Schrägdach: Was bei der Installation von PV-Anlagen zu beachten ist
Die Erzeugung von Strom durch Dachflächen mit photovoltaischen Anlagen ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Das geneigte Dach ist ein idealer Standort für die nachhaltige Energiegewinnung. Beim Einsatz von Solaranlagen auf dem Dach gelten besondere Anforderungen an Planung und Montage. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Sichtweisen des Dachhandwerks und der Dachbaustoffindustrie. Grundanforderungen an Bauwerken betreffen nach der EU-Bauproduktenverordnung unter anderem die mechanische Festigkeit und Standsicherheit von Bauwerken und Bauprodukten. Die "wesentlichen Merkmale von Bauprodukten" werden nach den Grundanforderungen an Bauwerke in harmonisierten technischen Spezifikationen festgelegt.
So ist zum Beispiel die mechanische Belastung durch Wind- und Schneelasten von Solarkollektoren oder Photovoltaikmodulen und deren Befestigungen am Gebäude ein wesentliches Merkmal. Es dient der Erfüllung der Grundanforderung an mechanische Festigkeit und Standsicherheit und damit dem Schutz eines Bauwerks und dessen Bewohnern vor Einsturz, Verformungen oder Beschädigungen. Die Landesbauordnungen beschreiben diese Grundanforderungen gemäß der Bauregelliste. Sie sind sowohl vom Planer als auch dem Installateur zu beachten.
Das Regelwerk des ZVDH für PV-Anlagen
Für das Dach gibt es weitergehende Anforderungen in Normen- und Regelwerken. So gilt das Regelwerk des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) mit seinen Vorgaben für die unterschiedlichen Dachdeckungsarten und Konstruktionen.
Die Richtlinie VDI 6012 in Bezug auf PV-Anlagen
Aus dem umfangreichen Regelwerk sind für die Montage von Solaranlagen insbesondere die Fachregeln für Dachdeckungen, die Hinweise zur Lastenermittlung und die Merkblätter für Einbauteile und Solaranlagen zu beachten. Die Richtlinie 6012 Blatt 1.4 „Befestigung von Solarmodulen und Kollektoren auf Gebäuden“ des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) ergänzt die Anforderungen. Diese gelten nicht nur für das dachdeckende Handwerk, sondern entsprechend für alle Gewerke, die bauliche Maßnahmen am Dach vornehmen.
Anbringen von PV-Anlagen auf dem Dach
Durch das Anbringen von Solaranlagen auf dem Dach sind die Montagesysteme den Krafteinwirkungen durch Wind und Schnee sowie Temperaturschwankungen und weiteren Witterungseinflüssen ausgesetzt. Auch greifen die Befestigungssysteme in die Bau- und Dachkonstruktion ein. Ein wichtiges Merkmal im Regelwerk des Dachhandwerks wird bei Planung und Ausführung mit der Sicherstellung der Regensicherheit einer Dachdeckung sowie seiner Komponenten beschrieben.
Dachdeckungen sind regensicher, aber nicht wasserdicht
Dachdeckungen mit Dachziegeln oder Dachsteinen sind zwar regensicher, aber nicht wasserdicht. Die Regensicherheit ist eine Grundforderung, die bei Einhaltung der in den Fachregeln angegebenen dachpfannenabhängigen Regeldachneigungen und Überdeckungen für Dachziegel und Dachsteine im Normalfall erreicht wird. Neben den Erfahrungswerten des Regelwerks spielen die Prüfergebnisse aus einem Windkanal eine entscheidende Rolle für den Nachweis der Regensicherheit einer Dachdeckung. Die Forderung an die Regensicherheit gilt auch für alle Einbau- und Zubehörteile zur Dachdeckung.
Risiko von Durchfeuchtung der Dachdeckung
Durch extreme Witterungseinwirkungen, wie zum Beispiel Treibregen, Flugschnee, Vereisungen und Schneeablagerungen, kann die Niederschlagsfeuchte unter die Dachdeckung gelangen und bis zur Durchfeuchtung der darunterliegenden Räume führen. Nur durch zusätzliche Maßnahmen, wie zum Beispiel Unterdachsysteme, können derartige Einwirkungen ausgeschlossen werden. In den Regeln werden zur Einhaltung der Regensicherheit die Regeldachneigungen, Mindesthöhen und Seitenüberdeckungen angegeben. Die Regeldachneigung ist hierbei die unterste Dachneigungsgrenze, bei der eine Dachdeckung regensicher ist.
Faktoren der Regensicherheit von Dachdeckungen
Die Regeldachneigung bezieht sich auf die Neigung der Unterkonstruktion (zum Beispiel Sparrenlage). Die Regensicherheit ist dabei von drei Faktoren abhängig:
- Deckwerkstoff (Element)
- Deckungsart (System)
- Anforderungen (Randbedingungen)
Zu einer ganzheitlichen Betrachtung sind hier Element und System und die weiteren Bedingungen oder Anforderungen in ihrem Wirkungszusammenhang Grundlage für die erwartete Wirkung einer regensicheren Deckung.
Statik und Regensicherheit von Solaranlagen
Hauptaufgabe eines Solarhalters ist es, zusätzliche Sog-, Druck- und Schubkräfte der Solaranlage auf dem Dach sicher abzuleiten. Die Solarhalter werden auf dem Tragsystem, in der Regel den Sparren, befestigt und durch die Dachdeckung geführt. Vor allem die Befestigung von Solaranlagen auf dem Dach, die Durchleitung der entstehenden Kräfte durch die Dachdeckung vom Traggestell bis zum Dachtragwerk sowie die Einbindung von Leitungen in die Dachdeckung können mangelhaft ausgeführt sein und zu funktionellen Problemen einer Dachdeckung führen.
Beschädigungen von PV-Anlagen vermeiden
VDI 6012 Blatt 1.4 führt hierzu aus: „Die Funktionen der Dachdeckung oder Dachabdichtung dürfen durch die Anlagenmontage nicht beeinträchtigt werden. Dies beinhaltet den Schutz gegen Witterungseinflüsse und die Vermeidung von mechanischen Beschädigungen (zum Beispiel Ziegelbruch, Beschädigung der Wärmedämmung).“
Fehler bei Lasten und Montage von Solaranlagen
Ein Großteil der Schäden ist auf Sturm und Schneelast sowie fehlerhafte Montage und unsachgemäßes Begehen zurückzuführen. In der Praxis können falsche Bauteile, Planungs- oder Installationsfehler zu weiteren Schäden an der Konstruktion sowie einer unrentablen Solaranlage führen. Somit kommt der fachgerechten Montage der Anlagen auf dem Dach besondere Bedeutung zu. Die derzeit häufigste Montage mit herkömmlichen Solardachhaken in der Dachdeckung reicht in vielen Fällen nicht aus, um die Lasten aus Windsog und Schneelast sicher aufzunehmen und schadenfrei weiterzuleiten.
Zu große Lasten für die Eindeckung der PV-Anlage
Problempunkte ergeben sich vor allem durch Kraftübertragungen im Bereich der Befestigungselemente mit großen Belastungen auf die Dachdeckung. Diese führen unweigerlich zum Bruch der Dachpfannen und in der Folge zu Undichtigkeiten der Deckung. Die Biegesteifigkeit der Dachpfannen ist für eine Lastabtragung der Anlagen durch punktuell aufliegende Befestigungselemente nicht ausgelegt. Die Hersteller von Dachziegeln und Dachsteinen lehnen demzufolge durchweg Garantie- und Gewährleistungsansprüche bei einem Versagen ab. VDI 6012 ergänzt hierzu: „Die Inanspruchnahme der Biegesteifigkeit der Dachziegel oder Dachsteine zur Lasteinleitung ist nicht geregelt und bedarf daher stets der einer Einzelfallbetrachtung. Eine Lasteinleitung in den Dachziegel oder Dachstein kann zum Bruch führen und muss vermieden werden.“
Brüche und Haarrisse in der Solaranlage
Häufig werden Brüche schon während der Installation kaum sichtbar als Haarrisse erzeugt und führen erst lange nach dem Abbau des Montagekrans und des Gerüsts zu Einregnungen und Feuchteschäden. Der Rückbau der Anlagen zur Reparatur ist teuer. Der Trend in der Architektur zu flach geneigten Dächern mit speziellen Dachziegeln oder Dachsteinen erschwert die Sachlage zusätzlich.
Um auch Dächer mit kleinteiligen Bedachungsmaterialien bei relativ niedrigen Dachneigungen auszuführen, werden Dachziegel und Dachsteine mit speziellen Konstruktionen eingesetzt. Diese haben in ihren Überdeckungsbereichen aufwendig konstruierte verfalzte Zonen oder Regensperren, um die Regeneintragssicherheit der Dachdeckung zu ermöglichen.
Dachdeckung mit Flex und Hammer
Bei der Durchführung einfacher Dachhaken durch die Dachdeckung müssen diese Kopf- und Fußverfalzungen handwerklich mit der Flex oder dem Hammer bearbeitet werden. Dies führt zu Beeinträchtigungen der geforderten Regeneintragssicherheit der Dachdeckung und entspricht weder den Verarbeitungsvorschriften der Hersteller der Dachziegel oder Dachsteine noch den Vorgaben des ZVDH und VDI.
Material für Bedachung unzulässig geschwächt
Durch die Bearbeitung wird das Bedachungsmaterial teilweise unzulässig geschwächt und die Bruchgefahr erhöht. In der Folge erlöschen Materialgarantien der Hersteller. VDI 6012 sagt hierzu aus: „Infolge der Bearbeitung der Dachziegel oder Dachsteine sind Einschränkungen der Produktgewährleistungen zu berücksichtigen.“ Aus Unkenntnis dieser technischen Sachverhalte kann es zu großen Problemen mit Feuchteschäden, Reklamationen und unwirtschaftlichen Nachbesserungen durch den Rückbau aufgeständerter Anlagen kommen.
ZVDH-Merkblatt zur Solartechnik
Zur Befestigung von Photovoltaikanlagen auf dem Dach gelten die gleichen Regeln wie für alle sonstigen Zubehörelemente und Einbauteile auf dem Dach. Dies wird im ZVDH-Merkblatt Solartechnik gefordert. Neben der Tragfähigkeit und Lagesicherheit einer Solaranlage werden Maßnahmen zur Sicherstellung der Regensicherheit einer Dachdeckung beschrieben, die für die Funktionssicherheit der Solaranlage und des Daches über einen langen Investitionszeitraum gelten.
Zusätzliche Maßnahmen bei Dachsystemen
Das ZVDH-Merkblatt Solartechnik führt unter anderem aus, dass Auf- oder Indachsysteme eine erhöhte Anforderung darstellen und auch bei Einhaltung der Regeldachneigung geeignete Zusatzmaßnahmen zur Regensicherheit erfordern. Erhöhte Anforderungen können sich aus der Dachneigung, der Nutzung, der Konstruktion, klimatischen Verhältnissen, technischen Anlagen sowie örtlichen Bestimmungen ergeben. Auch durch Solaranlagen ergeben sich erhöhte Anforderungen.
Einteilung von Dachbedeckungen in Klassen
Erhöhte Anforderungen an eine Dachdeckung lösen nach dem Regelwerk des ZVDH in Abhängigkeit von der Gebäudeart immer sogenannte Zusatzmaßnahmen zur Deckung aus. Zusatzmaßnahmen können dabei nahtgesicherte, naht- und perforationsgesicherte Unterspannungen, überlappte oder verfalzte Unterdeckung, verschweißte oder verklebte Unterdeckung, naht- und perforationsgesicherte Unterdeckung, regensichere oder wasserdichte Unterdächer sein. Die Zusatzmaßnahmen werden dabei in Klassen eingeteilt. Diese wiederum werden der Art und Anzahl der erhöhten Anforderungen sowie möglichen Unterschreitungen der Regeldachneigung zugeordnet.
Anschlüsse an Dachdeckungen
Zudem kann eine Solaranlage eine stärker wirkende Zusatzmaßnahme unter Deckung auslösen. Zusatzmaßnahmen zur Deckung können nur funktionieren, wenn sie fachgerecht verlegt sind. Dies ist insbesondere bei der Durchführung von Anschlussleitungen zu beachten. Die Leitungen sind so fachgerecht in die zweite Ablaufebene unter der Dachdeckung einzubinden, dass sie der Klassenzuordnung der Zusatzmaßnahmen entsprechen.
Formelemente für Dachziegel
Funktionssichere Lösungen für die Befestigung von Aufdachanlagen ergeben sich mit Formelementen, die in Form und Farbe dem jeweiligen Dachziegel entsprechen und somit der jeweiligen Regeldachneigung. Diese Dachsystemteile mit Modulstützen werden einfach auf den Dachlatten und extra angeordneten Soglatten montiert und erlauben eine sichere Ableitung der Kräfte in die Unterkonstruktion des Daches. So kann auch eine sparrenunabhängige Montage der Modulstützen im Deckbild der Dachdeckung erfolgen, da die Kräfte über den in Dachlattenebene angeordneten Verbindungsträger in die Tragkonstruktion der Sparren eingeleitet werden. Neben den funktionalen Vorteilen ergeben sich auch optisch ansprechende Lösungen für das Dachbild.
Einsatz von Montagesystemen bei Aufdachdämmungen
Für die Funktionssicherheit von Montagesystemen ist auch eine Betrachtung der Unterkonstruktion entscheidend. Energetisch besonders effektiv sind Aufdachdämmungen. Wärmeverluste durch Fugen und Wärmebrucken werden reduziert und die Verarbeitung wird erleichtert. Die Lagesicherung der Aufdachdämmung erfolgt mit statisch bemessenen und bauaufsichtlich zugelassenen Systemschrauben. Sie werden in der Regel über die Konterlattung in den Sparren der Tragkonstruktion geschraubt. Dabei nehmen die Schrauben sowohl die Schub- wie auch die Windsogkräfte der gesamten Dachkonstruktion auf.
Statischer Nachweis von Verstärkungselementen
Um auch Kräfte aus Zusatzlasten wie durch nachträglich aufgeständerte Solarelemente sicher in die Unterkonstruktion einleiten zu können, müssen Verstärkungselemente über der Konterlattung eingebaut werden. Auf diese Weise kann es nicht zu Verformungen und zur Schädigung der Aufdachdämmung sowie der zweiten Ablaufebene (aufkaschierte Unterdeckbahn) kommen. Diese Verstärkungselemente sind grundsätzlich statisch nachzuweisen.
Elemente zur Verstärkung für PV-Anlagen
Hochwertige Materialien und zugelassene Elemente sowie die praxisgerechte, handwerkerfreundliche Verarbeitung erleichtern den Einsatz nicht nur für den Dachhandwerker, sondern auch für das Fachhandwerk der Solar-, Elektro- oder Sanitärbranche. Innovative Befestigungslösungen ermöglichen große Funktionssicherheit für Solaranlagen auf dem Dach und bieten die ideale Basis für die Ertragssicherheit der Solaranlage. Aufgeständerte Lösungen haben optische Schwächen. Vor allem aus gestalterischer Sicht sollten deshalb auch dachintegrierte Lösungen eingeplant werden.
Dieser Beitrag von Horst Pavel und Matthias Willinger erschien zuerst im Magazin Photovoltaik 9/2019. Horst Pavel leitet die Anwendungstechnik Steildach bei BMI in Deutschland. Matthias Willinger ist Produktmanager Solar bei BMI in Deutschland.