Doppelte Stromernte: Bifaziale Module auf Flachdächern
Bei der Entscheidung für eine Photovoltaikanlage auf einem Flachdach steht neben der statischen Belastung des Daches und der grundsätzlichen Möglichkeit der Installation vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob der Generator sich rechnet. Dies hängt nicht nur von den Investitionskosten ab, sondern auch davon, wie schnell diese Kosten wieder eingespielt werden.
Die sogenannte Amortisationszeit beruht wiederum auf dem Ertrag, den die Anlage liefert, und in Zeiten niedriger Einspeisevergütung auch von der Möglichkeit, den Strom selbst vor Ort zu nutzen. Bei größeren Industrie- und Gewerbebetrieben reicht der Platz auf den teilweise sehr großen Flachdächern oftmals nicht aus, um einen relevanten Teil des Stromverbrauchs mit der Solaranlage zu decken.
Abstand zum Dach ist relevant
Um alle Ziele zu erreichen – sowohl eine kurze Amortisationszeit als auch einen möglichst hohen Beitrag der Solaranlage zur Stromversorgung im Gebäude –, ist der hohe Ertrag wichtig. Zwar leisten moderne Photovoltaikmodule immer mehr aufgrund steigender Effizienz. Doch es geht noch mehr. In Freiflächenanlagen hat sich inzwischen die Idee durchgesetzt, Strom auch auf der Rückseite der Module zu ernten. Dies ermöglicht zusätzlichen Ertrag auf der gleichen Fläche, wenn die Module transparent sind und das vom Boden reflektierte Licht zusätzliche Solarerträge bringt.
Das führt schnell zur Frage: Warum den Ertragsbonus dieser sogenannten bifazialen Module nicht auch auf dem Flachdach nutzen? Doch so einfach, wie es klingt, lässt sich das nicht übertragen. „Der Zusatznutzen der bifazialen Module hängt nicht nur von der Farbe des Untergrunds, sondern auch sehr stark von der Höhe der Aufständerung ab“, weiß Markus Burger, Leiter Entwicklung und Konstruktion beim Montagesystemhersteller Aerocompact mit Sitz im österreichischen Satteins. „Die bifazialen Module brauchen einen gewissen Abstand zur Dachhaut, damit die Reflexion des Lichts vom Untergrund auch funktioniert“, ergänzt Philipp Pejcl, Produktmanager bei Aerocompact.
Montagesystem überarbeitet
Deshalb hat Aerocompact sein Montagesystem für Flachdächer ergänzt, das auf einem Bügelsystem basiert und ohne Montageschienen auskommt. Die Bügel des neuen Compactflat GS wurden jetzt so gestaltet, dass die Traufseite der Module 40 Zentimeter über der Dachhaut schwebt. Bei zwei verschiedenen Anstellwinkeln wird der Abstand zur Firstseite der Module entsprechend höher.
Da Aerocompact das System mit einem Anstellwinkel von 15 Grad für südaufgeständerte Anlagen anbietet, liegt die Oberkante eines Moduls mit einem Meter Breite bei knapp 66 Zentimetern. Für die Ost-West-Aufständerung ist ein Anstellwinkel von zehn Grad vorgesehen.
Dann befindet sich die Oberkante des einen Meter breiten Moduls auf einer Höhe von etwa 58 Zentimetern. „Der tatsächliche Abstand des Moduls von der Dachhaut hängt von dessen Größe ab. Aber der Abstand wird sich in einem Bereich von 40 Zentimetern an der Unterkante bis 60 oder 70 Zentimetern an der Oberkante bewegen“, beschreibt Markus Burger das neue System des österreichischen Herstellers.
Schon hier zeigt sich, dass der Mehrertrag der bifazialen Module sehr variabel ist. Wie hoch er ist, haben Entwickler und Forscher des SAL Silicon Austrian Labs in Villach zusammen mit Kollegen vom AIT Austrian Institute of Technology in Wien, dem Modulhersteller Kioto Solar in Wies und dem niederländischen Forschungsinstitut TNO Solar Energy mit dem bisherigen Montagesystem von Aerocompact durchgemessen.
Dazu haben die Forscher zunächst die Dachhaut weiß gestrichen, da diese Farbe entsteht, wenn das gesamte Lichtspektrum reflektiert wird. Dies verspricht deshalb den höchsten Ertrag auf der Rückseite eines bifazialen Moduls. Auf diese weiße Dachhaut haben sie dann das Montagesystem von Aerocompact gestellt und darauf wiederum drei verschiedene Module in Ost-West-Ausrichtung montiert.
Zwei der Module waren mit unterschiedlichen, aber gängigen bifazialen Zelltechnologien und einer transparenten Rückseitenfolie ausgestattet. Das dritte Modul hatte eine schwarze Rückseitenfolie, produzierte also nur Strom auf der Vorderseite. Es war ebenfalls mit gängigen modernen Solarzellen ausgestattet. Sie hatten die gleiche Technologie wie eines der bifazialen Module. Dieses sogenannte monofaziale Modul diente als Referenz, um herauszufinden, wie hoch der Mehrertrag der bifazialen Module im Vergleich zum herkömmlichen Modul ist. Zusätzlich haben die Forscher einen Einstrahlungssensor installiert, der permanent die Energie gemessen hat, die die Sonne über den gesamten Messzeitraum auf das Dach schickte.
Über ein komplettes Jahr hinweg haben die Forscher dann die Einstrahlungsdaten und die Ertragsdaten der Module aufgezeichnet und hinterher ausgewertet. Dabei kam heraus, dass in der ersten Zeit der Mehrertrag der bifazialen Module zwischen 15 und 17 Prozent lag und danach immer mehr zurückging. Um den Einfluss der Zelltechnologie auf den Mehrertrag auszuschließen, haben sich die Forscher auf die Auswertung der Daten des bifazialen Moduls konzentriert, das mit den gleichen Zellen ausgestattet war wie das monofaziale.
Bis zu 20 Prozent mehr Strom
Hier hat sich ergeben, dass das nach Westen ausgerichtete bifaziale Modul am Anfang zwischen zwölf und 15 Prozent mehr Strom produziert hat als das in die gleiche Richtung weisende monofaziale Modul. Dieser Mehrertrag schrumpfte aber im Laufe der Zeit auf vier bis sieben Prozent zusammen.
Das nach Osten ausgerichtete bifaziale Modul hat anfänglich sogar 15 bis 20 Prozent mehr Strom produziert als das gleich ausgerichtete monofaziale Modul. Hier sank der Mehrertrag im Laufe des Jahres der Messung auf fünf bis zehn Prozent.
Wartungskonzepte verändern
Dabei hat sich in beiden Fällen der Trend gezeigt, dass die Bifazialität, also das Verhältnis des möglichen Ertrags von der Rückseite zum Ertrag auf der Vorderseite, an Tagen mit geringer Sonneneinstrahlung besser funktioniert als an Tagen mit hoher Sonneneinstrahlung.
Den Rückgang des Mehrertrags führen die Forscher vor allem auf die Verschmutzung und den Moosbewuchs des anfänglich weißen Flachdaches zurück. Schließlich gingen die Mehrerträge der bifazialen Module kontinuierlich zurück. „Um die Beeinträchtigung der Leistung von bifazialen Modulen zu vermeiden, ist entweder ein anderer Wartungsplan notwendig oder ein anderes Konzept zur Erhöhung des Reflexionsgrades des Bodens“, schreiben die Forscher in der Zusammenfassung ihrer Studie. „Dennoch konnte für eine realistische Anlage ein Vorteil bei der Verwendung von bifazialen Modulen von bis zu 20 Prozent nachgewiesen werden.“
Mehrertrag besser kalkulierbar
Voraussetzung ist hier, dass der Reflexionsgrad des Untergrunds aufrechterhalten wird. Wie das gelingen kann, dafür gibt es bisher nur theoretische Ansätze. Doch zumindest hat Aerocompact schon die Konsequenzen aus den Messungen gezogen. Denn die guten Ergebnisse wurden mit dem bisherigen System des österreichischen Herstellers erreicht, das allerdings etwas erhöht wurde. Die Resultate mit der neuen Unterkonstruktion mit einer Modulhöhe von 40 Zentimetern hat Aerocompact direkt in die Weiterentwicklung einfließen lassen.
Der Vorteil: Das Montagesystem eignet sich auch für Kiesdacheindeckungen und vor allem für die Kombination aus Photovoltaik und Dachbegrünung. Die höhere Aufständerung der Module ermöglicht auch das Hindurchfahren eines Mähroboters, der dafür sorgt, dass die Gründachpflanzen die Module nicht verschatten.