Fachgerechte Fenstermontage im Bestand: Besonderheiten und Tipps für die Praxis
Der Neubausektor ist vor allem im Bereich der Einfamilienhäuser stark eingebrochen. Dies wird durch den starken Anstieg der Hypothekenzinsen, der Material- und Lohnkosten sowie geringere Fördermittel verursacht. Selbst projektierte Bauvorhaben werden gestoppt und Baugrundstücke zurückgegeben, da die Finanzierung ins Wanken geraten ist.
Die energetische Modernisierung von Bestandsgebäuden wird immer noch bis zu 30% gefördert und steigert den Wert einer älteren Immobilie enorm. Ab 2024 werden die Fördersätze wahrscheinlich weiter steigen; es stehen Förderungen für sozial schwächere Familien von bis zu 75% in Aussicht. Insbesondere der Fenstertausch ist eine Maßnahme, die sich schnell und einfach umsetzen lässt und daher ein sehr interessanter Absatzmarkt für Hersteller, Monteure und Händler von Fenstern ist. Neben dem finanziellen Druck auf die Bewohner durch die stark gestiegenen Energiekosten plant die EU gerade die Einführung einer Renovierungspflicht (MEPS) für die ineffizientesten Wohngebäude (Gebäudeklasse F ab 2030 bzw. Klasse E ab 2033). Der Fenstertausch kann als Einzelmaßnahme einen großen Beitrag zur Erfüllung der Mindeststandards leisten.
Um dieses Marktsegment erfolgreich nutzen zu können, müssen sich Unternehmen jedoch mit den Besonderheiten der Fenstermontage im Bestand vorab auseinandersetzen. Auch in Altbauten wirkt eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren auf die Fenster ein, und die Fenstermontage muss diese Einwirkungen während der üblichen durchschnittlichen Nutzungsdauer der Fenster (derzeit mit ca. 30 bis 40 Jahre angesetzt) aufnehmen und ausgleichen.
Besonderheiten bei der Fenstermontage im Altbau
Dennoch ist die fachgerechte Fenstermontage im Altbau eher ein „ungeliebtes Kind“ der Fensterfirmen, denn beim Fenstertausch ist in den meisten Fällen kein Architekt oder Planer involviert, so dass die Abstimmung direkt mit dem Besitzer der Wohnung stattfindet, der i.d.R. ein technischer Laie ist oder sich über Internetrecherchen Halbwissen angeeignet hat. Neben dem erhöhten Beratungsaufwand, z.B. zur Materialauswahl, Aussehen und Funktion der Fenster und Verglasungen, übernehmen die ausführenden Firmen oft Planungsaufgaben und damit auch Haftungsrisiken, die vertraglich berücksichtigt werden sollten. Insbesondere durch die Vorgaben zur Mindestlüftung nach DIN 1946-6, zum Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 oder zum sommerlichen Wärmeschutz resultiert ein höherer Beratungsaufwand bei gleichzeitig geringer Auftragssumme, insbesondere bei Wohnungen oder kleinen Häusern (Reihenmittelhaus). Eine zusätzliche Vergütung dieser Leistungen ist rechtlich möglich, aber häufig schwer durchzusetzen.
10 Praxistipps für Kalkulation, Angebot und Ausführung
Bei einer Analyse der „Ist-Situation“ anhand von Schadensfällen der letzten 15 Jahren zeigten sich typische Aufgabenbereiche, die bei der Fenstermontage im Altbau im Vergleich zum Neubau zu beachten sind. Auf dieser Basis sind folgende Praxistipps füzu beachten:
- Genaue Details zum Untergrund und zur Fugenbreite können in der Angebotsphase meistens nicht erkannt werden und treten teilweise erst bei der Demontage der Altfenster zu Tage. Es sollte ein Standardfall kalkuliert und angeboten werden, anfallende notwendige Zusatzmaßnahmen dann als Alternativposition (z.B. Wiederherstellung von Putz, Leibung, aufwändige Befestigung etc.).
- Die Demontage der Bestandsfenster ist immer Bestandteil der Fenstersanierungsmaßnahme. Trotz des Abrisscharakters der Tätigkeit handelt es sich keinesfalls um einen Abriss! Der Ausbau der Fenster muss mit größtmöglicher Sorgfalt ausgeführt werden, um Beschädigungen an den angrenzenden Bauteilen und Oberflächen auszuschließen. Eine Reparatur von Beschädigungen ist bei Holztäfelung, Fliesen, Tapeten, Putzflächen oft nicht ohne optische Beeinträchtigung möglich. Gleichzeitig sind Staub und Schmutzanfall möglichst zu vermeiden, da die Maßnahme im möblierten und bewohnten Umfeld stattfindet.
- Die Eigentümer sind vorab zu informieren, wenn sich durch neue Fenster eine Verkleinerung der Glasflächen ergibt.
- Hinweis, dass mit dem Fenstertausch auch die energetische Sanierung angrenzender Bauteile sinnvoll bzw. bauphysikalisch notwendig ist, beispielsweise die nachträgliche Dämmung von Rollladenkästen oder die Fensterleibungen und dies mit dem Kunden abzustimmen ist.
- Die Fenstersanierung wird in bewohnten Einheiten ausgeführt; die Bewohner sind während der Ausführung häufig anwesend. Die Monteure müssen sich korrekt und sauber verhalten und haben auch ihrerseits keine „Privatsphäre“, wie sonst bei der Durchführung der Maßnahmen im Rohbau. Das soziale Umfeld während der Arbeiten, wie zum Beispiel Zustand der Wohnungen und die allgemeine Wohnsituation kann in Einzelfällen für die Monteure psychologisch bedrückend sein, so dass darüber auch im Betrieb gesprochen werden sollte. Das Arbeitsergebnis darf hierdurch aber nicht beeinträchtigt werden.
- Es ist zu prüfen, ob die Maßnahmen ohne Beeinträchtigung der Bewohner durchgeführt werden können. Bei der Fenstersanierung in größeren Mietobjekten ist die Zugänglichkeit zu organisieren und der zeitliche Ablauf der Maßnahme genau zu planen. Ebenso ist der Raumabschluss zu jedem Arbeitsende sicherzustellen (Temporäre Schließung der Fensteröffnung durch Folien, Platten etc.).
- Oft ist der Fenstermonteur der einzige Handwerker, der neben der Demontage der Altfenster und der Montage der Neufenster auch kleinere Reparaturarbeiten wie zum Beispiel Nachputzarbeiten durchführt. Hier sind echte „Allrounder“ gefragt!
- Die Befestigung des neuen (und oft schwereren) Fensters muss auch bei gestiegenen Fugenbreiten 100 % sicher halten.
- Die Abdichtungslagen müssen oft „in der Rahmenebene“ oder mit sehr stark reduzierten Haftbreiten ausgeführt werden, weil keine Putzarbeiten ausgeführt werden.
- Die Ausführung des Fenstertauschs erfordert im Allgemeinen neben den üblichen Fenstermontagewerkzeugen den Einsatz von leistungsstarken Absaugeinrichtungen, Montagefräsen für den Rückschnitt der alten Schlaudern/Krallen oder Bandsägen für das Beschneiden der alten Blendrahmen.
Fenstertausch ist ein verlässliches Geschäft
Die energetische Modernisierung der Gebäudehülle, insbesondere der Fenster, Türen und Fassaden, ist attraktiv, weil sie relativ stabil gegenüber kurzfristigen Konjunkturschwankungen ist und Aufträge für die nächsten 10 bis 20 Jahre sichert. Allerdings erfordert der Fenstertausch gute und speziell geschulte Mitarbeiter sowohl in der Kundenakquise, im Aufmaß, bei der Montageplanung sowie bei der Ausführung der Maßnahmen. Hierzu bieten der VFF und das ift Rosenheim den Unternehmen hierfür eine ganze Palette von Unterstützungen an:
- Montageleitfaden mit einer Vielzahl von Praxishilfen zur Planung (inkl. baurechtlicher Nachweise) sowie der Ausführung von Abdichtung, Befestigung.
- ift-Montageplaner zur Planung und Berechnung der bauphysikalischen Anforderungen (fRSI-Faktor) und Befestigung.
- Weiterbildung zur ift-Montagefachkraft, zum Projektleiter sowie Seminare zu praktischen und aktuellen Problemen.
- Einen Überblick über die Fördermittel und deren einfache Nutzung (Antrag) bietet der VFF-Fördermittelassistent (www.fenster-können-mehr.de/foerdermittel-assistent)
Zur weiteren Unterstützung und Förderung hat das ift Rosenheim nun auch einen Arbeitskreis gegründet, in dem innovative und praxistaugliche Montagesysteme und -techniken für die Bestandsanierung entwickelt werden sollen, bei dem interessierte Fachfirmen sich beteiligen können. Neben Recherchen zum „Status quo“ werden innovative Varianten zum Fenstertausch untersucht und deren Chancen und Risiken aufgezeigt. Es wird ein Forschungsprojekt zu diesem Thema beantragt, dessen Ergebnisse – die neuen Erkenntnisse, Anforderungen und Hinweise zur fachgerechten Ausführung der Fenstermontage im Bestand – dann allen Bauschaffenden zur Verfügung stehen werden.