Kraftbetätigte Fenster: Risiken und Schutzmaßnahmen bestimmen
Das regelmäßige Lüften von Innenräumen – in Büros, Schulen und Versammlungsstätten – ist nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie ein wichtiges Thema im Alltag vieler Menschen. Architekten und Planer beschäftigen sich auch im Hinblick auf klimaneutrale Gebäude mit der natürlichen Lüftung durch Fenster. Hierfür eignen sich automatisierte kraftbetätigte Fenster hervorragend. Je nach Einbausituation können jedoch Schutzmaßnahmen erforderlich sein, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Unsere Schwesterzeitschrift GLASWELT hat mit Geze-Produktmanager Dr. Dominik Landerer über die Herausforderungen bei kraftbetätigten Fenstern, die Bestimmung und Auslegung von Schutzmaßnahmen und über ganzheitliche Systemlösungen zur Fensterabsicherung gesprochen.
Herr Dr. Landerer, kraftbetätigte Fenster ermöglichen eine kontrollierte natürliche Lüftung. Dadurch rücken solche Fenster häufiger in die Eingriffsbereiche der Nutzer, sodass eine Gefahrenstelle entstehen kann. Welche Herausforderungen ergeben sich?
Dr. Dominik Landerer: Kraftbetätigte Fenster mit motorischen Antrieben gelten als Maschinen und sind daher nach Maschinenrichtlinie 2006/42/EG einzustufen. Deshalb ist es wichtig, die individuellen Anforderungen des kraftbetätigten Fensters im Gebäude frühzeitig zu bestimmen und fachübergreifend innerhalb des Planungs-, Herstellungs- und Inbetriebnahmeprozesses sicherzustellen, dass die Maschine ein ausreichendes Schutzniveau zur Unfallverhütung besitzt.
Die Maschinenrichtlinie setzt im Zuge des Inverkehrbringens der Maschine eine Risikobeurteilung voraus, die analysiert, ob sich ein Fenster in einem Gefahrenbereich befindet und ein Risiko von dem Fenster ausgeht – und welche notwendigen Maßnahmen zur Sicherung getroffen werden müssen.
Nach welchen Kriterien lässt sich beurteilen, ob sich ein Fenster in einem Gefahrenbereich befindet und dadurch ein Risiko besteht?
Für die Ermittlung sicherheitsrelevanter Aspekte setzen wir bei Geze unsere Sicherheitsanalyse ein, die als Leitfaden zur Risikobeurteilung nach der europaweit gültigen Maschinenrichtlinie genutzt werden kann. Die Sicherheitsanalyse zeigt auf, wie am kraftbetätigten Fenster unter Berücksichtigung der konkreten Einbausituation und des Nutzerkreises mögliche Gefahren ausgeschlossen beziehungsweise vermindert werden, beschreibt technische Lösungsansätze für die erforderlichen Schutzmaßnahmen beim Inverkehrbringen der Maschine und weist auf mögliche Restrisiken hin.
Grundsätzlich werden bei der Risikobeurteilung und der Ermittlung der Sicherheit kraftbetätigter Fenster drei Kernelemente betrachtet:
- Die Einbaulage,
- die Raumnutzung und
- die Ansteuerung.
Abhängig von diesen Faktoren ergeben sich die Schutzklassen 0 bis 4 und die daraus resultierenden Schutzmaßnahmen, um das Risiko zu minimieren.
Welche Gefahrenstellen gibt es am kraftbetätigten Fenster und wie hängen die Schutzklassen mit diesen zusammen?
Neben der Bewertung der baulichen Gegebenheiten – zum Beispiel das potenzielle Herabstürzen des Fensterflügels – gilt es, Quetsch- und Scherstellen an den Haupt- und Nebenschließkanten des Fensters, welche beim Schließen eine Gefahrenstelle darstellen können, zu bewerten – besonders in Gebäuden wie Schulen, Kindergärten, Kliniken, also Gebäuden mit Publikumsverkehr. Gerade hier muss sichergestellt sein, dass eine unsachgemäße Nutzung der Fenster oder Unachtsamkeit nicht zu Verletzungen führen.
Fenster, die Teil einer Rauch- und Wärmeabzugsanlage sind und nicht für Lüftungszwecke genutzt werden, sowie Lüftungsfenster, die in über 2,5 m eingebaut sind, werden mit der Schutzklasse 0 eingestuft und benötigen daher keine weiteren Schutzmaßnahmen. Lüftungsfenster, die frei zugänglich sind gelangen in einen Bewertungskreislauf, in dem die Raumnutzung und die Ansteuerungsart beurteilt werden. Die Schutzklassen 1 und 2 treten vor allem in Büro und Wohngebäuden auf.
Nutzergruppen, die nicht in die sichere Nutzung der Fenster eingewiesen werden können, wie es in Einkaufszentren oder Versammlungsstätten der Fall ist sowie nicht einsichtsfähige oder schutzbedürftige Personengruppen, wie beispielsweise in Kindergärten und Schulen, führen zusammen mit einer automatisierten Ansteuerung der kraftbetätigten Fenster, z. B. über eine Gebäudeleittechnik, zu den hohen Schutzklassen 3 und 4.
Wie sehen bei den SK 3 und 4 die Lösungen aus?
Mögliche Schutzmaßnahmen zur Erfüllung der Schutzklasse 3 sind zum Beispiel das Beschränken der Öffnungsweite der Hauptschließkante auf 200 mm oder das Begrenzen der Flügelbewegung in Zu-Richtung auf maximal 5 mm pro Sekunde. Die Fensterantriebe von Geze sind so konzipiert, dass sie die SK 3 standardmäßig gewährleisten. Sollten Schutzmaßnahmen der SK 4 notwendig sein, können diese durch eine Totmannsteuerung mit autorisierter Bedienung sichergestellt werden.
Die bessere Alternative, um auch die vollständige Automation der kraftbetätigten Fenster zu gewährleisten, bieten Sicherheitssensoren in Kombination mit dem Sicherheitsschaltmodul IQ box Safety – eine TÜV-geprüfte Lösung für die Schließkantenabsicherung kraftbetätigter Fenster mit berührungsbehafteten oder berührungslos wirkenden Sensoren. Somit können wir für die unterschiedlichsten Anforderungen und die daraus resultierenden Schutzklassen eine geeignete Lösung anbieten.
Welche Vorteile bietet die IQ box Safety?
Das IQ box Safety Modul erfüllt die Norm EN ISO 13849-1 und -2 und ist für Anwendungen im Bereich der natürlichen Lüftung sowie für Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA und NRWG) mit Lüftungsfunktion geeignet. Das Hutschienenmodul mit den vier vorparametrierten Sensoreingängen für Sicherheitsschaltleisten und berührungslosen Sensoren ermöglicht eine unkomplizierte Inbetriebnahme des Gesamtsystems und damit eine hohe Gestaltungsfreiheit bei der Auslegung von Lüftungs- und RWA-Fenstern. Damit können wir eine ganzheitliche Lösung anbieten und einen sicheren Betrieb verschiedenster Fenstertypen gewährleisten.
Welche Aspekte gelten generell, damit Fenster sicher sind?
Unser Ziel ist es, die Entwicklung lebenswerter Gebäude voranzutreiben. Das gelingt uns zum einen durch innovative Produkte, mit denen wir die Sicherheit aber auch die Vernetzung mit der Gebäudetechnik vorantreiben, um natürliche Lüftungskonzepte umsetzten zu können. Als Partner für Architekten und Planer beraten wir frühzeitig über die Möglichkeiten der natürlichen Lüftung, die relevanten Sicherheitsaspekte kraftbetätigter Fenster und die daraus ggf. resultierenden notwendigen Schutzmaßnahmen. Wir stehen unseren Kunden außerdem als Experte zur Seite beim Erarbeiten alternativer Lösungen, um Sicherheitsrisiken frühzeitig zu vermeiden.
Hierzu sind unsere Objektberater in ganz Deutschland unterwegs, beraten objektspezifisch zu allen Produkten und erarbeiten Lösungsvorschläge für die individuellen Problemstellungen zusammen mit den Planern.
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Weitere Informationen: www.geze.de/de/entdecken/themen/fenstersicherung
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in GLASWELT 05/2021.