BIM-Monitor 2022: Ist Deutschland bereit für Digitalisierung im Bau?
Die Planungsmethode Building Information Modeling, kurz BIM, soll für maximale Transparenz und Planungssicherheit sorgen. Für öffentliche Infrastrukturprojekte ist BIM bereits seit zwei Jahren verbindlich, ab Ende des Jahres gilt die Vorschrift auch für Hochbauten des Bundes. Trotz dieser Vorgaben nutzt ein Großteil der Architektur- und Ingenieurbüros, Bauunternehmen und Installationsfirmen die digitale Planungsmethode noch nicht. Warum das so ist, das untersucht der BIM-Monitor 2022 des Düsseldorfer Marktdatenspezialisten BauInfoConsult. Darin wurden über 300 Firmen telefonisch zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen zum Thema BIM befragt. Der Monitor liefert valide Ergebnisse, die André Friedel, BIM-Experte des auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmens Drees & Sommer SE, mit den unternehmensweiten Erfahrungen aus über 400 BIM-Bauprojekten kommentiert.
„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass BIM einen guten Ruf in der Branche hat, aber oftmals noch nicht ausschöpfend angewendet wird“, fasst Alexander Faust, Marktanalyst bei BauInfoConsult die Daten der diesjährigen Erhebung zusammen. Erfahrungen mit BIM haben von 300 Befragten nur vier von fünf Nutzerinnen und Nutzern aus den Planungsunternehmen ab 5 und den Bau- und Handwerksfirmen ab 10 mitarbeitenden Personen vorzuweisen – also nur 20 Prozent arbeiten aktuell aktiv mit BIM.
„Dabei liegen die Vorteile klar auf der Hand. BIM bündelt als eine Methode der vernetzten Zusammenarbeit alle relevanten Daten in einem digitalen Modell, dem digitalen Zwilling des Bauwerks. Da alle wesentlichen Bauakteure in Modellen arbeiten, stehen die dort verarbeiteten Informationen wiederum allen zur Verfügung. Ändert ein Planer beispielsweise den Gebäudegrundriss ab, können die anderen Projektbeteiligten ihre Fachplanung unmittelbar darauf anpassen. Und passen die Entwürfe nicht mehr zusammen, werden diese Kollisionen nicht erst während des Bauprozesses bemerkt, wo sie zu teuren Zeitverzögerungen führen“, erklärt Faust.
Bislang ist BIM bei Infrastrukturprojekten des Bundes verpflichtend und soll ab Ende 2022 auch bei Hochbauten des Bundes bindend eingesetzt werden. Auch besteht in Deutschland seit dem 1. Januar 2021 eine BIM-Pflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. In den skandinavischen Ländern, in den USA, Kanada und auch in den Niederlanden oder Österreich ist das Bauen mit BIM viel weiter. Doch warum sind die Akteure auf dem deutschen Markt noch so zögerlich und was kann helfen, damit BIM noch mehr Fahrt aufnimmt? Die Zahlen des BIM-Monitors 2022 zeigen deutlich, dass die bisherigen BIM-Nutzerinnen BIM anwenden, weil es von den Kunden so gewünscht ist (36 Prozent), um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein (30 Prozent) oder auch, um interne Prozesse zu optimieren (30 Prozent).
André Friedel, BIM-Experte bei Drees & Sommer, sieht in den Ergebnissen ein klares Zusammenspiel von Push- und Pullfaktoren: „Die Markterfordernis und die Notwendigkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben, lösen den Change aus. Optimierung der internen Prozesse und der Bauabläufe sind dann die konsequente Folge und fast schon ein Mitnahmeeffekt.“
Kunden müssen BIM gezielt einfordern
„Aktuell scheint die Nachfrage- und Kapazitätskrise in der Bauwirtschaft die BIM-Verbreitung noch zu hemmen“, sagt auch Alexander Faust. Er geht davon aus, dass bei einer wieder erstarkten Marktnachfrage sich die Verbreitung von BIM in der Arbeitspraxis wieder verstärkt ausweiten wird. Das belegen auch die Zahlen:
Wenn BIM als Methode vom Auftraggeber gewünscht ist, sagen 32 Prozent der jetzigen BIM-Nicht-Nutzer, dass sie BIM einführen würden – auch um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein (20 Prozent) oder auch generell auf Druck des Marktes (20 Prozent). Immerhin 21 Prozent erkennen an, dass BIM zu einer Optimierung der Bauabläufe führt.
Als Vorteile von BIM gelten also insbesondere die verbesserte Qualität, Effizienz und Kooperation in Projekten. Als Hemmnisse sehen die Befragten neben dem Investitionsaufwand die Komplexität des Themas, die für erhöhten Schulungsaufwand sorgt. Denn die größten Hürden für den Einstieg in BIM liegen mittlerweile weniger an technischen Voraussetzungen, sondern vor allem in den dafür notwendigen Veränderungen der Betriebsabläufe und der Mitarbeiteraufgaben. Dabei sind bei den geschätzten oder geplanten Investitionen in BIM die Investitionen in Soft- oder Hardware deutlich geringer als der Schulungsaufwand.
Schreckt der BIM-Schulungsaufwand ab?
Mit 47 Prozent plant fast die Hälfte der Befragten in nächster Zeit in eine umfassende BIM-Weiterbildung für ihre Mitarbeitende zu investieren. Auch André Friedel, der als BIM-Experte bei Drees & Sommer in vielen Projekten und bei Organisationen BIM als Methode implementiert, kann das aus eigener Erfahrung nur befürworten: „Der größte Invest betrifft tatsächlich die Ausbildung und Entwicklung der Mitarbeiter. Unsere Erfahrung in der strategischen Implementierung digitaler BIM-Prozesse ist, dass neben der intensiven Schulung der Mitarbeiter vor Projektstart auch eine fachlich-technische Begleitung über mindestens das erste Pilotprojekt hinweg sehr sinnvoll ist. Diese Investition lohnt sich aus unserer Sicht langfristig für Unternehmen und Mitarbeitende“.
Weitere spannende Ergebnisse des BIM-Monitors:
- Jeder fünfte Betrieb arbeitet in seinen Projekten mit BIM – im Schnitt mit einem Anteil der BIM-Projekte am eigenen Unternehmensumsatz von im Schnitt 31,8 Prozent.
- Im Schnitt wird in 41,5 Prozent der BIM-Projekte der Bauprozess mit einem „digitalen Zwilling“ begleitet.
- 32 Prozent der Bauakteure haben Bedarf von Herstellern Schulungen zur BIM-Nutzung zu erhalten. Bei den konkreten Nutzern von BIM ist der Schulungsbedarf nochmals höher.
- Im Vergleich zu 2017 und 2019 ist die Bedeutung der Hersteller-Webseiten für die Suche nach
- herstellerspezifischen BIM-Objekten erkennbar gestiegen.
- Open BIM wird im Schnitt in 59 Prozent der Projekte der BIM-Nutzer standardmäßig erwartet – Hersteller sollten bei der Bereitstellung ihrer Modelle darauf vorbereitet sein
Die Zahlen der diesjährigen Studie belegen, dass BIM mit all seinen Vorteilen bekannt und in der Branche anerkannt ist – doch scheint die unsichere Marktsituation eine flächendeckende Anwendung zu hemmen. Multiplikatoren von BIM sind vor allem Architekt:innen sowie die Hersteller von BIM-fähiger Software. Auf Auftraggeberseite sind vor allem die öffentlichen Bauherren vertraut mit BIM, gefolgt von gewerblichen Bauherren. BIM wartet also in den Startlöchern – und die Baubranche auf günstigere Zukunftsaussichten, um mit BIM loszulaufen.
Über die Studie
Die Monitorstudie „BIM-Monitor 2022/23: Trends und Entwicklung“ zeigt den Stand und das Potenzial der BIM-Marktdurchdringung in Deutschland. Für den BIM-Monitor 2022 sind das Planungs- und Beratungsunternehmen Drees & Sommer und das Düsseldorfer Marktforschungsunternehmens BauInfoConsult eine Kooperation eingegangen, um für die Leser:innen diese zwei Sichten zur Verfügung zu stellen. Anhand ausgewählter Erhebungsergebnisse sortiert André Friedel, Kompetenzverantwortlicher für BIM im Bereich Building Performance Projektmanagement bei Drees & Sommer die von BauInfoConsult ermittelten Zahlen ein, und ergänzt die Statistik um Markaspekte.
Dabei werden die Daten der letzten Erhebungen (2017-2019) zum Vergleich herangezogen und die Entwicklung aufgezeigt. Weiter untersucht die Studie, welche Anforderungen insbesondere auch an Hersteller von Baumaterialien & (Software-)Dienstleister in Bezug auf BIM gestellt werden. Außerdem wird untersucht, wie häufig das Potenzial von BIM in der Praxis ausgeschöpft wird, z. B. mit Bezug auf
- integrale Planung/digitaler Zwilling,
- 3D-Visualisierungen zur Kollisionsprüfung,
- BIM-Monitoring über den gesamten Lebenszyklus hinaus.
Die komplette Studie mit allen Daten ist bei BauInfoConsult käuflich zu erwerben: www.bauinfoconsult.de