Starkregen, Sturm & Co: Wie können sich Handwerksbetriebe versichern?
Handwerksbetriebe schließen so gut wie immer eine Inventarschadenversicherung (vergleichbar mit der Hausratversicherung von Privatleuten) und beim Besitz eines Gebäudes auch eine Gebäudeversicherung ab. Gegen Schäden durch Hochwasser schützen beide Versicherungen nicht oder nur begrenzt. Wichtig ist der Abschluss einer Elementarschadenversicherung. Schauen wir uns die Policen im Detail an.
Voraussetzung für den Versicherungsfall: Unwetterwarnung
Der DWD (Deutscher Wetterdienst) spricht Unwetterwarnungen für Starkregen und Sturm aus. Starkregen definiert er durch das Überschreiten bestimmter Schwellenwerte:
- 15 – 25 l/m²*h
- 20 – 35 l/m²*6 h
Beim Überschreiten der genannten Höchstwerte folgt die Unwetterwarnung des DWD. Sturmwarnungen werden wie folgt ausgesprochen:
- Starkwindwarnung ab Windstärke 6 (ab 39 km/h)
- Sturmwarnung ab Windstärke 8 (ab 62 km/h)
Exakte Hagelwarnungen sind nach dem derzeitigen Stand der Wetterprognosen (Stand: Juli 2021) noch nicht möglich. Hagelkörner verursachen ab 2,5 cm Durchmesser Schäden an Autos, Dachziegeln und Fassaden. Es gilt grundsätzlich: Bei Schäden nach entsprechenden Unwetterwarnungen des DWD, generell bei Hagelschäden und bei entsprechender Vorsorge des Versicherungsnehmers greift der Versicherungsschutz.
Die Vorsorge bedeutet, das Eigentum im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten zu schützen. Ein häufig zitiertes Beispiel ist das Abstellen des Autos an einem vergleichsweise sicheren Ort, also beispielsweise nicht in einer Tiefgarage nach einer Starkregenwarnung des DWD. Gebäude und das Inventar sind bei wirklichen Naturkatastrophen schlechter zu schützen. Wenn aber der Versicherungsnehmer nachweist, dass er in Anbetracht der Umstände alles in seinen Kräften stehende für den Schutz seines Eigentums getan hat, zahlt die Versicherung.
Was zahlt die Inventarschadenversicherung?
Die Inventarschadenversicherung eines Betriebes schützt dessen Maschinen, Waren, Rohstoffe, die Büroeinrichtung und die Infrastruktur (Stromleitungen und -generatoren, Telekommunikationsanlagen etc.) vor definierten Schäden. Zunächst einmal sind es dieselben, vor denen auch eine Hausratversicherung das private Eigentum einer Wohnung oder einem Haus schützt:
- Sturm
- Hagel
- Blitzschlag
- Leitungswasser
- Einbruchdiebstahl
- Feuer, Explosion und Implosion
Schutz durch die Gebäudeversicherung
Die Gebäudeversicherung schützt vom Grundsatz her Wohngebäude. Wenn ein Gebäude gewerblich genutzt wird, muss dies in der Police ausdrücklich vermerkt werden. Damit steigen ihre Kosten. Der Grundschutz der Gebäudeversicherung bezieht sich auf ähnliche Schäden wie bei der Inventarversicherung:
- Sturm
- Hagel
- Blitzschlag
- Leitungswasser
- Feuer, Explosion und Implosion
Zusatzbausteine für beide Versicherungen
In beide Versicherungen lassen sich Zusatzbausteine einfügen. Ein häufig vergessener, für Unwetterkatastrophen auch nicht sehr wichtiger Baustein ist der vor Über- und auch Unterspannungsschäden, welche die Elektronik beschädigen können. Doch schauen wir uns den Schutz vor Elementarschäden an. Es ist möglich, in eine Inventar- und in eine Gebäudeversicherung den Schutz vor diesen Elementarschäden zu inkludieren:
- Erdbeben
- Erdrutsch
- Hochwasser
- Überschwemmung
- Rückstau
- Schneedruck
- Lawinen
Was bringt die gesonderte Elementarschadenversicherung?
Eine Elementarschadenversicherung lässt sich auch gesondert abschließen. Es steht Handwerksbetrieben frei, den Elementarschutz gleich in ihre Inventarschaden- und Gebäudeversicherung zu inkludieren oder ihn gesondert abzuschließen. Die Preisunterschiede sehen bei der Gebäudeversicherung beispielhaft und für den von einem großen Vergleichsportal angegebenen günstigsten Fall (kleines, vergleichsweise sicheres Gebäude, nicht im Hochwassergebiet) so aus:
- reine Elementarschadenversicherung: ab 5,40 €/Monat
- Gebäudeversicherung mit inkludierter Elementarschadenversicherung: ab 9,54 €/Monat
Bei Betrieben werden praktisch immer individuelle Vereinbarungen getroffen. Ein Vertreter der Versicherungsgesellschaft schaut sich den Betrieb vor Ort an und ermittelt die vorhandenen Werte und die Gefahren am Ort. Die Gefahrenlage wird dabei immer wieder neu bewertet. Das geschah bislang nach jeder Hochwasserkatastrophe der letzten Jahrzehnte. Die Policenkosten stiegen danach in den Hochwassergebieten. Auch ist es möglich, dass manche Versicherer bestimmte Gebäude und ihr Inventar in einer Risikozone nicht mehr versichern. Wer aber über eine Elementarschadenversicherung verfügt, kann sich auf die Schadensregulierung nach der Katastrophe verlassen.
Betriebsunterbrechungsversicherung als weiterer Baustein
Handwerksbetriebe benötigen zusätzlich eine Betriebsunterbrechungsversicherung, denn ihre Produktion wird nach dem Schadensereignis mehr oder weniger lange ruhen. Diese Police ersetzt den entgangenen Gewinn. Die Berechnungsgrundlagen können komplex sein. Wenn sie sich beispielsweise auf den Umsatz beziehen sollten, müssten die nicht entstandenen Kosten abgezogen werden. Als reine Pauschalbetrachtung bietet sich an, auf den Ersatz des Gewinnausfalls zu hoffen.
Risikozonen für die Elementarversicherung
Die Versicherungsprämien werden den Risiko- bzw. Schadenszonen angepasst. Das hat die Konsequenz, dass bestimmte Schäden möglicherweise nur teilweise versichert werden (bei hoher Selbstbeteiligung), dass die Prämien in Hochrisikogebieten steigen und dass manche Betriebe keine Elementarschadenversicherung abschließen können, weil sie in einer Hochrisikozone ansässig sind. Die Begrenzung des Schadensumme kann sich in einem Hochrisikogebiet beispielsweise auf 20.000 € belaufen. Auch ist die Relation zwischen versicherten Werten, der Prämie und der Selbstbeteiligung zu beachten. So ist es möglich, dass ein Handwerksbetrieb ein Inventar von 100.000 € Wert für 500 € jährlicher Prämie bei einer Selbstbeteiligung von 5.000 € versichern kann. Das ist sinnvoll.
Sollte der Wert des Inventars aber nur bei 25.000 € liegen, während die Konditionen (Prämienhöhe, Selbstbeteiligung) aufgrund des Standorts in einem Risikogebiet dieselben sind, lohnt sich die Versicherung für den Handwerker kaum. Die Risikogebiete ermitteln die Versicherer über ihr Informationssystem ZÜRS GEO, das seit 2001 existiert und inzwischen über 21 Millionen Adresskoordinaten, 200.000 km Fließgewässer und die Überschwemmungsdaten von 200 Wasserwirtschaftsämtern enthält. Das ZÜRS GEO bestimmt vier Zonen, welche die statistische Wahrscheinlichkeit einer Überschwemmung angeben:
- Gefährdungsklasse 1: Hochwasser seltener als einmal in 200 Jahren (88,6 % der deutschen Regionen)
- Gefährdungsklasse 2: Hochwasser einmal in 50 – 200 Jahren (8,9 % der deutschen Regionen)
- Gefährdungsklasse 3: Hochwasser einmal in 10 –50 Jahren (1,1 % der deutschen Regionen)
- Gefährdungsklasse 4: Hochwasser einmal in 0 –10 Jahren (1,4 % der deutschen Regionen)
Die Gefährdungsklassen werden mit neuen Katastrophen angepasst. Nach dem Hochwassersommer 2021 dürfte eine Neuberechnung erfolgen (Stand: Juli 2021).
Diskussion über gesetzliche Pflicht zur Elementarschadenversicherung
Schon früher wurde über eine Pflicht zur Elementarschadenversicherung zumindest für die Gefährdungsklassen 3 und 4 diskutiert. Im Sommer 2021 kam diese Diskussion nach der Hochwasserkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz erneut auf. Die Versicherungsbranche wehrt sich dagegen aus gutem Grund: Der pflichtgemäße Abschluss würde einen Kontraktionszwang wie bei der Autohaftpflichtversicherung nach sich ziehen. Das bedeutet: Die Versicherer müssten einem unbescholtenen Kunden (der keinen Betrug begangen und seine Beiträge immer pünktlich gezahlt hat), in jedem Fall diese Police anbieten.
Angesichts der zunehmenden Klimaereignisse erscheint das für die gewinnorientierte Versicherungsbranche wenig attraktiv. Besonders problematisch ist dabei aus Sicht der Versicherer, dass sich die Ereignisse durch den Klimawandel kaum noch prognostizieren lassen. Einen Starkregen wie im Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat es in Jahrhunderten nicht gegeben. Wenn sich solche Ereignisse häufen, müssen die Gefährdungsklassen sehr stark umgeschrieben werden.
Bislang erhalten nach Angaben des GDV (Gesamtverband der Versicherer) nur ~1 % aller deutschen Handwerksbetriebe auch auf Verlangen keine Elementarschadenversicherung. Das sind zwar bei mehr als einer Million Betrieben immer noch ~10.000, doch in Relation recht wenige. Ihr Anteil liegt leicht unter dem Flächenanteil der höchsten Gefährdungsklasse 4.
Sollten nun in Zukunft deutlich mehr Gebiete in höhere Gefährdungsklassen eingestuft und gleichzeitig eine gesetzliche Pflicht zur Elementarschadenversicherung verankert werden, wird es teuer: Die Gewinne der Versicherer dürften sinken, die Prämien für alle Versicherungsnehmer werden steigen. Andererseits ist die pflichtgemäße Elementarschadenversicherung möglicherweise alternativlos: Ansonsten müsste man das Bauen in gefährdeten Gebieten untersagen.