Einbruchschutz: Bei Nachrüstung nicht von Widerstandsklassen sprechen
Herr Johannsmeyer, wenn ein Fensterbauer ein RC2-Fenster einbaut, hat der Kunde dann auch wirklich ein RC2-Fenster? Oder gibt es neben dem geprüften Produkt weitere Faktoren, die die Einbruchhemmung beeinflussen?
Jörg Johannsmeyer: Man muss sich Einbruchhemmung wie eine Kette vorstellen. Das schwächste Glied dieser Kette bestimmt die Stärke der Kette. Ein einbruchhemmendes Fenster kann nur dann funktionieren, wenn auch alle Randbedingungen eingehalten werden.
Wird die Montage nicht nach den Regeln, die in der Montageanleitung beschrieben sind, durchgeführt oder Montagematerial verwendet, das mit dem Fensterelement und dem Wandaufbau noch nicht geprüft wurde, werden die einbruchhemmenden Eigenschaften sehr häufig nicht erfüllt.
Worauf sollte ein Handwerker – insbesondere beim Nachrüsten – achten, um sich auch sicher zu sein, dass sein Kunde nun über die versprochene Widerstandsklasse verfügt?
Johannsmeyer: Zuerst einmal ist mir wichtig, dass die Handwerker bei der Nachrüstung nicht von Widerstandsklassen sprechen. Weil bei der Nachrüstung die vorgefundene Konstruktion nicht vollständig bekannt ist, können wir eine Nachrüstung nicht so durchführen, als sei es ein neues Produkt mit einer bekannten Konstruktion, bei dem alle Komponenten exakt auf einander abgestimmt wurden.
Daher lassen sich Nachrüstungen nicht direkt in Widerstandsklassen einteilen. Es gelten auch andere Normen. Wichtig bei der Nachrüstung ist es, sich an die Systemvorgaben des Beschlagherstellers bzw. des Herstellers für Nachrüstprodukte zu halten. Dies gilt sowohl für aufschraubbare Nachrüstprodukte nach DIN 18104 Teil 1 als auch für Beschläge, die nach DIN 18104 Teil 2 im Falz nachgerüstet werden.
Nicht nur die Anzahl der Schließstellen ist hier entscheidend, sondern auch deren Befestigung. Sie muss so ausgeführt werden, dass die hohen Kräfte, die bei einem Einbruch auf die Bauteile wirken, problemlos in die Rahmen eingeleitet werden können, ohne dass die Bauteile einfach abreißen.
Auch bei der Nachrüstung von Fenstern ist die Befestigung der Blendrahmen zum Mauerwerk zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern – ein Nachrüstprodukt kann nur einwandfrei funktionieren, wenn die Kräfte vom Einbruchswerkzeug bis in das Mauerwerk, in Form der beschriebenen Kette, sicher abgeleitet werden können.
Gibt es da große Unterschiede, ob es sich um eine Haustür oder ein Fenster handelt?
Johannsmeyer: Große Unterschiede hinsichtlich der prinzipiellen Vorgehensweise zur Nachrüstung bei Fenster und Türen gibt es nicht, jedoch sind die einzelnen Nachrüstprodukte für Fenster und Türen sehr unterschiedlich. Die Industrie stellt für die unterschiedlichsten Anforderungen passende Systembauteile zur Verfügung.
Die Kosten für die Nachrüstung an Fenstern und Türen gestalten sich daher jedoch sehr unterschiedlich. Die Kosten für die Nachrüstung einer Tür sind im Regelfall deutlich höher, als die von Fenstern. Dieses wird vom Kunden auch so eingeschätzt und bewertet.
Woran hapert es Ihrer Erfahrung nach am häufigsten, wenn ein RC-Fenster seinen Vorgaben im Objekt nicht gerecht wird?
Johannsmeyer: Häufig werden die richtigen Bauteile in Art und Anzahl verwendet. Es scheitert meistens nicht an der Anzahl der Pilzzapfen und deren Schließteile, sondern an deren passgenauer Montage.
Häufig riegeln Pilzzapfen nicht weit genug in die dafür vorgesehenen Schließteile ein. Auch fehlt es häufig nicht an der beim Einbau verwendeten einbruchhemmenden Verglasung, sondern an deren Anbindung an den Flügel.
Diese ist im Prüfzeugnis beschrieben und wird in vielen Fällen durch Verkleben der Glasscheibe an den Flügel realisiert. Häufig fehlt diese Verklebung oder ist fehlerhaft ausgeführt. Sehr oft werden einbruchhemmende Fenster nicht so montiert, wie es die Montageanleitungen der Hersteller vorsehen.
Dabei sind sich die Montierenden nicht darüber im Klaren, dass nicht ein einbruchhemmendes Fenster als einzelnes Bauteil, sondern ein Gesamtpaket aus Fenster und Montage mit einbruchhemmenden Eigenschaften verkauft wurde. Hier fehlt es häufig an einer Schulung der Montagebetriebe.
Zudem darf auch nicht verkannt werden, dass sich durch hohe energetische Anforderungen die Wandbaustoffe und die Einbaulage der Fenster geändert haben. Das stellt die Montagebetriebe vor immer neue und zum Teil sehr schwierig zu lösende Aufgaben.
Und bei Türen?
Johannsmeyer: Bei Haustüren stellt sich die Situation nicht derart dramatisch dar. Es ist festzustellen, dass die Positionierung der Schlösser und deren Schließteile sowie der Bänder und Bandseitensicherungen zum großen Teil exakter ausgeführt wurden, als die Positionierung der Beschläge an Fenstern. Auch die Befestigung von Haustüren wird häufig gewissenhafter durchgeführt, als die der danebenliegenden Fenster.
Dieses Interview mit Dipl.-Ing. (FH) Jörg Johannsmeyer erschien zuerst in der Ausgabe 10/2017 von Glaswelt. Jörg Johannsmeyer arbeitet am ift Rosenheim als QM- und Produktauditor. Als Tischler, Holztechniker und leitender technischer Angestellter in einem großen fensterbauenden Betrieb war er fast 20 Jahre in der Fensterbranche tätig. Seit 2008 arbeitet er als selbstständiger ö.b.u.v. Sachverständiger für Fenster und Türen aus Holz, Holz-Aluminium, Kunststoff und Aluminium und stellt auch dem ift seit 2010 seine Erfahrung als Auditor zur Verfügung.