Bauartgenehmigung: Hemmnis oder Hilfsmittel beim Brandschutz?
Grundsätzlich muss in dieser Diskussion in Deutschland zwischen Bauprodukten und Bauarten unterschieden werden. Unter Bauprodukten sind gem. § 2 Abs. 10 Nr. 1 Musterbauordnung[1] (MBO) „Produkte, Baustoffe, Bauteile und Anlagen […], die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden“ zu verstehen. Es handelt sich also klassisch um die einzelnen, kleinstmöglichen Bestandteile eines Bauwerks bzw. der darin enthaltenen Anlagen.
Eine „Bauart ist das Zusammenfügen von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen.“ (§ 2 Abs. 11 MBO). Also das Werk, was im Rahmen der Baumaßnahme hergestellt wird. Im Unterschied zum Bauprodukt, wie z.B. einer Brandschutzmanschette, weist die Bauart Rohrabschottung mittels Brandschutzmanschette einen Feuerwiderstand auf.
Das Ziel, warum das Bauprodukt eingebaut wird, nämlich die Erreichung der brandschutzbezogenen Schutzziele (§ 14 MBO) sicherzustellen, wird nur dann erreicht, wenn die Bauart korrekt ausgeführt wird. Nur so wird der Feuerwiderstand hergestellt, der die Brandausbreitung sicher verhindert.
Bauprodukte und Bauarten
An dieser Stelle gibt es eine begriffliche Unterscheidung: Bauprodukte werden verwendet und Bauarten werden angewendet. Dies führt dazu, dass es in Deutschland derzeit Verwendbarkeitsnachweise für nicht geregelte Bauprodukte, wie z.B. Abschottungsprodukte und Anwendbarkeitsnachweise für die daraus erstellten Bauarten gibt.
Der Hersteller bzw. Inverkehrbringer von solchen Bauprodukten, die nicht auf einer harmonisierten Europäischen Norm basieren, muss daher über einen Verwendbarkeitsnachweis für sein Produkt verfügen und diesen einhalten. Dies sind zumeist allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen (abZ) bzw. europäische technische Bewertungen (ETA). Weniger häufig kommen auch hier allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP) vor.
Diese bauproduktbezogenen Dokumente sind allerdings für den Planer oder Ausführenden nicht von Interesse, da diese Parteien nur die Anwendung der konkreten Bauarten interessiert. Sie benötigen für ihre Arbeit daher ein Dokument, das die Anwendbarkeit der aus dem Bauprodukt erstellten Bauart beschreibt und erlaubt. Dies sind auf der einen Seite die allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) und auf der anderen Seite das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis. Vorhabenbezogene Bauartgenehmigungen, die früheren Zustimmungen im Einzelfall der obersten Bauaufsichten spielen zumindest im Bereich der Leitungsabschottungen praktisch keine Rolle.
In der aBG bzw. dem abP bestätigen die ausstellenden Stellen, also entweder das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) oder die jeweilige akkreditierte Materialprüfanstalt (MPA), dass das Produkt im Sinne der Landesbauordnungen anwendbar ist.
Hiermit wird gleichzeitig durch die aBG bzw. abP behördlich erklärt, dass die Bauarten den nationalen Bauwerksanforderungen genügt. Infolgedessen ist ein diesbezüglicher Abgleich zwischen den Leistungen des Bauproduktes und den bauordnungsrechtlichen Anforderungen durch Planer und Verwender nicht mehr notwendig.
Für den Fall, dass sich die Vorschriften des Bauordnungsrechts drastisch ändern oder es vollständig neue Erkenntnisse zur Funktionssicherheit einer Bauart gibt, können die ausstellenden Stellen die erteilte Anwendbarkeitsnachweise (aBG, abP) zurückziehen. Dies stellt allerdings einen nicht praxisrelevanten Extremfall dar.
Problemstellungen bei Bauprodukten
Anders ist es bei Bauprodukten, die nach einer harmonisierten Norm (hEN) hergestellt und CE gekennzeichnet werden. Bei diesen ist der Abgleich zwischen Bauwerksanforderung, Bauprodukt, Leistungserklärung des Herstellers (declaration of performance, dop) und den damit erstellten Bauarten Aufgabe der Planer und Verarbeiter. Gerade bei lückenhaften harmonisierten Normen stellt dies ggf. einen nicht unerheblichen Aufwand dar.
Zwar mag man über die Bearbeitungsgeschwindigkeit des DIBt streiten, aber im Endeffekt steht derzeit kein anderer Weg offen, zuverlässig das Schutzniveau aufrecht zu erhalten und dies bei größter Rechtssicherheit und geringstem Aufwand für die Baubeteiligten. Also würde durch eine europäische Vereinheitlichung nicht automatisch ein Vorteil erzeugt.
Außerdem müsste dazu eine hEN erarbeitet werden, was viele Jahre dauern würde. Es auch bleibt abzuwarten, in welche Richtung die derzeitige Novellierung der Europäischen Bauproduktenverordnung geht. Aktuell gibt es Tendenzen, dass eine weitere europäische Zentralisierung nicht mehr angestrebt, sondern die nationalstaatliche Zuständigkeit wieder gestärkt wird.
Für nicht geregelte Bauprodukte, wie z.B. Abschottungssystemen für Rohre und Kabel und die aus ihnen erstellten Bauarten bietet der Weg über die nationalen Anwendbarkeitsnachweise die größtmögliche Rechtssicherheit bei geringstem Aufwand für Planer und Ausführende.
Der Autor dieses Beitrags, Carsten Janiec, ist Leiter des Vertriebsmanagement Brandschutzsysteme bei Doyma.
Quellen
[1] Für den konkreten Fall ist immer die bauörtlich geltenden Landesbauordnung heranzuziehen. Bezüglich des Bauproduktenrechts unterscheiden sich die Vorschriften aber nicht in wesentlichen Punkten.