Was können Fensterbauer gegen Materialknappheit und hohe Preise tun?
Fenster & Baustoff Preisentwicklung
Alle Materialien verzeichnen deutlich höhere Preise, ein besonders eklatantes Beispiel ist Konstruktionsvollholz: Hier sind die Preise von Januar 2021 bis Juni 2021 um ca. 275 Prozent gestiegen. Waldschäden und Handelshemmnisse sind ein Grund dafür. Der Bundesverband ProHolzfenster (BPH) beschäftigte sich mit der Materialknappheit im Juli im Rahmen einer Online-Veranstaltung mit Dr. Burkhard Siebert, Rechtsanwalt und Hauptgeschäftsführer beim Bauindustrieverband Hessen-Thüringen e.V.
Aber die Lieferengpasse und Stoffpreisänderungen stehen auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, wie Siebert erläutert. "Die Wirtschaft ist trotz Pandemie schneller wieder angelaufen als erwartet. Andererseits gibt es pandemiebedingte Reduzierungen in der Produktion und Störungen in der Lieferkette. Das führt zu einer angespannten Situation, wie wir sie in der Nachkriegszeit noch nie hatten."
Eine unvorhersehbare Situation für Auftragnehmer, die den Tatbestand der höheren Gewalt erfüllt und auf die die Bundesregierung mit den sogenannten "Corona-Erlassen" schon ab März 2020 reagierte. Sie regeln unter anderem Folgendes:
- den Anspruch auf Bauzeitverlängerung
- Vertragsstrafen nur in Ausnahmefällen
- Stoffpreisgleitung kann vereinbart werden
- die Übernahme der Mehrkosten für Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen trägt bei Bundesbauvorhaben der Bund (zahlreiche Landesregierungen haben sich angeschlossen).
Bestehende Verträge den Konsequenzen der Preisentwicklung anpassen
Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für die Vertragsgestaltung? Bei bestehenden Verträgen kann eine Anpassung vereinbart werden. „Die Vertragsanpassung muss aber vom Auftragnehmer eingefordert werden“, sagt Burkhard Siebert. Bei Materialknappheit kann er wegen höherer Gewalt eine Bauzeitverlängerung verlangen.
Der Anpassungsanspruch aufgrund von Preissteigerungen gestaltet sich schwieriger. Laut § 313 BGB sind Verträge einzuhalten. Als extreme Ausnahme sieht der Paragraf eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Hätten die Parteien den Vertrag nicht so geschlossen, wenn sie die veränderten Umstände vorhergesehen hätten? Ist das Festhalten am Vertrag für eine der Parteien unzumutbar? Wer sich darauf beruft, trägt die Beweislast.
"Außergewöhnliche Ereignisse außerhalb des typischen Vertragsrisikos, erhebliche Preissteigerungen in kurzer Zeit sowie Umstände, die außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners liegen – das könnte durchaus als Störung der Geschäftsgrundlage gewertet werden", so Burkhard Siebert. Entsprechende Urteile dazu gibt es aber noch nicht.
Vor allem Auftraggeber der öffentlichen Hand seien hier wenig kompromissbereit, teilte ein Teilnehmer seine Erfahrungen mit. Nur ausnahmsweise kommt eine Auflösung des Vertrags infrage, wenn die Fortsetzung unzumutbar ist.
Achtung bei Neuverträgen
Bei Neuverträgen aber sollten Sicherungen eingebaut werden – zum Beispiel die Vereinbarung einer Grenze, bis zu der die Preissteigerungen zulasten des Auftragnehmers gehen. Oder der Bauherr bestellt das Material auf eigene Rechnung. Alternativ können sich die Vertragspartner auf eine Stoffpreisgleitklausel einigen, die neben Chancen jedoch auch Risiken birgt: Bei günstigeren Einkaufspreisen muss gegebenenfalls Geld zurückgezahlt werden.
In der Teilnehmerrunde wurde auch die Frage diskutiert, ob die gestiegenen Einkaufspreise so ohne Weiteres an die Kunden weitergegeben werden können. Die Verkaufspreise seien immer "ein haariges Thema", wie BPH-Vorsitzender Eduard Appelhans meinte. Was bei privaten Kunden im Moment noch durchsetzbar sei, sei bei Architekten und Auftraggebern der öffentlichen Hand schon schwieriger. Dennoch ist Eduard Appelhans zuversichtlich: "Was uns hilft, ist die durchweg gute Auftragslage."