Bauministerkonferenz: Fünf Jahre lang keine Änderungen der Bauvorschriften
Die Bauministerkonferenz (BMK) hat auf ihrer 142. Sitzung in Baden-Baden am 23. und 24. November 2023 beschlossen, die Regeln in der Musterbauordnung für den Um- und Ausbau bestehender Gebäude zu lockern. Vom Bund wünscht sich die Bauministerkonferenz, dass er ebenfalls Erleichterungen für diesen Bereich auf den Weg bringt.
Gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Haushaltssituation des Bundes fordert die Bauministerkonferenz eine klare Priorisierung der sozialen Wohnraumförderung und der Städtebauförderung. Dadurch würden Bauinvestitionen direkt unterstützt und positive Signale für den gesamten Bausektor und den Wohnungsbau in Deutschland gesetzt. Nur so könne der Bau neuer Wohnungen in ausreichender Zahl sowie die Stabilisierung der Bauwirtschaft sichergestellt werden.
Belastungsstopp bei Bauvorschriften
Die Bauministerkonferenz hat sich darauf verständigt, einen Belastungsstopp bei Bauvorschriften einzuführen: „Die kommenden fünf Jahr soll es weder in der Musterbauordnung noch bei den technischen Bauvorschriften Veränderungen geben, die das Bauen unnötig verteuern und erschweren. Erleichterungen sind hingegen auch in diesem Zeitraum weiterhin möglich.“
Stabilisierung des Wohnungsbaus
Das 14-Punkte-Papier der Bundesregierung zum Wohnungsbau formuliert die erforderlichen Maßnahmen, die gemeinsam von Bund und Ländern umgesetzt werden müssen. Zur Erleichterung und Beschleunigung der Bauprozesse stellt die BMK überdies weitere Weichen zur Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie zur weiteren Unterstützung des Building Information Modeling (BIM). Für die energetische Transformation bittet die BMK den Bund die erforderlichen Quartierlösungen im Gebäudeenergiegesetz GEG umzusetzen und sich bei der EU-Gebäuderichtlinie für entsprechende Regelungen einzusetzen.
Nicole Razavi MdL, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen des Landes Baden-Württemberg und Vorsitzende der Bauministerkonferenz, mit Blick auf ein Strategiepapier der BMK zum Bestand: „Es kann nicht sein, dass das Schaffen von Wohnraum auf der grünen Wiese finanziell vorteilhafter ist als Um- und Ausbauten im Bestand. So geht uns immer mehr bereits vorhandener Wohnraum verloren. Wir wollen daher – auch aus ökologischen Gründen – das Schaffen und das Sichern von Wohnraum im Bestand erleichtern.“
Strategiepapier der BMK
In dem Strategiepapier haben die Bauministerinnen und Bauminister der Länder unter anderem folgende Punkte beschlossen:
Die Bauministerkonferenz bittet die Bundesregierung zu prüfen, wie der ökologische Bonus des Bestands auch wirtschaftlich wirksam werden kann. Es muss dabei um positive Anreize gehen für die Pflege, die Erhaltung und die Weiterentwicklung bereits bestehender Wohngebäude. Bislang wird in der Gebäudeenergiepolitik nicht genug getan, um die Kostenrisiken eines Sanierens, Ertüchtigens und Erweiterns im Bestand gegenüber dem Neubau hinreichend auszugleichen.
Die Bauministerkonferenz bittet die Bundesregierung, ein einfaches, anwenderfreundliches Werkzeug für Ökobilanzen für Gebäude zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen, das auch die im Bestand gebundene Graue Energie berücksichtigt. Mit einem solchen Werkzeug soll die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass die Erstellung von Ökobilanzen bei Baumaßnahmen zu Selbstverständlichkeit und zum zentralen Steuerungsinstrument für die Erfüllung der Klimaschutzziele wird.
Für die Sanierung des Gebäudebestands in den Städten bedarf es besonderer Strategien, die auf ganze Quartiere und nicht auf einzelne Gebäude zugeschnitten sind. Erforderlich ist dafür eine vollständige Bilanzierbarkeit der Maßnahmen in einem Quartier unter Einbeziehung der Erzeugung erneuerbarer Energien. Die Bauministerkonferenz bittet die Bundesregierung, diese Erkenntnisse bei der Setzung von Standards künftig zu berücksichtigen.
Um den Um- und Ausbau des Bestands zu erleichtern, sollen auch bauordnungsrechtliche Hemmnisse reduziert werden. Die Bauministerkonferenz hat hierfür auf ihrer Sitzung in Baden-Baden Paragraph 67 der Musterbauordnung entsprechend geändert: So sollen künftig etwa Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen auch dann zugelassen werden, wenn es sich um Vorhaben der Weiternutzung bestehender Gebäude handelt. Den zuständigen Baurechtsbehörden wird damit ein wirkungsvolles Instrument an die Hand gegeben, im Einzelfall Erleichterungen für Baumaßnahmen im Bestand zuzulassen und somit das Bauen im Bestand zu vereinfachen. Die Bundesregierung wird von der Bauministerkonferenz aufgefordert, für die von ihr zu verantwortenden fachrechtlichen Regelungsbereiche ebenfalls entsprechende Schritte zu prüfen.
Was mögliche Erleichterungen für den Um- und Ausbau des Bestands im Bauplanungsrecht angeht, erinnert die Bauministerkonferenz an von ihr bereits früher formulierte Forderungen an Anregungen. Dabei geht es zum einen darum, dass Gemeinden zugunsten des Schaffens von Wohnraum im Bestand leichter Abweichungen vom Bebauungsplan zulassen können. Zum anderen braucht es zumindest eine Experimentierklausel für die Vorgaben der TA Lärm, um insbesondere im Innenstadtbereich, aber auch in Gewerbegebieten mehr Wohnraum zuzulassen.
Die Bauministerkonferenz stellt fest, dass mit der Städtebauförderung von Bund und Ländern ein hochwirksames Instrument zur Verfügung steht, um die gebauten Gemeinden und Städte in Deutschland zukunftsgerecht fortzuentwickeln. Dafür braucht es einen langen Atem. Daher fordert die Bauministerkonferenz den Bund auf, die Mittel auf hohem Niveau zu verstetigen und jegliche Zweifel an einer dauerhaft verlässlichen Mittelausstattung zu beseitigen.
Die Bauministerkonferenz bittet die Bundesregierung, weitergehende steuerliche Anreize insbesondere auch für Bestandsmaßnahmen zu entwickeln. Dabei sollten alle Arten von Wohnungseigentümern, auch selbstnutzende Haushalte, einbezogen werden.
Neuer DIN-Vertrag ab 1. Januar 2024
Die BMK hat zudem einen neuen Vertrag mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN) geschlossen, der zum 1. Januar 2024 in Kraft treten soll. Darin werden die Leitlinien für die künftige Erarbeitung von bauaufsichtlichen Normen durch das DIN konkretisiert. Das geschieht insbesondere durch eine Trennung bauaufsichtlicher Mindestanforderungen von weitergehenden Anforderungen in den Normen. Ein Online-Portal wird der Öffentlichkeit den Zugang zu den Normen ermöglicht, die in der Bauleitplanung sowie in der Bauaufsicht zur Anwendung kommen.
Kritik von der DUH
Die Deutsche Umwelthilfe sieht im Vorschriftenstopp eine Blockade von notwendigen Vorgaben für eine ökologische Bauwende. Dazu sagt die DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz:
„Das Ergebnis der diesjährigen Bauministerkonferenz bremst die ökologische Bauwende aus und erweist dem Klima- und Ressourcenschutz einen Bärendienst. Zwar ist es grundsätzlich richtig, im Baubereich unnötige Bürokratie abzubauen, jedoch nicht zu Lasten des Umweltschutzes. Der beschlossene fünfjährige Vorschriftenstopp in der Musterbauordnung tut jedoch genau dies und ist ein Freifahrtschein für die Bau- und Immobilienbranche, mit unökologischen Baupraktiken fortzufahren, ohne Einschränkungen befürchten zu müssen. Dabei gehört die Baubranche zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftsbereichen und ist für rund 40 Prozent des gesamten Rohstoffverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Allein die Herstellung, Errichtung und Entsorgung von Gebäuden und Bauprodukten verursachen jährlich 88 Millionen Tonnen CO2. Anstatt Arm in Arm mit der Bauindustrie zu gehen, sollten die Bauminister und Bauministerinnen der Länder einheitliche Bedingungen für eine klimazielkonforme, ressourcenschonende und kreislaufgerechte Bauwende schaffen. Die von den Ländern beschlossene Beschränkung auf rein finanzielle Aspekte des Bauens lässt jedoch die Ökologie außer Acht, denn Umweltfolgekosten werden nicht eingepreist. Eine Lebenszyklusbetrachtung, ambitionierte Energieeffizienzstandards, ein klarer Vorrang der Bestandssanierung vor Neubau sowie möglichst viel Recycling und Wiederverwendung müssen durch ökologische Anforderungen im Baurecht verbindlich festgelegt werden. Nur so kann dem Klimawandel und der Naturraumzerstörung entgegengewirkt werden.“