Behaglichkeit: Glas, Fenster und Sonnenschutz optimal abstimmen
Ein wesentliches Ziel energieeffizienter Bauten ist es, den Nutzern ein behagliches Raumklima zu bieten. Dazu ist die Vermeidung von spürbarem Strahlungswärmeentzug, Zugerscheinungen und Fußkälte wichtig. Es ist hierbei entscheidend, die Differenz zwischen der Temperatur den einzelnen Raumumschließungsflächen sowie der operativen Raumtemperatur zu begrenzen. Die operative Raumtemperatur, auch empfundene Raumtemperatur genannt, ist das Mittel aus der Lufttemperatur und der Temperatur der raumumschließenden Flächen.
Solange die Temperaturen der raumumschließenden Flächen in einem behaglichen Bereich liegen, kommt es weder zu weder zu störender Strahlungstemperaturasymmetrie noch zu unbehaglichem Strahlungswärmeentzug. Ebenso nimmt eine Begrenzung der Temperaturdifferenzen einer unbehaglichen Kaltluftwalze den Antrieb, Zugerscheinungen und Fußkälte werden vermieden. Die Fachliteratur stellt fest, dass die genannten Effekte eintreten, sobald die Temperatur einzelner Raumumschließungsflächen weniger als 4,2 K unter der operativen Raumtemperatur liegt.
Damit lautet die Behaglichkeitsanforderung θsi ≥ θop - 4,2 K
Aus dieser Anforderung lässt sich der minimale Wärmedurchgangskoeffizient eines Bauteils direkt berechnen:
Wird die operative Raumtemperatur θop mit 22°C und die Außentemperatur θa mit –16°C angesetzt, ergibt sich bei einem inneren Wärmeübergangswiderstand RSi = 0,13 (m²K)/W das bekannte, seit über einer Dekade eingeführte Passivhaus Behaglichkeitskriterium UW, eingebaut ≤ 0,85 W/(m²K).
Gelingt es nicht, diesen Wert zu erreichen, muss eine Wärmequelle unterhalb des Fensters vorgesehen werden, um so den störenden Kaltluftabfall und den Strahlungswärmeentzug zu unterbinden und die gewünschte Behaglichkeit zu erreichen.
Der U-Wert muss angemessen sein
Wie die Formel zeigt, ist der maximale U-Wert des Bauteils von der Außentemperatur und damit vom lokalen Klima abhängig. In Abbildung 1 ist die Behaglichkeitsanforderung an den Wärmedurchgangskoeffizienten grafisch dargestellt. Die Karte zeigt die höchsten Anforderungen im Norden und Nordosten Europas.
Dort ist es am kältesten und auch die Heizperiode ist am längsten. Im Extremfall wird es im Kernwinter nicht richtig hell, in dieser Zeit gibt es keine solaren Gewinne. In diesen Breiten ist es auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, kleine Fenster zu wählen.
Gleiches gilt, wenn auch aus dem genau umgekehrten Grund, im Mittelmeerraum. Dort können die U-Werte hoch bleiben, das solare Angebot ist aber so hoch, dass es leicht zu Überhitzungen kommen kann.
Dies kann verhindert werden durch Verschattung, Sonnenschutzglas, durch Reduktion der Fenstergrößen sowie durch Verglasungen, die einen deutlich niedrigeren U-Wert aufweisen, als durch das Behaglichkeitskriterium gefordert ist.
In den verschiedenen Regionen Europas sind unterschiedliche Verglasungen notwendig, um in Verbindung mit einem an das Glas angepassten Rahmen und einer optimierten Einbausituation das Behaglichkeitskriterium zu erreichen.
Es zeigt sich, dass in Europa im Wesentlichen 3-fach-Isolierglas eingesetzt werden sollte, im Norden und Nordosten wird sogar 4-fach-Glas benötigt. Nur rund um das Mittelmeer und im milden, durch den Golfstrom beeinflussten Atlantikklima, reicht 2-fach-ISO aus.
Ökonomisch optimierte Fenster
Behaglichkeit ist ein wichtiger Aspekt für den Gebäudenutzer. In den meisten Fällen wird jedoch die Ökonomie den Ausschlag bei der Entscheidung geben, welche Fenster eingebaut werden.
Um zu klären, welches Fenster in welcher Region Europas das ökonomische Optimum aus Investitions- und Energiekosten über den Lebenszyklus hinweg darstellt, hat das Passivhaus Institut gemeinsam mit Pazen Fenster und Technik eine Studie mit den Produkten unterschiedlicher thermischer Qualität aus dem Hause Pazen erstellt. Mit dem Holz-Alu Passivhausfenster „arctis“ halbiert sich der Heizwärmebedarf des Gebäudes im Vergleich zu dem mit 2-fach verglasten Fenster. Jedoch ist es nicht unbedingt erstrebenswert oder wirtschaftlich, den Energiebedarf eines Gebäudes deutlich unter Passivhaus-Niveau zu drücken.
Sinnvoller kann es sein, durch verbesserte Fenster Spielräume zu schaffen, um etwa die Dämmstärke zu reduzieren, und dennoch den Passivhaus-Standard zu erreichen. Dabei wurde in der Studie mit Resolschaum ein sehr guter Dämmstoff mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,022 W/(m²K) gewählt.
Erstaunlich ist, dass mit dem 4-fach-verglasten Fenster dann eine Wärmedämmung von 8,5cm Dicke ausreicht. Verbesserte Fenster bedeuten also eine größere Wahlfreiheit bei der Wandkonstruktion. Auch einschalige Wände aus Porenbeton oder Dämmziegeln werden auf diese Weise realisierbar.
Ökonomisches Optimum in den Regionen Europas
Wichtig für die Wirtschaftlichkeit eines Fensters sind nicht nur die Investitionskosten zu Beginn der Nutzungsphase, sondern auch die während der Nutzung entstehenden Aufwendungen.
Hier entscheiden in besonderem Maße die thermischen Qualitäten, die sich über den Wärmeverlust und die Wärmegewinne definieren. Daraus ergibt sich eine Abhängigkeit der Wirtschaftlichkeit in Bezug auf den Standort des Gebäudes und der Orientierung des Fensters. Weiterhin haben die Nutzungsdauer des Fensters, der Energiepreis sowie der Realzins einen Einfluss.
Welches der Fenster das ökonomische Optimum aus Sicht der Investitions- und Energiekosten über die Nutzungszeit in welcher Region ist, wurde in der oben genannten Studie ermittelt.
Dabei wurden zwei unterschiedliche Gebäudetypen gewählt: Ein in Südrichtung orientiertes Reihendendhaus Typ „Kranichstein“ und ein innerstädtisches, in Ost-Westrichtung orientiertes Mehrfamilienhaus Typ „Limburger“ mit verhältnismäßig kleinen Fenstern und hoher Verschattung. Der Referenzfall „Kranichstein“ ist das 3-fach verglaste Fenster von Frankreich und Irland bis nach Skandinavien stark verbreitet. Dabei hilft der gute Rahmen gegen die Hitze und das 3-fach-Isolierglas reduziert aufgrund des geringeren g-Werts gegenüber 2-fach-Glas die solaren Lasten.
2-fach verglaste Fenster kommen auch in Bereichen vor, in denen das Behaglichkeitskriterium eine höhere Qualität fordert. Dies liegt am besseren g-Wert und den damit höheren Solargewinnen von 2-fach-ISO. Hier ist anzumerken, dass die jeweils beste Verschattung gewählt wurde, unabhängig von deren Kosten. Unter Einbeziehung der Kosten von Verschattungen würde 3-fach-Glas mit dem niedrigeren g-Wert (und damit niedrigeren Kühllasten) eine noch weitere Verbreitung im südlichen Europa finden.
Beim Typ „Kranichstein“ können die großen Südfenster auch in Skandinavien noch Sonne ernten. Dabei hilft der bessere g-Wert des 3-fach-Glases gegenüber 4-fach-ISO.
Allerdings: Mit diesen großen Fenstern ist das funktionale Passivhaus in weiten Teilen Skandinaviens nicht mehr das ökonomische Optimum. Wer dort ein Passivhaus bauen (und auch dem Behaglichkeitskriterium entsprechen) will, ist gut beraten, auf etwas kleinere, dafür 4-fach verglaste Fenster zurückzugreifen.
Beim Typ „Limburger“ wird deutlich: Die Fenster sind hier kleiner, das Solarangebot insgesamt niedriger: Das funktionale Passivhaus stellt damit überall das ökonomische Optimum dar. 4-fach-Isolierglas ist jedoch selbst beim aktuellen Preisniveau deutlich weiter verbreitet, als das Behaglichkeitskriterium vorgibt.
Fenster und Verglasung
Fenster prägen das Erscheinungsbild eines Gebäude wie kein anderes Bauteil. Ihren Zweck können sie aber nur optimal erfüllen, wenn alle Komponenten aufeinander abgestimmt sind.
Isoliergläser: Bei aktuellen 3-fach-Isoliergläsern sorgen Metallbeschichtungen auf den Basisgläsern und eine Füllung im SZR mit Edelgas (Argon) dafür, dass der Wärmeverlust stark sinkt, während sich der g-Wert, also der Anteil der durchgelassenen Solarenergie, nur mäßig reduziert. So wird bei 3-fach-Glas ein Netto-Energiegewinn im mitteleuropäischen Winter möglich und das Glas wird zur Gebäudeheizung.
Der U-Wert des Glases ist auch vom Scheibenabstand abhängig. Bei einer Argon-Füllung liegt das Optimum bei 18 mm je Scheibenzwischenraum. Solche Gläser werden seit Jahren von vielen Herstellern von Passivhausfenstern eingesetzt. Jedoch sind nicht alle Fensterrahmen zur Aufnahme solch dicker Gläser geeignet – Verbesserungsbedarf gibt es hier gerade bei den Kunststofffenstern. Bei aktuellen Isoliergläsern sollte der g-Wert optimalerweise größer sein als der Ug-Wert.
Glasrandverbund: Der Einsatz von Edelgasen in den Scheibenzwischenräumen bedingt eine möglichst gasdichte Verbindung der Gläser, die diese gleichzeitig auf Distanz halten soll.
In vielen Ländern Europas werden Abstandhalter auch heute noch häufig aus stark wärmeleitendem Aluminium hergestellt und mittels Bitumendichtmasse mit den Gläsern verklebt. So entsteht am Glasrand eine Wärmebrücke, über die viel Wärme verloren geht und am Glasrand zu unerwünschtem Temperaturabfall führt. Kondensat und die Bildung von Schimmel am Falzrand bzw. an der raumseitigen Falzinnenkante des Fensters können die Folge sein.
Das Ziel bei Passivhausfenstern ist es, die Forderung nach fRsi=0,25 (m²K)/W ≥ 0,70 aus DIN 4108-2 auch bei Fenstern zu erreichen. Damit ist eine Schimmelfreiheit unter normalen Innenraumklimabedingungen garantiert. Dazu werden „Warme-Kante“ Abstandhalter benötigt. Bei großem Glaseinstand können Abstandhalter aus weniger leitfähigem, dünnem Edelstahl die Anforderungen erfüllen. Die Wahl sollte jedoch auf Abstandhalter aus Kunststoff fallen.
Die statische Funktion übernimmt hier ein Korpus aus glasfaserverstärktem Kunststoff, auf den als Gasdichtung eine Metallfolie oder eine metallbedampfte Kunststofffolie aufgebracht wird. Solche thermisch verbesserten Abstandhalter sind teurer als der Standard-Spacer.
Demgegenüber stehen die Kosteneinsparungen über den Nutzungszeitraum des Fenster-Produktes. Es zeigt sich: Auch hier lohnt sich für den Nutzer die Investition in höhere Effizienz.
Fensterrahmen: Eine geringe Rahmenansichtsbreite wirkt sich durch den entsprechend höheren Glasanteil positiv auf den U-Wert und die Solargewinne aus. Ein hochwärmegedämmter Passivhaus-Fensterrahmen ist gegenüber konventionellen Rahmen in der Investition in der Regel teurer, in der Lebenszyklusbetrachtung kann sich dies aber umkehren. Häufig werden oft thermisch suboptimale Rahmen mit sehr guten Gläsern kombiniert, um die geforderten UW-Werte zu erreichen.
Gerade bei kleinen Häusern ist es jedoch oftmals so, dass sich die Anforderungen an den Jahresheizwärmebedarf von Passivhäusern nur mit einer Kombination aus sehr guten Fensterrahmen und sehr guten Gläsern erreichen lassen.
Darüber hinaus schafft der bessere Rahmen weitere Freiheiten bei der Planung und Umsetzung des Bauwerks, wie etwa eine dünnere Dämmung oder ein größeres A/V-Verhältnis.
Wie sollte der Rahmen aussehen?
Die Dämmung sollte in einer Ebene mit dem Glas angeordnet sein, dies vermeidet geometrische Wärmebrücken innerhalb des Rahmens. Der Glasrand sollte möglichst beidseitig mit Dämmstoff eingefasst sein, um die Glasrandwärmebrücke abzumildern. Auch ein hoher Glaseinstand ist von Vorteil, dies hat jedoch meist eine Erhöhung der Rahmenansichtsbreite und damit geringere Solargewinne zur Folge.
Eine große Bedeutung haben Luftschlitze im Rahmen. Einer davon ist der sogenannte Glasfalz, der Bereich zwischen dem Rahmen und dem Glas. Er wird benötigt, um Fertigungstoleranzen auszugleichen und um eventuell eindringende Feuchtigkeit abzuführen. Die kalte Außenseite des Falzes steht mit der warmen Seite im Strahlungsaustausch. Hohe Verluste sind die Folge.
Eine eingeschobene, diffusionsoffene Dämmschnur schafft hier Abhilfe. Gleiches gilt für den Rahmenfalz, die Stelle, an der Flügel- und Blendrahmen ineinandergreifen. Dieser Bereich sollte wiederum wegen des Strahlungsaustausches in Stufen ausgeführt sein.
Einbauwärmebrücke Ψ-Einbau
Durch eine sehr weitgehende Überdämmung des Rahmens lassen sich im Einzelfall sogar negative Wärmebrückenverlustkoeffizienten erreichen. Zu beachten ist, dass die Einbauwärmebrücke rund um das Fenster in aller Regel nicht gleich ist.
Der Anschluss an die Brüstung weist durch die Fensterbank einen höheren Einbau-Wärmebrückenverlustkoeffizienten auf, da hier das Niederschlagswasser aus dem Rahmenfalz abgeführt werden muss und der Rahmen darum weniger überdämmt werden kann. Gleiches gilt für den Anschluss an den Sturz, wenn ein Jalousie- oder Rollladenkasten in der Dämm- oder Konstruktionsebene vorhanden ist.
Einen nur geringen Effekt hat die Überdämmung von Alu-Profilen: Das Aluminium „leitet die Kälte“ von der Außenluft bis zum Ende des Profils. Dort herrschen dann annähernd die gleichen Temperaturen wie außen, die Überdämmung ist damit fast wirkungslos.
Von großer Bedeutung ist zudem die Lage des Fensters in der Dämmebene. Thermisch optimal ist die Mitte der Dämmung. Ein guter Kompromiss aus Praxistauglichkeit und thermischem Optimum ist im Massivbau der Einbau direkt vor der konstruktiven Ebene. Absolut kontraproduktiv wirkt sich hingegen ein innenwandbündiger Einbau aus.
In der bisherigen Betrachtung nicht berücksichtigt wurde die Verschattungswirkung der Laibung. Dies spricht, gerade bei kleinen Fenstern, für den Einbau in der äußeren Hälfte der Dämmebene.
Sonnenschutz
Wer heute ein Fenster ganzheitlich denkt, kommt am Sonnenschutz bzw. einer Verschattungsmöglichkeit nicht vorbei. Dabei sind Rollläden oder außen liegende Jalousien zwar ein erprobtes und zielführendes Mittel, welches jedoch häufig wegen hoher Einbauwärmebrücken, hoher Kosten und Gewerke-Schnittstellen für verbesserungswürdige Lösungen steht.
Sonnenschutzverglasungen sind häufig aufgrund der geringeren Energiegewinne im Winter keine probate Lösung. Schaltbare Gläser sind aktuell noch sehr teuer. Und innen liegende Verschattungen sind viel weniger wirkungsvoll, da die Energie bereits im Gebäude ist, bevor sie auf den Sonnenschutz trifft.
Eine interessante Alternative ist die scheibenintegrierte Verschattung im Inneren von Isoliergläsern. Handelt es sich dabei um eine Verschattung in einem Luftzwischenraum, also zwischen einem 3-fach-ISO und einer separaten vierten äußeren Scheibe, ist das Lamellenpaket witterungsgeschützt, leicht zu warten, preiswert und die zusätzliche Scheibe bedeutet einen weiter verbesserten Wärmeschutz. Solchen Systemen wird künftig ein großes Potenzial beigemessen.
Dieser Beitrag von Dr. Benjamin Krick ist zuerst erschienen in Glaswelt 12/2019. Dr. Benjamin Krick ist Mitarbeiter des Passivhaus Instituts.