Aus- und Einbaukosten bei mangelhaftem Material muss der Lieferant tragen
Es steht in der Information des Magazins: „Mit einem Text, den Handwerksunternehmer in ihre AGB sowie in ihre Händlerbestellungen integrieren, können sie durchsetzen, dass sich Lieferanten, Händler und Hersteller an die gesetzlichen Vorgaben halten ...“ Wenn es so einfach wäre, wie es dort formuliert ist, gäbe es kein Problem. Das sieht in der Praxis allerdings ganz anders aus.
Wer ist der Stärkere?
Ein Versprechen, dass bei Verwendung einer Formulierung bei Bestellungen bzw. der Einbeziehung eigener AGB angeblich die Lieferanten zu rechtskonformem Verhalten im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Aus- und Einbaukosten bei mangelhaften Materialien gezwungen werden könnten, ist eher wirklichkeitsfremd.
Es dürfte bekannt sein, dass es im Vertragsrecht häufig einen stärkeren und einen schwächeren Partner gibt. Die „Musik“ wird in der Regel vom Stärkeren bestimmt. Schon von daher sind die Einflussmöglichkeiten auf die Durchsetzung von Vertragsformulierungen des Schwächeren begrenzt.
Im günstigsten Fall könnte bei der jeweiligen Inbezugnahme auf widerstreitende AGB eine Kollisionslage entstehen, deren Auflösung dann wiederum auf gesetzlicher Grundlage und eben nicht auf der Basis von AGB erfolgen würde. Das wäre insofern ein Vorteil für den Schwächeren, weil dann eben nicht die nachteiligen Regelungen des Stärkeren, sondern die Gesetzeslage gelten würde.
Im BGB findet sich eine klare Ansage
Wer den Bogen der gesetzlichen Möglichkeiten mittels AGB überspannen will, hat das in der Vergangenheit praktiziert und wird es wohl auch in Zukunft tun. Aber wie es in der Vergangenheit schon war und in Zukunft auch bleiben wird: Der Rahmen für die Verwendbarkeit von AGB-Klauseln und das Prüfgerüst für eine etwaige Unwirksamkeit ist im BGB abgesteckt.
Und ganz konkret gibt es im BGB in der seit 1. Januar 2018 geltenden Regelung zu § 309 BGB in Verbindung zu § 439 BGB eine klare Ansage. Der Ursprung des Problems, dass Lieferanten über AGB Nachteile für sie verhindern wollen, steckt ja in der Tatsache, dass Nachteile durch die Novellierung des BGB seit Anfang dieses Jahres für Lieferanten real entstanden sind.
Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass das Problem der Aus- und Wiedereinbaukosten mit der Gesetzesnovelle völlig neu geregelt wurde.
Der § 439 Abs. 3 BGB legt fest, dass der Verkäufer von Baumaterialien im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet ist, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.
Aufwendungen müssen ersetzt werden
Mit dieser Regelung hat sich der Gesetzgeber von der alten Konstellation verabschiedet, dass ein Verschulden des Lieferanten nachgewiesen werden müsse, um Schadenersatzforderungen durchzusetzen. Nunmehr haftet der Lieferant verschuldensunabhängig für etwaige Aus- und Wiedereinbaukosten im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs gegenüber dem Handwerker als gewerblichem Käufer.
Diesen Nachteil für Lieferanten hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen und in der Gesetzesbegründung prognostiziert, dass sich Verkäufer von Baumaterialien nun weitaus häufiger als bislang Ansprüchen auf Ersatz von Aus- und Wiedereinbaukosten ausgesetzt sehen werden.
Liegen tatsächliche Gewährleistungsansprüche hinsichtlich verbauten Materials vor, hat der Verkäufer zukünftig dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.
Ursprünglich wurde in der Diskussion zu den Neuregelungen die Auffassung vertreten, dass ein Lieferant im Falle von Materialmangeln auch die Arbeiten zum Aus- und Wiedereinbau selbst vornehmen soll. Das ist in der BGB-Novelle aber nun nicht als Anspruch des Lieferanten, sondern lediglich als eine Option des Käufers gefasst.
Diese Regelung ist begrüßenswert, weil dadurch ein Eingriff in bestehende Werkverträge durch Lieferanten verhindert wird. Das steht nicht nur im Interesse des Handwerks, sondern objektiv sogar auch im Interesse der Lieferanten. Die Entscheidung, ob ein Lieferant tätig werden soll oder die Aufwendungen zu zahlen hat, liegt beim Handwerker als Käufer.
Kein Freibrief für Lieferanten
Da die neue gesetzliche Situation einigen Lieferanten nicht gefallen wird, sind natürlich Versuche vorauszusehen, die, für sie ungünstige Situation über AGB „in den Griff“ zu bekommen.
Bereits im Vorfeld der Gesetzesnovelle wurde problematisiert, dass Lieferanten dazu angeregt seien könnten, sich im gewerblichen Verkehr durch die Einbeziehung ihrer AGB von der Verpflichtung zur Tragung der Aus- und Einbaukosten freizeichnen zu lassen.
In der Begründung des Gesetzgebers zur BGB-Novelle (S. 39) ist solchen Bestrebungen gleich eine Abfuhr erteilt worden:
„Ein formularmäßiger Ausschluss oder eine formularmäßige weitreichende Beschränkung der Verpflichtung des Verwenders, die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen, Ein- und Ausbauleistungen zu erbringen oder hierfür Aufwendungsersatz zu leisten, wird aufgrund der vorgeschlagenen Änderung grundsätzlich wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders der AGB unwirksam sein.“
In dem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber auch den § 309 BGB geändert hat. Danach sollen Klauseln unwirksam sein, die die Verpflichtung des Verwenders ausschließen oder beschränken, die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen nach § 439 Absatz 2 und 3 oder § 635 zu tragen oder zu ersetzen (§ 309 Nr. 8 b) bb) BGB).
Da allerdings der § 309 BGB im unternehmerischen Verkehr nicht unmittelbar, sondern allenfalls über § 307 BGB mittelbar gilt, bleibt hier ein Restrisiko für die Unternehmer. Dieses Restrisiko hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zur Neufassung des BGB folgendermaßen ausgedrückt:
„Fälle, in denen eine Klausel wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs oder mit Blick auf im Handelsverkehr geltende Gewohnheiten und Bräuche ausnahmsweise als angemessen angesehen werden können, werden durch die Rechtsprechung konkretisiert werden.“
Versuchen mit Widerspruch begegnen
Es kann davon ausgegangen werden, dass es für derartige Ausnahmen nur einen sehr engen Rechtsrahmen geben kann. Keinesfalls kann sich ein Lieferant einer wesentlichen Intention der BGB-Reform mit einem Federstrich in seinen AGB entziehen. Immerhin geht es um ein neues gesetzliches Leitbild.
Dieses wird auch Basis für die Entscheidungen der Gerichte zu etwaigen Streitigkeiten zu widersprechenden Klauseln werden. Der Rechtsprechung konnte der Gesetzgeber allerdings nicht vorgreifen und deshalb steht in der Gesetzesbegründung auch „... wird ... unwirksam sein ...“.
Handwerkern ist also zu raten, dass sie einem jeglichen Versuch des Lieferanten, den § 439 BGB auszuhebeln, unverzüglich mit einem einfachen Widerspruchsschreiben begegnen und anschließend ggf. die Entscheidung treffen, dagegen gerichtlich vorzugehen. Über den „Kopfstand“ der vorherigen Schaffung und Einbeziehung eigener AGB muss man das nicht tun.
Im Übrigen werden die SHK-Fachverbände ihren Mitgliedern in diesen Fällen Hilfe anbieten. Lieferanten, die unwirksame Klauseltexte verwenden, sehen sich auch den kostenträchtigen Risiken von Verbandsklagen oder individuellen Unterlassungsklagen ausgesetzt.
In jedem Fall sollte aber bei Verwendung problematischer AGB-Klauseln die Kommunikation mit dem Lieferanten am Anfang stehen. Vielen Lieferanten ist nämlich nicht klar, dass sie diesbezügliche Ansprüche in der Lieferkette auch auf neuer Grundlage weitergeben können. Dazu wurde der § 445a BGB geschaffen.
Zweifellos ist die Veränderung der Durchgriffsmöglichkeiten auf den Lieferanten bei Mangelbeseitigungsnebenkosten ein Vorteil für viele Handwerker.
Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass in der Regel nicht die Mangelbeseitigungsnebenkosten das kardinale Problem sind, sondern die Missverstandnisse zum Begriff „Mangelhaftung/Gewährleistung“, zum Inhalt der Anspruchsgrundlagen und die Beweislastverteilung.
Die Beweislast dafür, dass bei einem gekauften und im Rahmen eines Bauvertrages verbauten Material oder Teil ein Mangel zum Übergabezeitpunkt dieses Materials vorlag, liegt nämlich beim Käufer.
Dieser Artikel von Michael Dimanski ist zuerst erschienen in SBZ Ausgabe: 19-2018.