Markisenbefestigung: Warum die Diskussion nicht abreißt
DIN EN 13561 und DIN EN 13659 schaffen einheitliche Richtlinien
Mit den Neuerungen in den Neufassungen der Markisen- (DIN EN 13561) und der Rollladen-Normen (DIN EN 13659) aus 2015 ist viel neuer technischer Input auf die Industrie und Fachbetriebe zugekommen. Die Einhaltung einer harmonisierten Europäischen Norm für die Markisenbefestigung bietet Herstellern und damit auch den Auftragnehmern den Vorteil, dass die grundlegenden Anforderungen der entsprechenden Normen und Richtlinien erfüllt werden. So weit so gut. In der Praxis und damit in der realen Welt sieht es momentan leider etwas anders und vor allem unterschiedlich bei der Befestigung von Markisen aus.
Grundsätzlich müssen eigentlich nur folgende Bedingungen erfüllt sein, damit die Konformitätsvermutung in der R+S Branche zum Tragen kommen kann:
- Es gibt eine harmonisierte Europäische Norm.
- Die Norm wurde in mindestens einem EU-Mitgliedstaat umgesetzt.
- Die Norm wurde im europäischen Amtsblatt (OJEU) öffentlich bekanntgemacht.
Das kann bzw. sollte natürlich kein Freibrief für die Branchenakteure sein, einfach munter drauflos zu planen, herzustellen, zu liefern und zu montieren. Frei nach dem Motto, Hauptsache ein CE-Zeichen ist auf den Markisen und gut ist es.
Der Auftragnehmer als Fachunternehmer hat hier gegenüber dem Auftraggeber eine Pflicht, regelmäßig zu überprüfen, ob die Anforderungen des Auftraggebers und die allgemein anerkannten Regeln der Technik bezüglich Produkt „und“ Montage nach der DIN EN 13561 eingehalten werden. Das umfasst neben den mitgelieferten Begleitpapieren der entsprechenden Produkte natürlich auch die Technik der Markisenbefestigung.
DIN EN 13561 regelt Windwiderstandsklassen nicht ausreichend
Und genau hier liegt seit März 2017 eine gewisse Problematik und damit auch eine große Verunsicherung bei der Erstellung der erforderlichen Begleitpapiere und dem CE-Zeichen. Nehmen wir einmal eine Gelenkarmmarkise mit Motor. Hier muss bei der Erstellung der Konformitätserklärung (nach Maschinenrichtlinie) der Normenstand der DIN EN 13561:2015 zugrunde gelegt werden. Bei der Leistungserklärung hingegen, muss der Normenstand DIN EN 13561:2009 angewendet werden. Das betrifft insbesondere die mandatierte Eigenschaft Wind und die Angabe der daraus resultierenden Windwiderstandsklassen. Eine CE-Zertifizierung, zwei anzuwendende Normen, das ist schon für so manchen Hersteller nicht so ganz einfach zu verstehen, aber momentan die blanke Realität.
Der Fachbetrieb wird diesem Thema fast immer hinterherlaufen, da er in der Regel in die Veränderungen der Normenprozesse nicht aktiv eingebunden und damit auf klare Informationen seiner Vorlieferanten angewiesen ist.
Eine kurzfristige Entscheidung der zuständigen Personen in der europäischen Kommission wegen Diskussionen um die Windwiderstandsklassen ist zumindest bei der DIN EN 13561 (Markisennorm) nicht so schnell zu erwarten, da hier ein sogenannter „delegierter Akt“ notwendig wird, um die Änderungen von der EU absegnen zu lassen.
Es sollte also herstellerseitig darauf geachtet werden, dass die aktuellen formellen Vorgaben der Normung DIN EN 13561 auch eingehalten werden. Einen Bezug auf die 2015-Version der Normen bei der Leistungserklärung ist ausdrücklich nicht erlaubt und kann sogar mit einem Bußgeld belegt werden.
Was für die Markisennorm gilt, hat seine Gültigkeit übrigens auch bei der DIN EN 13659 für Rollläden, Abschlüsse und Außenjalousien.
Windwiderstandsklassen bei Markisenbefestigung nicht einheitlich
Haben das Thema Konformitätserklärung alle Hersteller weitestgehend im Griff, so gibt es bei der Leistungserklärung durchaus sehr unterschiedliche Herangehensweisen bei der Betrachtungsweise, wie eine Windwiderstandsklasse (WWK) aktuell in der Leistungserklärung anzugeben ist.
Besonders interessant sind da z.B. die Hersteller, die auf ihren aktuellen CE Zeichen und Leistungserklärungen von ZIP-Anlagen oder seitensaumgeführten Wintergartenmarkisen die Klassen 4-6 angeben, die in der Normenfassung von 2009 überhaupt nicht vorhanden sind. Hier wird also ganz eindeutig und bei der aktuellen Informationslage durch Verbände, Presse etc. vorsätzlich gegen geltende Regeln verstoßen.
Eine weitere inzwischen beliebte und von so manchem Prüfinstitut geduldete Vorgehensweise ist die Tatsache, ZIP-Anlagen nach der Rollladennorm prüfen zu lassen und darüber eine Windwiderstandsklasse bei Markisen zu ermitteln. Auch hier liegt ein Beugen der aktuellen Regeln vor, da ZIP-Anlagen als seitensaumgeführte Markisen eindeutig der DIN EN 13561 und damit nicht der 13659 zugeordnet sind.
ZIP-Anlagen müssen deshalb momentan auf der Leistungserklärung und dem CE-Zeichen mit der Windwiderstandsklasse 0 ausgewiesen werden. Erst mit einer Einsatzempfehlung Wind durch den Hersteller selbst, wird die Belastbarkeit des Produktes definiert.
Eine Vorgehensweise, die im Bereich der Raffstoren gängige Praxis ist. Warum der ein oder andere Hersteller, obwohl er beide Produkte herstellt, hier unterschiedlich verfährt ist nicht unbedingt nachzuvollziehen.
Der IVRSA hat aus den vorgenannten Gründen „Einsatzempfehlungen Wind“ für ZIP-Systeme (und Raffstoren) erstellt, um genau diesen unschönen Erscheinungen entgegenzuwirken.
Fazit: Fehlerhafte Markise auf Kosten der Fachbetriebe?
Man kann nur vermuten, woran es liegt, dass Hersteller von Markisen so unterschiedlich bei den Begleitpapieren ihrer Produkte vorgehen, wie am Beispiel der Windwiderstandsklassen zu sehen ist. Naheliegend könnte es sein, dass sich die Marketingabteilungen gegenüber der Technik durchsetzen, um hohe Katalogwerte anzugeben und damit den Wettbewerb übertrumpfen zu können. Die Markisenbefestigung wird dadurch jedoch erschwert.
Der Fachhändler bleibt dabei auf der Strecke, da er in der Regel davon ausgeht, dass sein Vorlieferant die Markise korrekt liefert und dokumentiert. Kommt es aus irgendeinem Grund zu einem Problem mit der Markise, ist der Fachbetrieb der rechtliche Ansprechpartner. Und dann ist nichts mehr so richtig klar.
Dieser Beitrag von Olaf Vögele erschien zuerst in GLASWELT 03/2019.
Interview mit Karl Rödelbronn, Fachgruppenvorsitzender Markisen beim IVRSA
Mit den ETA-Zulassungen beschäftigen
Bereits 2003 hatte die Industrie sehr intensiv über die Befestigung von Markisen nachgedacht und umfangreiche Windkanalprüfungen vorgenommen. Die Ergebnisse sind in die Richtlinien zur Beratung, Verkauf und Montage von Gelenkarmmarkisen von 2006 eingeflossen. 11/2018 wurde eine neue Richtlinie veröffentlicht.
GLASWELT: Herr Rödelbronn, die technischen Richtlinien zur Montage wurden im Sommer letzten Jahres zurückgezogen und jetzt neu vorgestellt, warum?
Karl Rödelbronn: Die Richtlinie musste sowohl dem aktuellen Normenstand als auch den veränderten technischen Regeln angepasst werden. Dies war nach mehr als 10 Jahren notwendig und so gibt es heute sogenannte ETA’s (Europäische technische Zulassung) für Befestigungsmittel, die nun berücksichtigt werden mussten.
GLASWELT: Was bedeutet das für Hersteller und Montagebetriebe?
Rödelbronn: Eigentlich nicht viel Neues. Die Neuauflage der Richtlinie enthält immer noch die Rechenwege zur Ermittlung der Auszugslasten, allerdings nicht mehr Produktbeispiele sowie Musterberechnung.
GLASWELT: Warum sind die Tabellen für Lochabstände, Dübel etc. entfallen?
Rödelbronn: Leider ist es nicht mehr möglich, bei diesem komplexem Thema einfache Lösungen zu vermitteln. So gibt es mittlerweile auch Leistungserklärungen z. B. für Steine und auch neue Befestigungsuntergründe, die wir nicht mehr pauschal in einer Tabelle abhandeln konnten. Wir haben allerdings geplant eine Anlage zu der Richtlinie mit Anwendungsbeispielen zu veröffentlichen, um Handwerker zu unterstützen.
GLASWELT: Verzinkte Schrauben sind komplett aus dem Rennen?
Rödelbronn: Ja, das sind sie. Dies ist eine der notwendigen Änderungen, die wir in die Richtlinie integrieren mussten um sie den veränderten technischen Regeln anzupassen.
Interview mit Martin Bürgel, Technischer Koordinator beim IVRSA
Die CE-Zertifizierungen sind klar geregelt
Wer denkt, das Erstellen von Konformitäts- und Leistungserklärung sei eine einfache Angelegenheit, kann sich auch mal ganz schnell in den eigenen Finger schneiden, wenn er nicht auf die aktuelle Normenlage in Brüssel achtet.
GLASWELT: Herr Bürgel, warum gibt es immer wieder die Diskussionen wegen der unterschiedlichen Normenstände zu Konformitäts- und Leistungserklärung?
Martin Bürgel: Nach Maschinenrichtlinie sind beide Produktnormen schon im OJEU (15.01.2016) veröffentlicht worden. Daraus folgt, dass für motorisierte Produkte die Konformitätserklärung ab März 2017 nach neuem Produktstandard zu erfolgen hat. Unter der Bauproduktenverordnung ist eine Veröffentlichung bisher nicht erfolgt, sodass eine Verwendung der „neuen“ Produktnormen (EN 13659:2015, EN 13561:2015) für die Leistungserklärung sowie die Kennzeichnung nach Bauproduktenverordnung nicht erfolgen darf.
GLASWELT: Was bedeutet das in der Praxis?
Bürgel: Praktisch bedeutet das, dass Hersteller für die Konformitäterklärung den Normenstand von 2015, für die Leistungserklärung den Normenstand von 2009 nutzen müssen.
GLASWELT: Aber warum sehen die Leistungserklärungen der Hersteller dann teilweise so unterschiedlich im Bereich der Normenversion und WWK aus?
Bürgel: Das ist schwer zu beantworten. Die Mitglieder unserer Fachgruppen werden in regelmäßigen Abständen über den aktuellen Stand der Produktnormen informiert, allerdings gibt es zu diesem Thema auch von großen Prüfinstituten ganz unterschiedliche Aussagen, was dann zu Verunsicherungen der Hersteller führt und letztendlich auch zu unterschiedlichen Leistungserklärungen.