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Rebound-Effekte beim Umstieg auf PV: Energie sparen, Eigenverbrauch optimieren

Die Energiewende basiert auf weniger Energieverbrauch, dann können Erneuerbare einen größeren Beitrag leisten. Warum es im Eigenheim beim Umstieg auf Photovoltaik auf Rebound-Effekte zu achten gilt, das Energiesparen nicht vergessen werden darf und wie die Energieberatung dabei helfen kann, erläutert Dr. Julika Weiß vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung im Interview.

Frau Weiß, Sie haben bei Untersuchungen festgestellt, dass Haushalte, die sich eine PV-Anlage zugelegt haben, danach häufig mehr Strom verbrauchen. Von wie viel Mehrverbrauch reden wir?

Julika Weiß: Im Projekt EE-Rebound hat eine Studie ergeben, dass der Mehrverbrauch bei rund 18% liegt. Die Ermittlung ist aber schwierig. Deshalb haben wir uns ihm auf verschiedenen ­Wegen genähert. Wir haben zum einen Haushalte befragt, zum anderen haben wir Daten von Online-Energiesparkonten ausgewertet. Klar ist, dass ein Mehrverbrauch auftritt – und zwar insbesondere seitdem die Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes den Eigenverbrauch belohnen. Zuvor, als die Anlagenbertreiber ihren Solarstrom eingespeist und weiter ihren normalen Stromtarif gezahlt haben, war der PV-Betrieb offensichtlich nicht so stark mit Rebound-Effekten verbunden.

Woran liegt das?

Bei manchen Haushalten muss die neue PV-Anlage einfach funktionieren. Die Betreiber wollen sich nicht groß mit ihr beschäftigen. Andere dagegen setzen sich sehr intensiv mit ihr auseinander, was dazu führen kann, dass sie sogar Strom sparen. Sie wollen möglichst viel eigenen Strom erzeugen und möglichst wenig verbrauchen. Aber es gibt eben auch Haushalte, die wollen möglichst viel des selbst erzeugten Solarstroms nutzen und kaufen sich zusätzliche Geräte oder lassen sie mittags mehr laufen. Sie beheizen dann zum Beispiel ihren Pool, was sie vorher nicht gemacht haben. Sie denken, mit dem Kauf einer Photovoltaikanlage ihren Beitrag zur Energiewende geleistet zu haben. Manche denken dann, auf den Verbrauch nicht mehr so genau achten zu müssen.

Es gibt also beides: Die einen beginnen, genauer auf ihren Verbrauch zu achten, die anderen weniger, weil es ja ihr eigener Strom ist?

Ja, genau. Kürzlich hat sich ein Verbraucher bei uns gemeldet und gesagt, er findet es falsch, dass wir von PV-Prosumern fordern, Energie zu sparen. Er trage mit seiner Photovoltaikanlage zur Energiewende bei. Und da könne er doch die Klimaanlage öfter anstellen, weil er ja jetzt Solarstrom vom Dach bekomme. Teilweise scheint den Prosumern das Bewusstsein zu fehlen, dass sie auch für das gesamte Energiesystem wichtig sind und nicht nur sich selbst versorgen, sondern auch andere. Denn nicht jeder besitzt ein Eigenheim und kann eine Photovoltaikanlage auf seinem Dach installieren. Dass der private Solarstrom für das gesamte Energiesystem relevant ist, das kommt wegen der Eigenverbrauchsoptimierung wenig zur Sprache und ist nicht so bewusst.

Für wie problematisch halten Sie den Mehrverbrauch?

Die Ergebnisse sollten nicht so interpretiert werden, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien nicht notwendig ist. Wenn ein Haushalt auf Photovoltaik umsteigt und dann 5% mehr Strom verbraucht, ist das immer noch besser, als wenn er nicht umgestiegen wäre. Es geht also nicht darum zu sagen, der Umstieg ist falsch oder überflüssig, weil er zu Mehrverbrauch führt. Da wir aber insgesamt im Energiesystem mehr Effizienz und Suffizienz benötigen, sind alle Faktoren, die Mehrverbrauch fördern, ein Problem. Rebound-Effekte beim Umstieg auf erneuerbare Energien sind nicht das zentrale Problem. Sie sind aber durchaus eine zusätzliche Herausforderung, wenn wir von einem zukünftigen Energiesystem ausgehen, in dem wir weniger Energie verbrauchen wollen beziehungsweise müssen.

Sie haben die Vergütung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz als Grund für die Rebound-Effekte genannt. Ändert sich die Situation nicht durch die Novelle? Schließlich wird die Einspeisung wieder höher vergütet.

Ja, aber vor allem dann, wenn voll eingespeist wird. Wer sich entscheidet, seinen Solarstrom komplett einzuspeisen, bekommt inzwischen tatsächlich höhere Fördersätze. Der Gesetzgeber will damit aber eher Gebäude adressieren, die sich nicht zur Eigenverbrauchsnutzung eignen. Dennoch rechnet sich die Eigenverbrauchsoptimierung für Eigenheimbesitzer, weil die Herstellung des eigenen Solarstroms mit 10 bis 15 Cent pro Kilowattstunde weniger als die Hälfte des Bezugs vom Energieversorger kostet.

Die leicht erhöhte Einspeisevergütung für PV-Anlagen mit Eigenverbrauch liegt mit sieben und acht Cent pro Kilowattstunde dagegen unter den Kosten pro erzeugter Kilowattstunde. Das heißt, es lohnt sich nur im Mix. Also, wenn ein Haushalt beispielsweise 40 % des Solarstroms selbst verbraucht und mit jeder selbst erzeugten Kilowattstunde quasi 20 Cent spart. Diese Situation erzeugt das Gefühl, eine Photovoltaikanlage lohne sich nur über den Eigenverbrauch, nicht wegen der Einspeisung. Die Einspeisung wird dann uninteressant. Deshalb ist die Idee, möglichst viel seines eigenen Stroms selbst zu verbrauchen, auch verständlich.

Was lässt sich tun, damit sich das Bewusstsein ändert?

An dieser Stelle kommt die Energieberatung ins Spiel, die im Projekt auch untersucht wurde. Denn dort wird bisher hauptsächlich mit den ökonomischen Anreizen für die private Photovoltaikanlage argumentiert. Es wird sehr stark das Argument in den Vordergrund gestellt, dass man mit einer Photovoltaikanlage günstigen Strom für den Eigenverbrauch erzeugen kann, und weniger, dass es den Solarstrom für die Energiewende braucht. Eine Energieberatung bietet die Gelegenheit, darauf hinzuweisen.

Energieberater:innen müssten Ihrer Meinung nach stärker herausstellen, dass Energiesparen ein wichtiges Thema bleibt, auch wenn man sich für erneuerbare Energien entscheidet.

Genau. Denn wenn immer mehr Menschen ihren Strom mit einer Photovoltaikanlage erzeugen, wie es zukünftig ja sein soll, um die Energiewende zu schaffen, dann wird es durchaus relevant, wenn diese Prosumer 10, 15 oder 20 % mehr Strom verbrauchen statt weniger.

Wir haben Rebound-Effekte bis jetzt nur bezüglich Photovoltaik diskutiert. In Privathäusern wird die meiste Energie aber bislang für die Wärmeversorgung gebraucht. Haben Sie ähnliche Verhaltensweisen oder Effekte festgestellt, wenn Menschen auf Wärmepumpen, Solarthermie oder eine Pelletsheizung umgestiegen sind? Verbrauchen sie dann auch mehr und gehen weniger bewusst mit Energie um?

Wir haben Rebound-Effekte auch beim Wechsel zu Ökostrom untersucht. Er führt ebenfalls zu Mehrverbrauch – ebenso bei Wärme: In dem Bioenergiedorf Pfalzgrafenweiler haben wir bei Eigenheimen eine Befragung durchgeführt. Bei Haushalten mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energie in ihrer Wärmeversorgung haben wir ein weniger effizientes Lüftungs- und Heizungsverhalten festgestellt und auch, dass sie ihre Gebäude in der Zukunft seltener sanieren wollen. Es handelte sich zwar nur um eine begrenzte Umfrage, aber sie brachte doch erste Hinweise auf Rebound-Effekte.

Ein Grund hierfür kann auch sein, dass die politischen Rahmenbedingungen teilweise Dämmen und Erneuerbare als Alternativen nennen und somit nahelegen, es handele sich um Alternativen. Ein Beispiel hierfür ist das Erneuerbare-Wärme-Gesetz in Baden-Württemberg, das Dämmung als Ersatzmaßnahme für den Einsatz Erneuerbarer nennt.

Also würden Sie sagen, es wäre sinnvoller, zuerst zu dämmen, sprich den Energieverbrauch zu senken, und in einem zweiten Schritt auf erneuerbare Energien umzusteigen?

Da Dämmen häufig die größere Hürde darstellt, wäre das wohl psychologisch tatsächlich sinnvoller, weil die Motivation für einen weiteren Schritt geringer sein dürfte, wenn jemand sich bereits eine ökologische Heizung zugelegt hat. Wenn man schon den ersten Schritt gemacht hat, fühlt man sich schon gut. Offensichtlich sind die Folgeschritte dann schwieriger. Um dem zu begegnen, ist es wichtig, dass die Aussage von Politik und Energieberatung nicht lautet: Du kannst das eine oder das andere machen. Wir müssen den Verbrauch senken, weil wir in Deutschland nicht über genügend schnell erschließbare erneuerbare Energie verfügen, um auf dem heutigen Stand bleiben zu können. Dieser Aspekt wird aus meiner Sicht noch zu wenig thematisiert. Im Grunde gehen alle Szenarien für die Energieversorgung der Zukunft davon aus, dass wir parallel zum Umstieg auf Erneuerbare den Energieverbrauch senken müssen.

Wie könnten Energieberaterinnen und -berater auf die Rebound-­Effekte hinweisen?

Ich denke, da die Wirtschaftlichkeit sehr stark im Vordergrund steht, könnten sie zunächst darauf hinweisen, dass die Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaikanlage unter der Annahme eines sich nicht verändernden Verbraucherverhaltens berechnet wird. Wenn aber der Verbrauch steigt, dann erhöhen sich auch die finanziellen Belastungen. Zudem sollten sie generell auf die Relevanz des Solarstroms für das Energiesystem hinweisen.

Der Rebound-Effekt wirkt sich sowohl negativ auf den persönlichen Geldbeutel als auch auf negativ auf die Energiewende aus. Das wäre die Aussage. Und wer trotz eigener PV-Anlage nicht mehr Energie verbraucht, hilft beidem.

Ja, die Message lautet im Grunde: Energiesparen lohnt sich. Und es kommt auf jede Kilowattstunde Strom an.

Das Interview erschien zuerst in GEB Gebäude Energie Berater 8/2022. Das Gespräch führte Joachim Berner von der Redaktion des GEB. 

Dr. Julika Weiß ist Diplom-Ingenieurin für Technischen Umweltschutz. Sie leitet das Forschungsfeld „Nachhaltige Energiewirtschaft und Klimaschutz“ am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin.

Über das Projekt EE-Rebound

Als Mittel gegen hohe Strompreise denken viele Haushalte daran, eine eigene Photovoltaikanlage zu installieren. Doch wenn die Solarmodule dann auf dem Dach montiert sind, sollten sie nicht das Energiesparen vergessen. Darauf weist Julika Weiß vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) hin. Die Vorteile von PV-Anlagen für den Geldbeutel und für die Umwelt würden deutlich abnehmen, wenn nach der Installation mehr Energie verbraucht werde als vorher.

Das Projekt EE-Rebound untersuchte mit Interviews, Befragungen und Berechnungen, ob und wie ein Umstieg auf erneuerbare Energien den Energieverbrauch von Privathaushalten beeinflusst und welche Auswirkungen er hat. Die Forschung hat das IÖW koordiniert und gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und dem Institute for Future Energy Consumer Needs and Behavior durchgeführt.

Der Mehrverbrauch, auch als Rebound-Effekt bezeichnet, gründet sowohl auf ökonomischen als auch auf psychologischen Gründen. In Broschüren für Energieberater:innen und Verbraucher:innen erläutert das Projektteam den Rebound-Effekt und bietet Hintergrundwissen. Außerdem hat es ein Politikpapier veröffentlicht, in dem es fordert, das Einspeisen von Solarstrom wieder attraktiver zu fördern. „Damit Einspeisen attraktiver ist, sollte die Einspeisevergütung für PV-Anlagen höher sein, die anteilig zum Eigenverbrauch genutzt werden. Auch nach dem neuen Entwurf zum EEG 2023 steht der Eigenverbrauch noch stark im Vordergrund.“

Denn soll der Anteil grünen Stroms im deutschen Stromnetz bis 2030 auf 80 % steigen, muss auch der Beitrag kleinerer PV-Anlagen wachsen. EE-Rebound zufolge muss sich ihre Gesamtleistung mehr als verdoppeln. Hierbei komme es nicht nur auf die bloße Zahl der Anlagen an: Haushalte sollten ihre Dachflächen möglichst vollständig ausnutzen und viel Strom in das Netz einspeisen.

Das Projekt hält Eigenverbrauch zwar für sinnvoll, weil Haushalte das Stromnetz stabilisieren, wenn sie ihren Solarstrom gezielt zur sonnigen Mittagszeit nutzen. Manche Haushalte würden jedoch extra viel Strom verbrauchen, weil sie das Einspeisen wegen der geringeren Vergütungssätze als Verschwendung empfinden würden.

www.ee-rebound.de

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