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Stabilität durch Dezentralisierung: Wie das Stromnetz durch den (Fast-)Blackout kam

Als es im Januar 2021 zur massivsten Störung im europäischen Stromversorgungssystem seit fast 15 Jahren kam, merkten die Verbraucher in Deutschland davon kaum etwas. Ein wesentlicher Grund für die Resilienz speziell des deutschen Netzes ist sein zunehmend dezentraler Aufbau. Heterogene Energiequellen und Speichertechnologien können in einer solchen Struktur Spannungs- und Frequenzschwankungen kleinteilig ausgleichen – und damit zur Netzstabilität beitragen.

Die gute Nachricht vorweg: Ein „echter“ Blackout blieb Europa am 8. Januar 2021 erspart. Trotzdem musste der Wiener Flughafen seine Notstromversorgung auslösen. In Frankreich und Italien wurden mehrere große Industriebetriebe vorsorglich vom Netz genommen. Was war passiert?

Offenbar hatte eine Verkettung von mehreren (bisher nicht im Detail bekannten) Ereignissen im rumänischen Versorgungsnetz eine so massive Störung verursacht, dass das europäische Netz zum Eigenschutz des Systems aufgetrennt wurde. In der Folge kam es um 13:04:55 Uhr (MEZ) im nordwesteuropäischen Höchstspannungsnetz (ENTSO-E) zu einem deutlichen Frequenzeinbruch: Innerhalb von 14 Sekunden fiel die Frequenz von 50,027 auf 49,742 Hertz (Hz) und damit unter den Grenzwert von 49,8 Hz. Gleichzeitig stieg die Frequenz im südosteuropäischen Netzteil durch den Leistungsüberschuss auf bis zu 50,6 Hz. Erst durch entsprechende definierte Gegenmaßnahmen, etwa durch die Einspeisung positiver Regelenergie in den unterdeckten Netzbereichen, gelang es Netz- und Kraftwerksbetreibern, die Sollfrequenz nach einigen Sekunden wieder zu stabilisieren – und damit weitere Kaskadeneffekte zu verhindern.

Energiewende und dezentrale Strukturen

Auch wenn die möglichen Ursachen für diese massive Störung noch nicht abschließend geklärt sind, steht doch eines fest: Sie hat sich in einer Netzstruktur ereignet, die sich in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend gewandelt hat und die sich weiter verändern wird.

Früher basierte die Stromerzeugung auf einem reinen Wechselspannungssystem mit einseitigen Energieflüssen: Zentrale Kraftwerke produzierten elektrischen Strom, der in eine Richtung zu den Lastzentren und weiter zu den Verbrauchern floss. Heute hingegen bietet sich ein deutlich komplexeres Bild: So geht der unumkehrbare Trend zu dezentralen Energiesystemen. Nach den aktuellen Zahlen des Umweltbundesamts (Stand: 18. Dezember 2020) stieg der Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Stromsektor von 37,8 Prozent im Jahr 2018 im Folgejahr auf 42,0 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Insgesamt wurden im Jahr 2019 etwa 242,4 Mrd. kWh Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt. Dies waren 17,9 Mrd. kWh mehr als im Vorjahr (+8 Prozent).

Regenerative Energiequellen aber beeinflussen die Netzqualität, etwa durch Netzrückwirkungen von Photovoltaik-Anlagen. Gleiches gilt auf Verbraucherseite für moderne Leistungselektronik wie beispielsweise Frequenzumrichter oder energiesparende Haushaltsgeräte. Und nicht zuletzt bringt die Elektromobilität neue potenzielle Störfaktoren mit sich, zum Beispiel durch das Risiko von Überlast-Situationen während besonders gefragter Ladezeiten.

Dennoch müssen die Stromnetze heute und auch in Zukunft mindestens dieselbe hohe Verfügbarkeit bzw. Ausfallsicherheit bieten wie bisher. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an die Versorgungsqualität bzw. Power Quality (PQ) mit zunehmend komplexeren Prozessen und dem steigenden Einsatz sensibler elektronischer Geräte eher noch. Denn typische Probleme wie Abweichung der Versorgungsspannung, Oberschwingungen, Spannungseinbrüche oder transiente Störungen können erhebliche Schäden verursachen. Die Netzbetreiber sind damit in mehrfacher Hinsicht gefordert, diese hohen Ansprüche auf allen Spannungsebenen dauerhaft zu gewährleisten.

Speichertechnologien stabilisieren Netze

Energiespeicher spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, weil sie elektrische Energie aus Erzeugungsspitzen zwischenspeichern und später wieder abgeben können. Die zu übertragende Leistung und dementsprechend auch die Netzauslastung bleiben damit immer konstant. Diese Fähigkeit, fluktuierende Energieeinspeisungen auszugleichen, ist keineswegs nur im Hinblick auf die Nutzung regenerativer Energiequellen interessant. Vielmehr können Energiespeicher durch ihre charakteristischen Stärken einen wesentlichen Beitrag zur Netzstabilität insgesamt leisten.

Besondere Vorteile bieten dabei Batteriespeicher, denn anders als andere Speichertechnologien oder Kraftwerke sind sie in wenigen Millisekunden unter Volllast einsatzbereit. Wie nicht zuletzt das aktuelle Beispiel gezeigt hat, signalisiert eine Abweichung der Netzfrequenz vom Nennwert (50 Hz) eine dynamische Differenz zwischen Energieerzeugung und aktueller Last. Batteriespeicher können in einem solchen Fall Regelenergie – bis zum Anlaufen der Kraftwerke für die Primärregelung – praktisch unverzögert, dezentral und mit ausreichender Leistung zur Verfügung stellen. Selbst die Dämpfung von kurzfristigen Oszillationen im Sekundenbereich ist damit möglich.

Batteriespeicher bewährt sich im Ernstfall

Ein solcher Batteriespeicher ist Siemens Energy Storage (Siestorage). Die modular aufgebaute Lösung kombiniert moderne Leistungselektronik für Netzanwendungen mit Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien und kann bei einer Kapazität von etwa 2 MWh bis über 8 MW Leistung liefern. Zusätzlich zu seiner Funktion als Speicher ist das System in der Lage, über die integrierten Umrichter Blindleistung zu kompensieren und so Spannungsschwankungen auszugleichen.

Was das in der Praxis bedeutet, zeigt ein Blick ins nordbayerische Wunsiedel. Im Rahmen einer Technologiepartnerschaft erproben dort Siemens und der örtliche Energieversorger SWW Wunsiedel GmbH seit 2018 neue Möglichkeiten für eine zukunftsfähige dezentrale Energieversorgung. Dabei kommt auch ein Siestorage mit einer Leistung von 8,4 MW zum Einsatz. Als Besonderheit ist der Speicher über die offene IoT-Plattform MindSphere an ein cloudbasiertes Monitoringsystem angebunden. Dieses ermöglicht es, große Datenmengen in Echtzeit zu erfassen, auszuwerten und miteinander zu vergleichen.

So ließ sich quasi in Echtzeit mit- und nachverfolgen, wie der europaweite Frequenzeinbruch in Wunsiedel ankam. Und wie er durch den Batteriespeicher vor Ort neutralisiert werden konnte: Die senkrechte Linie markiert den Zeitpunkt des Frequenzabfalls. Kurz zuvor zeigen die entsprechenden Messwerte sogar noch einen leichten Anstieg der Frequenz an, dem der Speicher durch eine kurzzeitige Aufnahme von Strom aus dem Netz begegnet. Sekunden später fällt die Frequenz auf deutlich unter 50 Hz ab. Der Speicher reagiert darauf, indem er verzögerungsfrei die Wirkleistung erhöht, bis sich die Frequenzwerte wieder stabilisiert haben.

Dieses Beispiel belegt damit eindrucksvoll, dass die fortschreitende Dezentralisierung der Stromnetze nicht nur für mehr Komplexität sorgt, sondern im Gegenzug auch für mehr Stabilität. Batteriespeicher spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle.

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