Nullschwelle: 2 cm Stolperkante muss rückgebaut werden
Schon lange ist bekannt, dass in Deutschland 1 bis 2 cm hohe Türanschlagdichtungen innerhalb des barrierefreien Bauens nach DIN 18040 Teil 1 und 2 nicht erlaubt sind. Die Nullschwellen-Stellungnahme vom Deutschen Institut für Normung (DIN) e.V., die in der Fachzeitschrift MENSCHEN 4–5/2013 (damals „Behinderte Menschen“) erstmals öffentlich gemacht wurde, hat für deutschlandweite Klarheit gesorgt. Eine Klage eines Wohnungskäufers verschafft nun dem Thema Nachdruck.
Trotz der eindeutigen bauordnungsrechtlichen Anforderungen (die DIN 18040 ist in den Verwaltungsvorschriften der technischen Baubestimmungen eingeführt) werden immer noch unzulässige 1 bis 2 cm hohe Türanschläge verbaut, wie z. B. im betreuten Wohnen für ältere Menschen im baden-württembergischen Öhringen.
Ein Wohnungskäufer in dieser Anlage klagte dagegen und bekam im letzten Jahr vor Gericht Recht. Er hatte beanstandet, dass seine Balkontür, die 2018 fertiggestellt wurde, eine rund 2 cm hohe Türschwelle aufweist.
Landgericht Heilbronn setzt Meilenstein
In einem Nullschwellen-Seminar hatte sich der Kläger 2018 über normativ-rechtliche Anforderungen, ergonomische Erfordernisse und die technisch schon seit 1996 vorhandenen barrierefreien Magnet-Nullschwellen informiert. Zahlreiche langzeiterprobte Einbaubeispiele dieser barrierefreien Lösung überzeugten den Kläger von der Machbarkeit. Und auch das Gericht erklärt bei der Gerichtsverhandlung am 15.06.2023 mit Verweis auf ein vorhandenes Sachverständigengutachten und auf die Barriere insbesondere für ältere und behinderte Menschen, dass die verbauten 2 cm hohen Schwellen einen Mangel darstellen und zurückgebaut werden müssen, berichtet Ulrike Jocham, die im Auftrag von GW und „MENSCHEN“ bei diesem Termin im Landgericht Heilbronn anwesend war.
In der Verhandlung hat der Beklagte jedoch gefordert, lediglich eine Schwelle an einer von zwei Balkontüren, die auf einen Balkon führen, zurückbauen zu müssen.
Aktuell wird über diese Frage in diesem Verfahren diskutiert. Eine Antwort ist freilich in der Landesbauordnung zu finden: Baden-Württemberg hat in einem Paragrafen formuliert, dass in Gebäuden, die überwiegend von älteren und behinderten Menschen genutzt werden, umfassende Barrierefreiheit gefordert ist – also Barrierefreiheit an beiden Balkontüren. Laut dem Kommentar des Boorberg Verlags zur Landesbauordnung BW gilt der § 39 bereits für Gebäude, die von 50 Prozent älteren und behinderten Menschen genutzt werden. Das betreffende Gebäude in Öhringen wird zu 100 Prozent von älteren und behinderten Menschen genutzt.
Sachverstand für Nullschwelle
Bis heute wird an verschiedenen Stellen immer noch behauptet, dass bei barrierefreien Zugängen ohne Türanschlag Wasser eintreten würde – so auch vor dem Landgericht Heilbronn. Zahlreiche Langzeiterprobungen, die im Internet für jeden frei zugänglich sind, belegen jedoch seit 1996 die nachhaltige Dichtheit der Magnet-Nullschwelle (z. B.: www.die-frau-nullschwelle.de/best-practice-beispiele).
Die Autorin Ulrike Jocham ist Bausachverständige für Schäden an Gebäuden (DESAG), Barrierefreiheit, Universal Design und Inklusion.