Warum eine "Wärmepumpenlücke" die Energiewende gefährden kann
Als erneuerbare Heiztechnologie vereint die Wärmepumpe viele Vorteile in sich. Das gilt für den einzelnen Nutzer ebenso wie für den Weg der Gesellschaft hin zu einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Energieversorgung – kurz: die Energiewende. Davon sind die Wissenschaftler beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE überzeugt – und mit ihnen praktisch alle Kenner der Materie.
Dass die Wärmepumpe im Begriff ist, sich als Standardheizsystem durchzusetzen, zeigt die Marktentwicklung: Im Jahr 2018 wurden in Deutschland mehr als 90.000 Heizungswärmepumpen abgesetzt. Das entspricht einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um rund 17 %. Und schon im Jahr 2017 gab es ein ähnlich hohes Marktwachstum. Seit mehreren Jahren verzeichnet die Branche jährlich neue Verkaufsrekorde und nach Lage der Dinge wird sich der Trend zur Wärmepumpe künftig noch verstärken.
Die Entwicklung kommt nicht von ungefähr: Schließlich macht eine moderne Wärmepumpe – die Systeme sind in den vergangenen Jahren immer effizienter geworden – aus einer Kilowattstunde Strom bis zu fünf Kilowattstunden Heizenergie. Den Löwenanteil dieser Energie bezieht die Wärmepumpe aus der Umwelt – kostenlos und absolut schadstofffrei. Das schont unser Klima und das Energiebudget des Betreibers.
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Lücke zwischen Installationen und Bedarf
Doch ungeachtet der stabilen Marktentwicklung sprechen viele Experten inzwischen von einer „Wärmepumpenlücke“, die sich für die nächsten Jahre und Jahrzehnte abzeichnet. Und es sind keineswegs nur die Interessenvertreter der Wärmepumpenindustrie, die vor dieser Entwicklung warnen. Doch was genau ist diese Wärmepumpenlücke? Es ist die Differenz zwischen der Zahl an installierten Wärmepumpen, die wir für das Erreichen unserer Klimaziele brauchen, und der voraussichtlich zu erwartenden Marktdurchdringung dieses Heizsystems.
Ende 2018 hat der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) seine aktuelle Markteinschätzung für Deutschland veröffentlicht, zum ersten Mal mit einem Ausblick bis ins Jahr 2050. Bis zu diesem Zeitpunkt soll der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland um 80 % bis 95 % unter dem von 1990 liegen – so das erklärte Ziel der Bundesregierung, festgeschrieben in ihrem 2016 verabschiedeten Klimaschutzplan 2050.
Millionen Wärmepumpen fehlen
Der BWP geht davon aus, dass bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland zwischen 3,7 und 8,7 Millionen Wärmepumpen installiert sein werden – je nach Rahmenbedingungen. Um die definierten Klimaziele zu erreichen, sind allerdings deutlich mehr Wärmepumpen nötig – die Experten sprechen von bis zu 16 Millionen oder mehr. Das heißt, es müssten ab sofort durchschnittlich rund eine halbe Million Wärmepumpen installiert werden.
So stellt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seiner Studie „Klimapfade für Deutschland“ fest, dass für das Ziel von 80 % CO2-Reduktion bis 2050 rund elf Millionen Wärmepumpen in Ein- und Zweifamilienhäusern installiert sein sollten. Will man 95 % Reduktion erreichen, nennt die Studie 14 Millionen Wärmepumpen als Zielgröße. Größere Gebäude, Industriebauten und zentrale Wärmeversorger nicht eingerechnet. Und der „Thinktank“ Agora Energiewende, der im Auftrag der European Climate Foundation helfen soll, die Energiewende erfolgreich zu gestalten, errechnet schon für 2030 einen notwendigen Bestand von fünf bis sechs Millionen Wärmepumpen.
Alte Nachtspeicher ersetzen
„Um dies zu erreichen, sollten Wärmepumpen nicht nur in Neubauten, sondern auch in Altbauten frühzeitig installiert werden“, so Agora Energiewende. Diese Wärmepumpen sollten flexibel gesteuert werden – moderne Geräte sind längst dafür ausgelegt – und zugleich sollten alte Nachtspeicherheizungen durch effiziente Heizungen ersetzt werden.
Mehrere Szenarien zeichnet die Deutsche Energie-Agentur (Dena) in ihrer Leitstudie „Integrierte Energiewende“ von Mitte 2018. Ihr „Elektrifizierungsszenario“ geht davon aus, dass der Energiebedarf im Gebäudesektor 2050 fast vollständig über Strom abgedeckt wird. Ein solches Szenario erscheint durchaus realistisch – und es wäre umweltfreundlich zugleich. Immerhin lag der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Deutschland 2018 bereits bei 38,2 % – Tendenz steigend. Und die Zahl privater Photovoltaikanlagen, die den Strom unter anderem für die eigene Wärmepumpe liefern, steigt weiter an. Von diesem Elektrifizierungsszenario ausgehend, beziffert die Dena den Bedarf an Wärmepumpen bis 2050 auf „mindestens 16 Millionen“.
Der Schlüssel liegt bei Politik und Handwerk
Die entscheidende Frage ist: Wie lässt sich die Lücke zwischen der aktuell prognostizierten und der notwendigen Verbreitung von Wärmepumpen schließen? Der Schlüssel dazu liegt bei der Politik – und beim Handwerk.
In Deutschland gibt es rund 50.000 Sanitär- und Heizungsbetriebe. Aber nur etwa jeder zehnte dieser Betriebe arbeitet derzeit regelmäßig mit Wärmepumpen. Die übrigen 45.000 installieren heute noch schwerpunktmäßig Heizungsanlagen, die mit Gas und Öl betrieben werden. Und das, obwohl solche Anlagen gleich mehrere Nachteile haben:
- Die fossilen Energieträger werden immer teurer.
- Sie sind umweltschädlich und nicht mehr zeitgemäß.
- Wärmepumpen sind schon heute erheblich wirtschaftlicher als alle Heizsysteme auf fossiler Basis – und diese Schere wird sich künftig noch weiter öffnen.
- Viele moderne Wärmepumpen lassen sich auch zum Kühlen einsetzen.
- Wärmepumpen lassen sich mit Solarstrom vom eigenen Dach betreiben, was ihre Wirtschaftlichkeit und die der PV-Anlagen weiter erhöht.
- Wärmepumpen sind problemlos mit anderen Wärmeerzeugern kombinierbar.
Wer als Heizungsinstallateur im eigenen Interesse und dem seiner Kunden zukunftsfähig sein will, sollte also die Wärmepumpe zumindest mit ins Portfolio nehmen. Schließlich ist das die zentrale Zukunftstechnologie in seinem Bereich. Der erfolgreiche Einsatz von Wärmepumpen ist vergleichsweise einfach und letztlich nur eine Frage der Schulung. Alle namhaften Hersteller haben heute Akademien, die zwischen 3.000 und 5.000 Installateure pro Jahr mit ihrer Technologie und ihren Produkten vertraut machen.
Hinzu kommt: Frequenzgeregelte Wärmepumpen, wie sie heute im Markt üblich sind, sind nicht nur effizienter als die früheren „On-off“-Maschinen. Sie verzeihen auch in Sachen Auslegungsgenauigkeit einiges mehr. Das heißt, sie sind wesentlich problemloser zu installieren als herkömmliche Geräte.
Langfristiger Wachstumsmarkt
Ungeachtet der Rahmenbedingungen wird der Wärmepumpenmarkt weiter hohe Zuwachsraten haben. Im Neubausektor hat diese Technologie inzwischen alle anderen Heizsysteme überholt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2017 Wärmepumpen mit einem Anteil von 43 % erstmals das beliebteste Heizungssystem im Neubau – Tendenz auch hier steigend.
Es ist davon auszugehen, dass ab 2025 das Effizienzhaus 55 und ab 2035 das Effizienzhaus 40 Standard bei Neubauten sein wird. Diese Entwicklung wird einen weiteren Schub für die Wärmepumpe bringen. Der BWP erwartet selbst bei weitgehend gleichbleibenden politischen Rahmenbedingungen dann einen Absatz von bis zu einer halben Million Wärmepumpen pro Jahr in Deutschland. Ein langfristiger Wachstumsmarkt – nicht zuletzt auch für die Installationsbetriebe.
Doch auch im Sanierungsbereich wächst der Handlungsdruck für Planer und Bauherren. Um den gesetzlichen Vorgaben aus der EnEV gerecht zu werden und möglichst viel Fördergeld zu bekommen, müssen sie hohen energetischen Anforderungen genügen. Und da spielen zwei Elemente eine tragende Rolle: die Dämmung der Gebäudeaußenhülle und die Energieeffizienz des eingesetzten Heizsystems. Nicht selten hilft gerade im Bestand eine Wärmepumpe, die energetischen Ziele kostengünstiger zu erreichen als mit einer besonders aufwendigen Dämmung.
Produktion gesichert
An der Produktionskapazität der Hersteller soll es jedenfalls nicht mangeln. Die Industrie ist heute in der Lage, pro Jahr zwischen 300.000 und 600.000 Wärmepumpen in Deutschland zu produzieren. Im Zusammenspiel mit dem Handwerk lässt sich die Wärmepumpenlücke also sehr wohl schließen. Hinzu kommt, dass Bund, Länder und viele Kommunen die Installation einer modernen Wärmepumpe mit hohen Fördermitteln honorieren – allen voran das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bafa und die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW. Planer und Installateure, die ihren Kunden Zugang zu diesen Fördermitteln verschaffen, machen damit eine Wärmepumpe für ihre Kunden finanziell attraktiv – und sie erschließen über diesen Hebel ihren eigenen Markt.
Fördermittel einfach beantragen
Einige Hersteller wie ait-deutschland mit alpha innotec bieten inzwischen einen eigens dafür eingerichteten Förderservice an. Die dort eingesetzten Experten kennen alle aktuellen Förderprogramme und deren Bedingungen.
Der Installateur schickt lediglich eine kurze Checkliste mit seinem Angebot an den Förderservice. Die Spezialisten prüfen alle verfügbaren Förderprogramme auf bundes-, landes-, kommunaler und lokaler Ebene tagesaktuell und gleichen deren Anforderungen mit dem eingereichten Angebot ab. Innerhalb weniger Tage bekommt der Fachpartner eine Fördermappe mit allen komplett vorbereiteten Anträgen. Sind unter bestimmten Bedingungen noch höhere Fördersummen möglich, macht der Förderservice sogar Optimierungsvorschläge. Damit kann der Heizungsbauer seinem Kunden in jedem Fall die höchstmögliche Fördersumme garantieren – sie beziffert sich in der Regel auf mehrere Tausend Euro.
Die Politik muss sich bewegen
Dennoch reicht diese Förderung nicht aus, um die Wärmepumpenlücke zu schließen. Vielmehr brauchen wir, um einigermaßen auf dem vorgegebenen Pfad in Richtung Klimaschutz zu bleiben, bis 2030 ungefähr vier Millionen Wärmepumpen – also pro Jahr rund 300.000 Neuinstallationen.
Der Bundesverband Wärmepumpe und andere Marktkenner schlagen daher vor, die Bundesregierung solle die Rahmenbedingungen weiter verbessern. So wäre es längst an der Zeit, das Energiepreisgefüge zu korrigieren: Während Elektrizität, die in Deutschland bereits zu mehr als einem Drittel aus erneuerbaren Quellen stammt, außerordentlich hoch mit Steuern und Abgaben belastet ist, sind die Preise für fossile Brennstoffe nach wie vor unverhältnismäßig niedrig.
Zu einem Ausgleich könnte eine Besteuerung von CO2-Emissionen führen – das wäre allein schon deshalb gerechtfertigt, weil die Folgen des Klimawandels mittlerweile bekanntlich immense Schäden und Kosten verursachen. Auch eine stärkere Integration von Wärmepumpen in Wärmenetze und ein Absenken der Preise für Wärmepumpenstrom würden die Rahmenbedingungen verbessern. Ebenso steuerliche Abschreibungen und eine Anhebung der Fördergelder, um nur einige Punkte zu nennen.
Wenn wir allerdings so weitermachen wie bisher und die Bundesregierung an dieser Stelle untätig bleibt, droht in den nächsten Jahrzehnten ein Szenario, das niemand wirklich will: Dann werden in Deutschland CO2-Emissionszertifikate fehlen, die aus anderen Ländern zugekauft werden müssen. Insgesamt kann sich das allein bis 2030 auf bis zu 60 Milliarden Euro summieren. Da stellt sich die einfache Frage: Zahlen wir Geld als Strafzahlung, indem wir etwa in Bulgarien CO2-Zertifikate kaufen, oder investieren wir in die heimische Wirtschaft?
Fazit
Die Energiewende kommt, weil sie kommen muss und das erklärte Ziel fast aller Staaten weltweit ist. Und sie ist nur möglich mit einer Wärmewende. Laut Umweltbundesamt werden mehr als 80 % der in deutschen Haushalten verbrauchten Energie für die Erzeugung von Wärme eingesetzt. Das größte Potenzial, Energie einzusparen, schlummert also in den Heizungskellern der Republik.
Die Wärmepumpe ist das Heizsystem der Zukunft. Nur mit ihr sind die Wärme- und die Energiewende zu schaffen. Und sie ist wirtschaftlich und umweltfreundlich. Deshalb sollten sich Heizungsinstallateure, die am Wachstumsmarkt Wärmepumpe teilhaben wollen, jetzt schulen lassen und diese effiziente Technologie in ihr Portfolio aufnehmen.
Dieser Artikel von Clemens Dereschkewitz ist zuerst erschienen in SBZ/06-2019. Clemens Dereschkewitz ist Vorstand im Bundesverband Wärmepumpe (BWP) und Geschäftsführer von ait-deutschland.