Neues DGNB-Zertifikat fördert Ressourcenschutz beim Gebäuderückbau
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat ein neues Zertifizierungssystem entwickelt, das sich gezielt dem Rückbau von Gebäuden widmet. Als Qualitätssicherungsinstrument setzt es Anreize, die Nachhaltigkeit von Rückbauprozessen, die vor einer Neubau- oder Sanierungsmaßnahme stattfinden, auf ganzheitliche Weise zu erhöhen.
Dabei geht es um mehr als eine sortenreine Trennung von Abfällen oder die Wiederverwendung von Materialien. Auch Themen wie Gefahrstoffsanierung, Risikobewertung und Kostensicherheit stehen im Fokus. Das neuartige System richtet sich an Kommunen, Bauherren, Planer sowie Rückbau- und Recyclingunternehmen gleichermaßen.
„Mit dem neuen Rückbauzertifikat leistet die DGNB echte Pionierarbeit und setzt wichtige Impulse für einen verantwortungsvolleren Umgangen mit Ressourcen in der Bau- und Immobilienwirtschaft", sagt Dr. Christine Lemaitre, geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Hier gibt es aktuell noch große Wissenslücken an den Schnittstellen zwischen den beteiligten Akteursgruppen und Defizite in der Praxis. Es geht uns darum, Stoffströme konsequent zu schließen, eine höhere Wertigkeit der Bausubstanz zu fördern und Lösungen im Sinne einer Circular Economy auf allen beteiligten Ebenen zu etablieren."
Zwölf Kriterien für mehr Nachhaltigkeit beim Rückbau
Inhaltlich zielt das DGNB-Rückbauzertifikat darauf ab, Rohstoffe im Kreislauf zu führen, Recycling zu unterstützen und die zu entsorgenden Massen zu reduzieren. Es ist schlank gehalten und umfasst insgesamt zwölf Kriterien. Diesen liegt, wie bei den übrigen DGNB-Zertifizierungen auch, ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz zugrunde, der Umwelt, Mensch und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen einbezieht.
Konkret geht es aus ökologischer Sicht um die „Materialstrombilanz" und die „Gefahrstoffsanierung". „Risikobewertung und Kostensicherheit" sowie „Werte ausbaufähiger Ressourcen" sind die zwei ökonomischen Kriterien im Rahmen der Zertifizierung. „Projektkommunikation" und „Sicherheit" sind die Kriterien, die der soziokulturellen und funktionalen Qualität zugeordnet werden.
Aus technischer Sicht geht es um „Verwertung und Entsorgung" sowie um eine „sortenreine Trennung und Kreislaufführung". Ein besonderer Fokus des Zertifizierungssystems liegt auf der Prozessqualität. Bewertet werden hier gleich vier Kriterien: „Rückbauplanung", „Ausschreibung", „Qualitätssicherung und Dokumentation" sowie „Baustelle und Rückbauprozess".
Zertifizierung mit Vorteilen für alle beteiligten Akteursgruppen
Von besonderer Relevanz bei der Anwendung des Systems ist das Zusammenspiel verschiedener Akteursgruppen, für die sich unterschiedliche Vorteile ergeben. Eine dieser beteiligten Parteien sind Kommunen. Das DGNB-Rückbauzertifikat dient diesen in Form einer umfassenden Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle. Dabei kann es etwa als Voraussetzung zur Vergabe von Abbruchgenehmigungen eingesetzt werden.
Für Kommunen ist das Thema von besonderem Interesse, um die Auswirkungen der Rückbaumaßnahmen auf die direkte Umgebung möglichst gering zu halten. Hier geht es zum Beispiel um eine möglichst geringe Belastung der Anwohner durch Lärm, Staub, Schadstoffe oder Baustellenverkehr.
Auch für Eigentümer und Bauherren von Gebäuden, die rückgebaut werden sollen, bringt die Anwendung des neuen Zertifikats Vorteile. So trägt es zur Kostensicherheit und Risikominimierung bei – ein wichtiger Punkt, liegt doch die Verantwortung für die Bauüberwachung und -koordination sowie die dazugehörige Haftung beim Bauherrn. Dabei geht es um Themen wie Abfall, Sorgfaltspflicht beim Arbeitsschutz oder Bausubstanzrisiken. Die Bauherren erhalten eine umfassende Dokumentation des Rückbaus und profitieren von einer erhöhten Prozesssicherheit, etwa über die Vermeidung von Anwohnerbeschwerden oder möglichen Baustopps.
Grenzen müssen aufgelöst werden
Rückbauplanern, die im Sinne einer Circular Economy eine Kreislaufführung der Roh- und Baustoffe aktiv vorantreiben wollen, wird über die DGNB-Zertifizierung ein konkreter, bewertbarer Handlungsspielraum aufgezeigt. Gleichzeitig dienen die in den Kriterien definierten Anforderungen als Argumentationshilfe für Planungsentscheidungen. Letztlich spricht das neue DGNB-Zertifikat auch Rückbau- und Recyclingunternehmen an. Wer sich hier im Sinne einer Circular Economy positiv vom Wettbewerb abhebt, wird bei Vergabeentscheidungen Vorteile haben.
„Eine wirkliche Circular Economy kann nur entstehen, wenn wir Transparenz schaffen und den Kreis der Wissensträger schließen", so Lemaitre. „Wir müssen die bisherigen Grenzen, die aus zeitlichen oder interessenbedingten Differenzen resultieren, auflösen und das relevante Wissen allen Beteiligten zur Verfügung stellen. Das kann funktionieren, wenn alle Beteiligten offen dafür sind, den Austausch anzunehmen und gegenseitig voneinander zu lernen."
Erprobung an ersten Projekten in den kommenden Monaten
In den kommenden Monaten wird das neue Zertifizierungssystem bei ersten Projekten angewandt und final erprobt. Interessierte Projekte haben die Gelegenheit hier aktiv mitzuwirken. Nach Ablauf der Testphase soll es bei einer erfolgreich abgeschlossenen Rückbauzertifizierung eine positive Berücksichtigung geben, wenn die entsprechenden Folgeprojekte eine DGNB-Zertifizierung für Neubauten oder Sanierungen anstreben.
Mehr Informationen gibt es unter www.dgnb-system.de/rueckbau. Zum Thema bietet die DGNB zudem online eine kostenlose Informationsveranstaltung am 12. August um 10 Uhr an. Eine Anmeldung ist möglich unter www.dgnb.de/de/veranstaltungen/digital.