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Was Sie über gefährliche Rückströme zwischen den Strings wissen müssen

Matthias Diehl
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In der letzten Zeit haben sich die Fragen gehäuft, warum man manchmal bei abgeschaltetem Wechselrichter plötzlich einen Lichtbogen zieht, wenn man die DC-Stecker vom Wechselrichter trennt. Da mir das selbst auch schon passiert ist und wir den Grund dafür recht schnell gefunden haben, möchte ich darüber berichten.

Bei Wiederholungsprüfungen an Photovoltaikanlagen oder im Fall einer Fehlersuche werden oft alle Stränge von den Wechselrichtern getrennt, um diese dann einzeln zu messen. Meist mit einem Gerät, das in einem Messvorgang die Leerlaufspannung, den Kurzschlussstrom und den Isolationswiderstand des jeweiligen Modulstranges misst.

Sorgfalt schützt Leib und Leben

Macht man es richtig, wird vor dem Trennen der DC-Leitungen an jedem Modulstrang mit einer Stromzange geprüft, ob noch ein Gleichstrom fließt. Erst wenn durch diese Prüfung sichergestellt ist, dass die Leitungen stromlos sind, können die DC-Stecker von den Wechselrichtern getrennt werden.

Doch Hand aufs Herz, wer macht das schon jedes Mal so sorgfältig? Oft wird im Eifer des Gefechts schnell mal der DC-Stecker gezogen. In einigen Fällen zieht man einen gewaltigen Lichtbogen.

Messung des Stromflusses am DC-Eingang des Wechselrichters.

Lichtbogen zerstört die Kontakte

Das ist in aller Regel nicht nur mit einem ordentlichen Schrecken verbunden, es kann auch gefährlich werden. Wenn man zum Beispiel bei einem schlecht zugänglichen Wechselrichter gerade auf der Leiter steht.

Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die Qualität der DC-Steckkontakte. Diese sollten nach einem größeren Lichtbogen sicherheitshalber ausgetauscht werden. Denn es kann nicht mehr sichergestellt werden, dass danach die Verbindung genauso niederohmig ist wie vorher. Bei Einbausteckern in den Wechselrichtern ist das natürlich mit größerem Aufwand ­verbunden.

Im ungünstigsten Fall muss der Wechselrichter zur Reparatur geschickt werden. Das macht natürlich kein Mensch. In der Praxis kommt es durch solche Ereignisse vor, dass Steckverbinder an den Wechselrichtern überhitzen und sich irgendwann überhaupt nicht mehr öffnen lassen.

Zuerst prüfen, ob noch Strom fließt

Lange Vorrede, kurzer Sinn: Bitte messt grundsätzlich die DC-Ströme und stellt sicher, dass keiner fließt, bevor ihr an den Steckern zieht! Doch nun zu der eigentlichen Frage: Warum fließt bei abgeschaltetem DC-Schalter am Wechselrichter überhaupt noch ein Strom?

Bevor man einen DC-Stecker am Wechselrichter zieht, sollte man immer zuerst mit einer Stromzange prüfen, ob der Strang stromlos ist. Die Antwort ist denkbar einfach: Am Wechselrichter wurden mehrere Stränge parallel geschaltet. Der DC-Schalter am Wechselrichter trennt diese Parallelschaltung nicht auf.

Die Parallelschaltung der Stränge liegt also vor dem Schalter. Bei der ­Parallelschaltung von vielen Strängen in einem Gleichstromanschlusskasten tritt dieses Problem ebenfalls auf. In Gleichstromanschlusskästen gibt es aber in aller Regel Strangsicherungen, die dann meist ausgelöst haben. Doch nun zu der Frage, wo der Stromfluss überhaupt herkommt.

Ausgleichsströme zwischen den Strängen

Es handelt sich um Ausgleichsströme zwischen den Modulsträngen. Sie entstehen dadurch, dass zwei Stränge eine unterschiedliche Spannung aufweisen. Dafür gibt es zahlreiche Gründe:

  • Einer der beiden Stränge ist teilweise verschattet. In diesem Fall ist die Spannungsdifferenz eher gering. Denn die Spannung hängt von der Einstrahlung über eine logarithmische Funktion ab. Es fließt ein entsprechend kleiner Strom.
  • In den beiden parallel geschalteten Strängen wurde eine unterschiedliche Modulanzahl verbaut. Je nachdem, wie stark sich die Stranglängen unterscheiden, können erhebliche Ausgleichsströme fließen.
  • In einem der beiden Modulstränge gibt es Module mit defekten, kurzgeschlossenen Bypassdioden oder offene Zellverbinder, sodass von der Spannung eines oder mehrerer Module jeweils ein Drittel fehlt.
  • Einer der beiden Modulstränge wurde verpolt angeschlossen. Das ist der schlimmste Fall. Dann sind die beiden Modulstränge nämlich nicht parallel, sondern in Reihe geschaltet. Die treibende Spannung ist nicht mehr die Spannungsdifferenz der beiden Stränge, sondern die Summe der beiden Leerlaufspannungen der einzelnen Stränge.

Welcher Stromfluss ist tolerierbar?

Zunächst sei angemerkt, dass die Ströme in größeren Photovoltaikanlagen in den seltensten Fällen exakt null Ampere betragen. Durch leicht unterschiedliche Einstrahlungen auf beide Stränge fließt oft ein kleiner Strom von 100 bis 200 Milliampere. Dies deutet auf keine allzu große Spannungsdifferenz hin. Die Stecker können gefahrlos getrennt werden.

Liegt der Strom allerdings bei einem Ampere, ist Vorsicht geboten. Beim Ziehen der Stecker kann ein Lichtbogen entstehen. Als Beispiel sei gesagt, dass bereits bei einem Modul weniger in einem der beiden Stränge Ströme um die 1,5 bis zwei Ampere völlig normal sind.

Fließt ein Strom in dieser Größe, muss man den DC-Stecker gesteckt lassen. Erst wenn die Einstrahlung geringer ist und der Strom nur noch bei 100 bis 200 Milliampere liegt, kann der Stecker gefahrlos gezogen werden.

Verschiedene Rückströme am DC-Eingang des Inverters. Sie hängen unter anderem von der Zahl der Module im String ab.

Fehlersuche ist angesagt

Im nächsten Schritt ist Fehlersuche angesagt. Man muss herausfinden, wo die beiden parallel geschalteten Modulstränge im Feld liegen. Anschließend muss man dafür sorgen, dass beide Stränge die gleiche Spannung liefern.

Bei Neuanlagen kommen solche Fehler übrigens häufiger vor. Es ist schnell passiert, dass ein Modul, das eigentlich noch zu Strang eins gehört, plötzlich in Strang zwei landet. In diesem Fall hat Strang eins ein Modul zu wenig, Strang zwei eines zu viel. Die Folge: Die Spannungsdifferenz der beiden Stränge entspricht der Spannung von zwei Modulen.

Bei Altanlagen sind größere Ausgleichsströme immer mit Fehlern in einem der beiden Stränge verbunden. Das können zum Beispiel kurzgeschlossene Bypassdioden sein. Es kommt aber auch vor, dass Serviceteams Module mit Glasbruch aus dem Strang nehmen und wenn Ersatz noch nicht vor Ort ist, einfach das fehlende Modul überbrücken.

Ausgleichsströme bestimmen

Zum Schluss möchte ich noch einen Trick verraten, wie man ganz einfach herleiten kann, wie groß die jeweils fließenden Ausgleichsströme sind. Dafür benötigt man lediglich die Kennlinien der beiden Einzelstränge.

Macht man einen Spannungsumlauf (Kirchhoffsche Maschenregel), wird sofort klar, dass an den Klemmen beider Solarmodule die gleiche Spannung anliegen muss. Diese wird durch das Parallelschalten sozusagen eingeprägt.

Falls es zu einem Ausgleichsstrom kommt, fließt dieser Strom entweder von Strang eins in Strang zwei oder von Strang zwei nach Strang eins. Es ist auf jeden Fall klar, dass die Ströme in Strang eins und Strang zwei gleich groß sein müssen, da der DC-Schalter zum Wechselrichter hin abgeschaltet ist.

Den Arbeitspunkt grafisch ermitteln

Wenn ein Strom fließt, kann er nur zwischen den beiden Strängen fließen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wenn ich nun zwei Modulstränge ­habe, deren Spannungen exakt gleich und deren Ströme gleich groß, aber mit unterschiedlichem Vorzeichen sind, kann ich den sich einstellenden Arbeitspunkt ermitteln, indem ich beide Kennlinien in ein Strom-Spannungs-­Diagramm eintrage.

Der Arbeitspunkt ist der Punkt auf der Kennlinie beider Stränge, der sich nach der Parallelschaltung einstellt. Also Strom und Spannung, die man messen kann, wenn beide Stränge parallel geschaltet sind.

Zur Ermittlung des Arbeitspunktes bei parallelen Modulsträngen kann man die Kennlinien der beiden Einzelstränge in ein Diagramm einzeichnen. Dazu muss eine Kennlinie an der Spannungsachse gespiegelt werden. Auf diese Weise lässt sich der Arbeitspunkt grafisch ermitteln.

Plus und Minus beachten

Wer sich fragt, warum eine der beiden Kennlinien an der Spannungsachse (x-Achse) gespiegelt wurde, der sei auf den oben erwähnten Hinweis verwiesen: Wenn ein Ausgleichsstrom fließt, muss dieser in einem Strang stets das entgegengesetzte Vorzeichen haben wie im anderen. Strom eins ist minus Strom zwei.

Dies erreicht man grafisch, indem man einfach die Kennlinie des Stranges, dessen Strom negativ wird (der Strang mit der geringeren Spannung) an der Spannungsachse (x-Achse) spiegelt. Der Schnittpunkt beider Kennlinien markiert den sich einstellenden Arbeitspunkt.

Ströme können recht groß werden

Man sieht an der Darstellung beider Kennlinien direkt, dass dieser Strom schon bei kleinen Spannungsunterschieden recht groß werden kann. Geht man davon aus, dass die Leerlaufspannung bei modernen Modulen rund 20 Prozent über der MPP-Spannung liegt, ergibt sich bei einem Strang mit 20 Modulen bei einem Unterschied von zwei Modulen ein Ausgleichsstrom in der Größenordnung des Nennstroms der Module. Je besser die Module sind und je höher der Füllfaktor ihrer Kennlinie ist, desto größer ist der entstehende Ausgleichsstrom.

Schaut man sich den resultierenden Ausgleichsstrom an, wenn einer der beiden parallelen Stränge verschattet ist, dann sieht man, dass dieser Strom wesentlich geringer ist.

Pfeile auf Stromzangen beachten

Wenn man in einer Anlage die einzelnen Stränge messen möchte und zu diesem Zweck die DC-Stecker von den Wechselrichtern trennen will, muss man immer zuerst den Wechselrichter abschalten und danach die Ströme messen. Fließt noch ein größerer Strom, deutet das bereits auf einen Fehler im Strang hin, in dem der Strom negativ ist.

Um dies zu erkennen, ist es notwendig, das Vorzeichen des Ausgleichsstromes zu beachten. DC-Stromzangen haben immer einen kleinen Pfeil, der angibt, in welche Richtung man die positive Stromrichtung misst. Dreht man die Stromzange um 180 Grad, wird die Anzeige invertiert.

Verschiedene Methoden bieten sich an

Der Strang muss dann im Feld gefunden werden, um den Fehler zu ­beseitigen. Das kann man mit Thermografie, mit unserem PV-Tector oder mit Elektrolumineszenz machen. Oder natürlich mit einem korrekten Strangplan.

Dann muss der Fehler in diesem Strang gefunden werden. Tagsüber ist Thermografie die beste Methode. Wer sich intensiver mit der Fehlersuche an Photovoltaikanlagen beschäftigen möchte, sei auf unsere regelmäßig stattfindenden Seminare zu diesem Thema verwiesen: https://photovoltaikbuero.de/pvtraining/

Über das Photovoltaikbüro

Tina Ternus und Matthias Diehl veröffentlichen seit 2008 regelmäßig Fachbeiträge rund um die Photovoltaik. Tina Ternus beschäftigt sich vor allem mit politischen Themen und dem EEG, Matthias Diehl schreibt in erster Linie über technische Sachverhalte.

Seit Anfang 2013 ist er öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Photovoltaik und photovoltaische Anlagentechnik. Sein Schwerpunkt ist die Fehlersuche, um Probleme mit möglichst geringem Aufwand zu erkennen.

Dazu hat er spezielle Messtechnik entwickelt (PV-Serve, PV-Tector und PV-Vision) und bietet regelmäßig Seminare und Webinare zur effizienten Fehlersuche an.

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