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Siegenia setzt auf Smart Home-Akzente für den Fensterverkauf

Daniel Mund

Fensterbranche quo vadis? Seit geraumer Zeit sehen sich die Anbieter von Fenstern und Türen mit einem verschärften Wettbewerb und einer sinkenden Nachfrage konfrontiert. Einen Ausweg aus der Preisspirale nach unten verspricht der Beschlaghersteller Siegenia mit vielen Produkten und Ideen auch im Smart Home-Bereich – zum Beispiel mit dem smarten Fenstergriff. Wie Fensterbauer davon profitieren können und was Siegenia sonst noch vorhat, erklären im Interview die Experten Markus Bade, Leiter des Geschäftsbereichs Strategische Geschäftsfeldentwicklung und Produktmanagement, Marketingleiterin Katja Schreiber, André Zech, der bei Siegenia im Produktmanagement für die elektromechanischen Produkte zuständig ist, und Marco Nehren, Leiter des Produktmanagements.

Siegenia setzt auf den Matter-kompatiblen Fenstergriff. Ist das der Durchbruch in Sachen Smart Home?

André Zech: Matter ist die Schlüsselkomponente, die ein neues Level an Komfort und Vernetzung im eigenen Zuhause ermöglicht. Und die ersten Lösungen von Siegenia, wie zum Beispiel der Fenstergriff, sind jetzt verfügbar.

 Beginnen wir mit einer Begriffsklärung: Was verbirgt sich hinter Matter, CSA und Thread?

Zech: Die CSA (Anm. d. Red.: Connectivity Standards Alliance) definiert einen gemeinsamen Standard für den Smart Home-Bereich. Sie ist aus der ZigBee-Allianz hervorgegangen, der sich Player wie Apple, Amazon, Samsung und Google angeschlossen haben. Matter ist der CSA-Kommunikationsstandard. Also die Sprache, mit der sich die Produkte der CSA-Allianz verständigen können. Wichtig für das Zusammenspiel der Matter-Geräte ist neben LAN, WLAN oder Bluetooth LE der Funkstandard Thread. Er arbeitet mit geringer Verzögerung und verbraucht wenig Energie. Letzteres ist entscheidend für batteriebetriebene Geräte wie Türschlösser oder Fenster­sensoren.

Wie lassen sich die Komponenten an der Gebäudehülle wie Türschlösser und Fenstersensoren vernetzen und steuern?

Zech: Die Einrichtung und Steuerung smarter Matter-Geräte kann auf Android-Smartphones etwa in der Google Home-App erfolgen. Unter iOS, also auf iPhones und iPads, erscheinen die Matter-Geräte als eigener Punkt in den Einstellungen oder können beispielsweise in der Home-App gesteuert werden. Neben Apple, Google und Amazon sind auch Samsung und LG sowohl bei Matter als auch bei Thread mit von der Partie. Hinzu kommen jeweils die Plattformbetreiber, die an den Standards mitarbeiten oder sie in ihren Smart Home-Geräten nutzen.

Austausch in Wilnsdorf: GLASWELT-Chefredakteur Daniel Mund traf sich mit den Siegenia-Experten.

Werden solche Anbieter-Apps wie die HomeConnect App von Siegenia und die der Plattformbetreiber in Zukunft überflüssig?

Zech: Nein, mit solchen Apps haben Anbieter die Möglichkeit, individuelle Funktionen abzubilden. Öffnen, Schließen, Überwachen – das lässt sich in der Apple Home App abbilden. Spezielle Anwendungen wie ein Kippvorgang sind dort aber (noch) nicht möglich, dafür braucht man die Hersteller-Apps wie Homematic, TaHoma oder auch Siegenia. Auch Serviceaspekte oder der gesamte Bereich After Sales und Wartung sind nur über solche Apps möglich..

Matter kommt aus Amerika, also sind die Definitionen auch von dort geprägt. Fehlt deshalb im Matter-Protokoll die Kippfunktion?

Zech: Es ist wichtig, dass sich viele Unternehmen aus unserem Umfeld und unseren Märkten an CSA beteiligen – um sicherzustellen, dass europäische Anwendungen auch wirklich berücksichtigt werden. Die Standards sind bei uns vielfältiger, amerikanische Anwendungen sind einfacher. Die Amerikaner kommen ohne Rollladen und Kippfunktion am Fenster aus, die kennen diese Anwendung nicht. Deshalb müssen wir uns und den europäischen Funktionen Gehör verschaffen und arbeiten in Arbeitsgruppen mit.

André Zech demonstriert im Innovations­zentrum am Siegenia-Haupsitz die Möglichkeit, Bau­elemente in Smart Home-Szenarien einzubinden.

Wie intensiv testen Sie die Matter-Produkte, bevor Sie sie auf den Markt bringen?

Zech: Stellen Sie sich einen smarten Fenstergriff vor, der nicht zu einem Matter-kompatiblen Smartphone passt. Die Enttäuschung wäre groß und lautstark zu vernehmen. Das bedeutet, dass wir mit unseren Matter-Produkten ziemlich sicher sein wollen, wenn wir sie auf den Markt bringen. Wir testen darüber hinaus sehr genau die Matter-Versionen, die mit unseren Produkten korrespondieren sollen, und überlegen, welche Produkte wir zu welchen Updates platzieren.

Der große Hype um Smart Home ist bisher ausgeblieben. Woran liegt das?

Zech: Viele Fensterverkäufer legen ihre höchste Vertriebs-Priorität nicht auf den Smart Home-Mehrwert. Wir gehen hier eher davon aus, dass der Pull-Effekt durch die Nutzer ausgelöst wird. Deshalb glauben wir auch an den Erfolg von Consumer-Produkten wie einem intelligenten Fenstergriff und haben das Pricing entsprechend ausgerichtet. Ein weiterer Aspekt könnte in Zukunft interessant werden: Wenn die Automobilindustrie bei Matter einsteigt. Das könnte der CSA einen kräftigen Schub geben.

Marco Nehren: Ich bin überzeugt, dass mit dem Generationswechsel in den Unternehmen das Thema noch weiter in den Vordergrund rücken wird. Aber wir müssen Smart Home mit Themen verknüpfen, die dem Nutzer und Händler Vorteile bringen. Das fängt bei der Installation an und hört beim eigenen Smart Home-Portfolio noch lange nicht auf. Es muss einfach sein, aber auch umfassende Anwendungsmöglichkeiten bieten.

Der intelligente Fenstergriff wird bereits bei Amazon angeboten – gibt es einen Preisvorteil für den Fensterbauer?

Markus Bade: Die Fensterbauer haben Konditionen, damit sie den Griff analog zu Amazon anbieten können. Wir glauben, dass es in Zukunft Unternehmen geben wird, deren Geschäftsidee prioritär darin besteht, Smart Home-Komponenten an die Nutzer zu verkaufen und einzurichten.

Wie erfolgreich ist der Vertrieb des smarten Fenstergriffs bislang verlaufen?

Zech:Im normalen Vertrieb erreichen wir ein gutes Niveau, sobald wir eine Kampagne über Influencer oder Videos in sozialen Netzwerken für Endkunden fahren, springt die Nachfrage deutlich an. Wir wollen natürlich an den POS – am liebsten gemeinsam mit den Verarbeitern an den Handel.

Was kommt nach dem smarten Griff?

Zech: Wir werden unserem Fenstersensor ein Update verpassen, das wird im Oktober stattfinden. Danach werden wir unsere bestehenden Geräte weiterentwickeln. Anfang 2025 werden wir auch mit der Smartifizierung unseres neuen Antriebs Drive Axxent LS smart beginnen.

Marco Nehren am Schiebe-Element mit eingebautem Drive axxent LS.

Der Drive axxent LS wurde auf der Frontale viel beachtet – warum wurde er nicht von Anfang an in die Matter-Welt integriert?

Nehren: Wir haben uns entschlossen, die Markteinführung in zwei Schritten vorzunehmen. Zunächst erfolgt die Einführung der Grundausstattung, in der die Bedienung des Elements per Taster erfolgt. Da die Realisierung der matterfähigen Version etwas mehr Zeit benötigt, reichen wir sie kurzfristig, in einem zweiten Schritt nach.

Wie war die Drive Axxent LS-Resonanz auf der ­Messe?

Nehren: Wir waren überwältigt von der positiven Resonanz. Während der gesamten Messe war das Exponat dicht umringt. Zu Recht, denn der axxent LS verbindet Design mit Schnelligkeit, einem sehr leisen Laufgeräusch und hoher Verarbeitungsfreundlichkeit. Er lässt sich in schlanke Profilsysteme einbauen, ohne dass Verbreiterungen oder Wandöffnungen notwendig sind. Ein weiterer Vorteil ist die Akku-Pack-Lösung, die den Einsatz eines Elektrikers erst beim Anschluss des Bauelements an die Gebäudeelektrik erforderlich macht. Dieser Mehrwert war für unsere Kunden sofort erkennbar.

Woher haben Sie eigentlich die Gewissheit, dass Ihre Innovationen bei Nutzerinnen und Nutzern auch wirklich gefragt sind?

Bade: Wir legen großen Wert auf umfangreiche Nutzerbefragungen und führen regelmäßig sehr umfangreiche Voice-of-Customer-Befragungen durch – gerade bei Fragen zum Fenstergriff, zu Nachrüstthemen oder zur Akkulaufzeit wollen wir ganz sicher sein.

Anderes Thema: Siegenia setzt neuerdings auf eigene EPDs anstatt auf Branchenlösungen. Was ist die Idee dahinter?

Bade: Von der Beschlagtechnik über motorische Antriebe bis hin zu intelligenten Raumkomfortlösungen hat Siegenia alle Produktlinien einer umfassenden Bilanzierung unterzogen und daraus EPDs erstellt. Die EPDs belegen, dass unsere Produkte im Vergleich zu branchenüblichen generischen Daten deutlich reduzierte Emissionswerte aufweisen. Damit bieten wir unseren Kunden einen Mehrwert bei der klimafreundlichen Gestaltung von Fenstern und Türen.

 Kommen Fensterhersteller bereits auf Sie zu und fragen nach den Klimazielen oder EPDs?

Bade: Ja, das ist so. Gerade den größeren Fensterherstellern ist es bewusst, dass man an diesen Themen nicht mehr vorbeikommt.

Offensichtlich ist Siegenia auch mit der Definition der eigenen Nachhaltigkeitsziele schon sehr weit gekommen – was ist in dieser Thematik weiter geplant?

Bade: Die von uns entwickelte Klimaschutz-Roadmap enthält konkrete, objektiv überprüfbare Maßnahmen, die wir schrittweise umsetzen und deren Wirkung wir messen. Auf Basis von Messwerten und Technologiebeobachtungen passen wir die Roadmap regelmäßig an. Dabei richten wir unser Denken und Handeln an dem Leitsatz „Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren“ aus.

Hat Siegenia ein Ziel bei der Klimaneutralität avisiert?

Bade: Unser erklärtes Ziel ist es, bis 2028 klimaneutral zu werden, was den CO2-Fußabdruck unseres eigenen Energieverbrauchs betrifft.

Und wie weit sind Sie in der Umsetzung dieses Fahrplans?

Bade: Bis Ende 2024 werden wir durch den Bau zahlreicher Photovoltaikanlagen auf unseren Produktionsdächern rund 20 Prozent unseres Strombedarfs aus eigenen Ressourcen decken.

Markus Bade, Leitung Geschäftsbereich Strategische Geschäftsfeldentwicklung und Produktmanagement bei Siegenia.

Wie stellen Sie sicher, dass Mehrwerte von Siegenia auch dem Verarbeiter und dem Händler umfassend zugänglich gemacht werden?

Katja Schreiber: Wir haben die ­virtuelle ­Siegenia-Welt geschaffen. Sie ist das ­digitale ­Abbild, mit dem der Vertrieb alle Produkt­eigenschaften und Vorteile auf einen Blick ­präsentieren kann. Das Tool beinhaltet dreidimensionale Räume, die es ermöglichen, Produkte und Systeme aus jeder Perspektive zu betrachten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, mittels Augmented Reality interaktiv in die Produktwelten einzutauchen. Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit, Gespräche individuell zu gestalten. Via Laptop oder iPad können Vertriebsmitarbeitende so den Partnern ein Live-Erlebnis vermitteln oder darüber hinaus auf ergänzende Medien wie technische Unterlagen oder Videos zugreifen.

Eine Frage zu den Messen. Siegenia war rückblickend sehr angetan von der Frontale. Werden Sie auch auf der BAU 2025 wieder dabei sein?

Schreiber: Nein, im kommenden Jahr eher nicht. Unser Produktportfolio reicht von Baubeschlägen über dezentrale Lüftung, Lösungen der Gebäudeautomation bis hin zu Smart Home-Komponenten. Das alles mit einer Messe abdecken zu wollen, bedeutet viele Kompromisse. Für den Fensterbau ist die Frontale‘26 für uns gesetzt, für die Lüftungstechnik wählen wir ebenfalls bevorzugt einschlägige Fachmessen, und für unsere neuen Consumer-Produkte werden künftig vielleicht ganz neue Fachmessen von Interesse.

Betrachtet man allein die Vielfalt des Siegenia-Sortiments, so kann man sagen, dass den Fensterbauern die Themen eigentlich nicht ausgehen sollten …

Bade:… wir sind der Meinung, dass der Bauelementehandel in der zweiten Stufe des Verkaufsprozesses signifikant mehr Umsatz generieren kann, wenn der Verkäufer gut zuhört und im Verkaufsprozess die richtigen Akzente setzt. Die Themen rund ums Fenster sind komplexer geworden, deshalb sind am POS wieder echte Verkaufstalente gefragt.

Gehört die Barrierefreiheit auch zu dieser komplexen Fenstermaterie?

Bade:Wir müssen verstehen, dass besonders flache Schwellen einen Mehrwert darstellen. Sie sehen elegant aus und werten eine Tür oder ein Schiebeelement deutlich auf. Es ist gut, dass mit solchen Produkten auch Stolperfallen vermieden werden. Die baulichen Rahmenbedingungen sind dabei allerdings immer mit zu betrachten. Für einen Mehrwert bekommt man auch einen Aufpreis.

Liebe Frau Schreiber, werte Herren, vielen Dank für den sehr interessanten Austausch.

Das Gespräch führte Chefredakteur Daniel Mund von der Fachzeitschrift GLASWELT am Siegenia-Hauptstandort in Wilnsdorf.

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