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ZIP-Systeme: Gelten wirklich die gleichen Bestimmungen?

Olaf Vögele

Eine Verordnung der EU mit der Ziffer 2019/1188 von 2019 bringt frischen Wind in die Diskussion, was denn nun richtig oder falsch sei. Es war schon seit längerem auffällig, dass die überwiegende Mehrheit der italienischen Hersteller die Windwiderstandsklassen 4–6 bei ZIPs ausgewiesen haben. Also sollte ein wenig Licht ins Dunkel gebracht werden.

In Übereinstimmung mit der Definition in Artikel 2 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (EU-Bauprodukteverordnung, abgekürzt EU-BauPVO)) ist unter „Leistungsklasse“ (Windwiderstandsklasse) eine Bandbreite von Leistungsstufen eines Bauprodukts zu verstehen, die durch einen Mindest- und einen Höchstwert abgegrenzt wird. Somit wird in der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 mit Leistungsklasse stets eine bestimmte Bandbreite eines bestimmten Leistungsverhaltens eines Produkts bezeichnet.

ZIP-Systeme: Normen sind nicht alles

Alle Leistungsklassen sind daher gleichermaßen zu betrachten und anzuerkennen, ungeachtet dessen, ob sie von der Kommission oder von den europäischen Normungsgremien festgelegt wurden. Die europäische Produktnorm EN 13561 für Markisen und die für sie geltenden Leistungs- und Sicherheitsanforderungen war vom Europäische Komitee für Normung (CEN) erstmals 2004 angenommen und 2008 geändert worden. Sie enthält Klassifizierungen für die Leistung der durch sie abgedeckten Produkte, insbesondere hinsichtlich ihres Widerstands gegenüber Windlasten, wobei vier Leistungsklassen eingeführt wurden, und dient als Grundlage für die Leistungserklärung, und damit auch für die CE-Zertifizierung. Die überarbeitete Normenfassung der EN 13561 aus 2015 mit Ergänzungen u. a. zum Thema neue WWK für ZIP-Systeme wurde hingegen nie im OJEU (Amtsblatt der Europäischen Union) veröffentlicht, und damit nicht gültig. Die dazugehörige Prüfnorm EN 1932 aus 2013 konnte deshalb bisher nicht angewendet werden.

Die Kommission kann sich per Verordnung über die ­europäischen Normungsgremien hinwegsetzen.

Übersetzungsfehler in der deutschen Fassung

Schon 2019 kam die europäische Kommision durch vorliegende Informationen zu der Feststellung, dass die bisherigen Klassen 0–3 nicht für alle verfügbaren Produkte ausreichend seien, da in jüngster Zeit in diesem Bereich neue Arten von Produkten, die einen höheren Widerstand gegenüber Windlasten als zuvor aufweisen, entwickelt wurden. Die Anwendung der vorhandenen Klassen konnte in einigen Fällen auch zu Sicherheitsproblemen im Zusammenhang mit der Befestigung der Produkte führen. Aus diesen Gründen musste die Klassifizierung der betreffenden Leistung erweitert und entsprechend den verschiedenen von der Norm EN 13561 abgedeckten Produkt-Unterfamilien differenziert werden. Im deutschen Originaltext: „Aufgrund der Widerstandsfähigkeit von Befestigungssystemen wären für Gelenkarmmarkisen nur drei Klassen zweckmäßig, und die drei zusätzlichen Klassen wären, im Vergleich zu den vier bestehenden Klassen, nur auf Außenjalousien mit seitlichen Führungsschienen und für Pergolamarkisen anwendbar.

Mit Außenjalousien übersetzt, aber Außenmarkisen sowie Pergolamarkisen (gemäß der DIN EN 12216:2018-12, Abschlüsse) sind eigentlich gemeint. 

Sie haben richtig gelesen „Außenjalousien mit seitlichen Führungsschienen“. Im Artikel 1 der Verordnung 2019/1188 heißt es: „Es werden Leistungsklassen für Außenjalousien und Markisen in Bezug auf den Widerstand gegenüber Windlasten gemäß dem Anhang festgelegt“. Das zieht sich wie ein roter Faden im Anhang mit der Tabelle 1: „Leistungsklassen für Außenjalousien mit seitlichen Tuchführungsschienen … fort“. Was also bitte haben Außenjalousien mit der EN 13561 zu tun? Nichts, denn sie sind eindeutig in der EN 13659 geregelt.

Mit der delegierten Verordnung (EU) 2019/1188 der Kommission können ZIP-Systeme mit den Leistungsklassen 0–6 ausgewiesen werden.

Ein Blick in die französische Fassung der 2019/1188 bringt dagegen Klarheit und offenbart einen Übersetzungsfehler in der deutschen Fassung, denn dort lautet es „les stores et auvents extérieurs”, was mit „Außenmarkisen und Jalousien” zu übersetzen ist. Noch genauer wird es in Tableau 1 mit: „les stores extérieurs avec toile coulissant dans des rails de guidage latéraux”, wo wir bei der Definition „Markisen, deren Gewebestoff in seitlichen Schienen geführt wird” wären.

 

Erst ein Blick in die französische Fassung „les stores extérieurs avec toile coulissant dans des rails de ­guidage latéraux (Markisen, deren Gewebestoff in seitlichen Schienen geführt wird)“ bringt Klarheit beim ­Übersetzungsfehler.

Da gemäß der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 die Einführung solcher neuer Klassifizierungen in eine harmonisierte Norm durch die europäischen Normungsgremien selbst ein neues geändertes Mandat erfordert hätte und dieses nicht erteilt wurde und mehr Zeit in Anspruch genommen hätte, wurde diese Delegierte Verordnung als der günstigere und einfachere Weg erachtet, die neuen Leistungsklassen zur Anwendung zu bringen, und damit den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.

Für alle anderen Produkte ändert sich gegenüber der weiterhin gültigen DIN EN 13561:2009 für die Leistungs­erklärung und die Erstellung des CE-Zeichens nichts.

Damit ist auch der Weg eröffnet, die Prüfnorm DIN EN 1932:2013-09 – Abschlüsse und Markisen – Widerstand gegen Windlast – Prüfverfahren und Nachweiskriterien mit dem skizzierten Prüfaufbau „Lastaufbringungsverfahren für geführte Markisen” zu verwenden. Mit Hinweis auf die Verordnung 2019/1188 wäre so auch in der Leistungserklärung und dem CE-Zeichen eine Windwiderstandsklasse 0–6 zu klassifizieren. Das gilt dann auch für Pergolamarkisen (Faltbehang oder Lamelle).

Gelenkarmmarkisen dürfen nur noch mit Windwiderstandsklasse (WWK) 0-2 ausgewiesen werden. Eine Angabe von WWK 3 bei Gelenkarmmarkisen ist damit nicht mehr erlaubt.

Leistungsklassen in drei Tabellen gültig

Die Leistungsklassen in Bezug auf den Widerstand gegen Windlasten (WWK) wären so gesehen in drei Tabellen gültig. Tabelle 1 (WWK 0–6) gilt für die Außenmarkisen, deren Gewebestoff in seitlichen Schienen geführt wird und Pergolamarkisen (gemäß der DIN EN 12216:2018-12, Abschlüsse – Terminologie, sind das nur Pergolen mit faltbarem Stoff oder Lamellen). Tabelle 2 (WWK 0–3) gilt für Gitterarmgelenkmarkisen, Schwenkarmmarkisen, Gleitarmmarkisen, vertikale Rollläden, Markisoletten, Fassadenmarkisen, Pergolen, Wintergartenmarkisen und Insektenschutzgitter. Tabelle 3 (WWK 0–2) für Gelenkarmmarkisen. Eine Angabe von WWK 3 bei Gelenkarmmarkisen wäre dann nicht mehr erlaubt.

Dieser Artikel von Olaf Vögele ist zuerst erschienen in GLASWELT 11/2021.

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