.
Ein hilfreicher Trick kann es dann sein, ein Belüftungsventil (Bild 3) einzusetzen. Dann braucht diese Belüftung nicht über Dach geführt werden.
Sammelanschluss
Sind mehrere Entwässerungsgegenstände innerhalb eines Bades zusammengeführt und münden dann gemeinsam in eine Fallleitung, handelt es sich um eine Sammelanschlussleitung. Werden beispielsweise die Abwässer eines Bidets und eines Waschbeckens zusammen abgeführt, muss die Dimension für diese Leitung bestimmt werden. Jedes dieser Sanitärobjekte hat einen speziellen Anschlusswert, abgekürzt DU, welcher die anfallende Abwassermenge in Liter pro Sekunde beschreibt. Die DU-Werte sind ebenfalls in der Tabelle 1 in der Spalte für Anschlusswerte gelistet. Beispielsweise wird dort für ein Waschbecken ein DU-Wert von 0,5 l/s angegeben.
Da in der Regel mehrere Entwässerungsgegenstände nicht gleichzeitig genutzt werden, wird ein Gleichzeitigkeitsfaktor mit dem Kürzel -K- für die anzunehmende Entwässerungsleistung angenommen. Diese sogenannten Abflusskennzahlen werden in Tabelle 3 dargestellt.
Die Vorgehensweise zur Bestimmung des notwendigen Rohrquerschnitts ist dann recht einfach. Man bestimmt die Summe und liest aus der entsprechenden Tabelle die notwendige Dimension ab. Eine solche Liste finden Sie hier als Tabelle 4 für unbelüftete Sammelanschlussleitungen. Auch hierbei gilt es letztlich wiederum, die Grenzwerte für diesen Leitungstyp nicht zu überschreiten.
Die Belüftung einer Sammelanschlussleitung kann dann wiederum die Leistungsfähigkeit der Leitungen erhöhen. Ebenso ist es möglich, in belüfteten Sammelanschlussleitungen mehr als drei Umlenkungen von 90 Grad einzubauen.
Tipps für Abwasserleitungen in Bad und Küche
- Zu große Rohrleitungsquerschnitte können ebenso nachteilig sein wie zu kleine.
- Notwendige 90-Grad-Umlenkungen lassen sich durch zwei 45-Grad-Bogen ersetzen und werden damit rechnerisch nur als Rohrlänge berücksichtigt.
- In der Regel ist ein Mindestgefälle zu beachten.
- Notwendige Überschreitungen der maximalen Leitungslängen lassen sich ggf. durch eine Belüftung der Leitungen realisieren. Bei einer Länge von 10 Metern ist allerdings Schluss.
Dieser Beitrag von Elmar Held ist zuerst erschienen in SBZ Monteur 08/2020. Dipl.-Ing. (FH) Elmar Held ist verantwortlicher Redakteur des SBZ Monteur. Er betreibt ein TGA-Ingenieurbüro, ist Dozent an der Handwerkskammer Münster und Hochschule Düsseldorf, sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger.