Dachverglasungen: Leichte Verbundgläser für Wintergärten
Ein normkonformes Verbundsicherheitsglas (VSG) muss in Deutschland in der Regel aus mindestens zwei Glasscheiben und mindestens einer Lage VSG-Folie, meist Polyvinylbutyral (PVB), bestehen. Bei Gläsern für den Dachbereich, sogenannte Horizontalverglasungen, unterscheidet man zwischen unterschiedlichen Verglasungen:
- nicht begehbare Dachverglasung
- betretbare Dachverglasung
- begehbare Dachverglasung
Für jede dieser Dachverglasungen sind je nach Beanspruchung durch Lasteinwirkung unterschiedliche VSG-Glasdicken und Befestigungsarten mit Rahmen- oder Stützkonstruktionen erforderlich.
Von allen denkbaren Glasdächern in oder an Gebäuden werden im nachfolgenden Beispiel ausschließlich durch Profilrahmen gestützte, nicht begehbare Dächer für den privaten Wohnbau betrachtet. Dazu gehört die Verglasung für das Glasdach im Wintergarten oder des Carports.
Bei unserem Beispiel sind die VSG linienförmig gelagert. Die Glasstärke beträgt hier ca. 11 mm mit dem VSG-Aufbau 2 × 5 mm Glas und 0,76 mm PVB-Folie. Eine typische Stützweite der Vertikalverglasung beträgt hier 0,8 m. Bei der Wahl der minimalen VSG-Glasstärke und der Verformung durch die Last, spielen das Eigengewicht sowie eine Einwirkung durch Windlast (kurzzeitig) und Schneelast im Winter (langzeitig) für die Bemessung der Gläser eine wichtige Rolle.
Maßgeblich ist hier das Verhalten unter Lasteinwirkung bis zum Bruch des Glases und das Verhalten des gebrochenen VSG im Versagensfall. Ein Verbundglas für diese Anwendung enthält immer eine sogenannte Standard PVB-Folie wie z. B. Trosifol Clear oder Trosifol UltraClear.
Stärkere Folie bietet mehr Möglichkeiten im VSG
Soll die Bauweise variiert werden, z. B. durch die Verwendung dünnerer Gläser oder größerer Spannweiten der Stützstreben (größere Glasflächen erlauben mehr Sonnenlichteinfall), wird eine steifere Folie im VSG notwendig. Eine Möglichkeit, die der Markt bietet, ist die schubsteife Folie Trosifol Extra Stiff mit höherer mechanischer Festigkeit und besserer Verformungsstabilität. Das Marktpotenzial für VSG in diesen Anwendungen wird auf rund zwei Millionen Quadratmeter im deutschsprachigen Raum geschätzt.
Horizontalverglasungen aus optimiertem Verbundsicherheitsglas
Um den Herstellern von Wintergärten, Carport-Verglasungen oder ähnlichen Anwendungen eine Umsetzung mit verbesserten filigranen Glasdächern zu ermöglichen, hat der Folien-Spezialist Kuraray in Zusammenarbeit mit der Universität Dresden eine Studie zur Verwendung schubsteifer Folien im VSG für Horizontalverglasungen in Auftrag gegeben.
Ziel der Forschungsarbeit war es herauszufinden, inwieweit der Austausch von Standard-PVB zu Trosifol Extra Stiff im VSG die Spannweiten der Dachgläser erhöht, die Dachkonstruktionen damit leichter werden und vom Design her ansprechender, d. h. mit höherem Lichteinfall, angeboten werden können. Davon profitiert vor allem die Dachverglasung von Wintergärten und Glasdächern über Terrassen.
Dabei wurde sowohl die Glasstärke bei gleicher Einspannweite reduziert als auch die Spannweitenänderung bei gleicher Glasdicke untersucht. Zunächst wurde über eine rechnerische Computer-Simulation das Lastverhalten bis zum Bruch des Sicherheitsglases und darüber hinaus simuliert. Anschließend wurde das theoretisch ermittelte Lastszenario in Bauteilversuchen experimentell nachgestellt und mit den vorher gemachten Simulationen verglichen.
Bis zu 50 Prozent mehr Spannweite
Beide Methoden gaben eine sehr gute Übereinstimmung der Ergebnisse. Dabei wurden die in der Glas-DIN 18008 vorgegebenen Lasteinwirkungen wie die Eigenlast des Glases in zweiseitiger linienförmiger Lagerung im Profilrahmen, die Schneelast und die Windlast in Kombination rechnerisch simuliert.
Unter Berücksichtigung dieser Einflussgrößen ergab die Bemessung eine Erhöhung der Spannweite um bis zu 50 Prozent. Das bedeutet, dass bei dieser Anordnung die Sparrenabstände von 0,8 m auf bis zu 1,2 m vergrößert werden können – bei Verwendung von Trosifol Extra Stiff im Verbundglas.
Diese Spannweiten-Erhöhung hat in mehrerlei Hinsicht Konsequenzen für die Dachkonstruktion: Durch die Verwendung breiterer VSG-Scheiben werden weniger Stützprofile benötigt, was zum einen den optischen Komfort im Bereich des Glasdaches deutlich sichtbar erhöht (mehr Tageslicht) und die Konstruktion insgesamt leichter und filigraner erscheinen lässt. Zudem lassen sich die Materialkosten insgesamt senken, da weniger Stützprofile benötigt werden. Diesen Vorteil kann der Systemanbieter für Wintergärten und Carports mit Mehrwert an seine Kunden verkaufen.
Die Scheuten Glasgruppe hat diese Idee bereits aufgegriffen und vertreibt das Produkt als Zuschnittgeschäft unter dem firmeneigenen Namen „Scheuten Multisafe Extra Stiff“.
Ausblick: Verbundglas wird durch Folie stärker
Die Forschungsarbeiten zur Bemessung von Horizontalverglasungen der Uni Dresden haben gezeigt, dass bei Austausch von Standard-PVB-Folie gegen die schubsteife Folie Trosifol Extra Stiff gleicher Stärke im VSG mit einfachem 5 mm dickem Fensterglas die Spannweite im Glasdach um bis zu 50 % erhöht werden kann. Dies führt in der Praxis zu mehr Transparenz und Erhöhung des Sonnenlichteinfalls durch das Glasdach und im Wintergarten.
Weiter führt die verminderte VSG-Dicke zur Senkung des Dacheigengewichts, wodurch die Stützkonstruktion durch (Alu-)Profile leichter und kostengünstiger dimensioniert werden kann. Das wiederum erleichtert und beschleunigt die Montage der Glaskonstruktion. Verbundsicherheitsglas mit Trosifol Extra Stiff ist ab sofort als Bandmaß-VSG erhältlich und kann direkt zu VSG-Glasdachelementen zugeschnitten werden. Nicht nur im Wintergarten kann Sicherheitsglas dadurch optimiert eingesetzt werden, sondern auch in großen Fenstern zu Hause.
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit, die Christoph Troska, Leiter Marketing Architektur bei Kuraray Europe, vorstellte, stießen bei Herstellern von Wintergärten sowie bei Aluminiumprofilherstellern, gerade auch bei TS-Aluminium (www.ts-alu.de), auf viel positive Resonanz.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in GLASWELT 04/2019.