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Wie sich der Energiebedarf bei der Trinkwassererwärmung verringern lässt

Dr. Christian Schauer

Ressourcenschonende, nachhaltige Trinkwasser-Installation – insbesondere in Gebäuden mit der Abgabe von Trinkwasser an die Öffentlichkeit – steht immer unter dem Vorbehalt zur Einhaltung der Trinkwasserhygiene. Ein zentrales Stichwort ist hier die (noch) gültige 60/55-°C-Regel aus dem Arbeitsblatt DVGW W 551. Danach darf nirgendwo im gesamten Rohrleitungsnetz von Trinkwasser warm (PWH) bzw. der Zirkulation von Trinkwasser warm (PWH-C) die Anlagentemperatur bis zum Wiedereintritt in den Trinkwassererwärmer unter 55 °C absinken.

Ein wichtiges Ziel der Zukunft ist der ressourcenschonende Umgang mit Wasser

Erreichen lässt sich die Zielsetzung, den Primärenergieeinsatz zu verringern, über eine ganzheitliche Betrachtung der Trinkwasser-Installation und der an sie gestellten Nutzungsanforderungen. Denn schon in der Frühphase der Auslegung werden die entscheidenden Weichen für einen ebenso wirtschaftlichen wie nachhaltigen Betrieb der Trinkwasser-Installation gelegt. Die entscheidenden Einflussgrößen dafür sind

● die bedarfsgerechte Dimensionierung der Rohrleitungen mit realen, herstellerspezifischen (!) Zeta-Werten,

● die Erwärmung des Trinkwassers zentral im Durchflussprinzip,

● der Verzicht auf bzw. die Reduktion von Zirkulationsleitungen und

● eine Reduzierung der Spülvolumina zum Erhalt der ­Trinkwassergüte sowohl in den warm- als auch in den kaltgehenden Rohrleitungen.

Bedarfsgerechte Dimensionierung

Die bedarfsgerechte Dimensionierung der Trinkwasserleitungen auf Basis der realen Zeta-Werte (auch: Druckverlustbeiwert, Druckverlustkoeffizient oder Widerstandsbeiwert) ist bei der Auslegung einer Trinkwasser-Installation unter hygienebewussten Planern und Fachhandwerkern bereits ein wesentlicher Bestandteil des Maßnahmenpakets zum Erhalt der Trinkwassergüte.

Der Hintergrund: Die realen Zeta-Werte der Hersteller sind generell deutlich praxisgerechter als die Referenzwerte aus den Tabellen der DIN 1988-300 (Bild 3). Letztere können zu einer hygienisch problematischen Überdimensionierung der Trinkwasseinstallation bzw. zu einer Funktionsbeeinträchtigung der Entnahmearmatur führen. Die Auslegung mit ­realen Zeta-Werten führt also automatisch zu einer schlankeren Dimensionierung der Trinkwasser-Installationen, deren Wasserinhalt letztlich (Bild 2) durch die konstruktiv druckverlustoptimierten Rohrleitungssysteme gesenkt wurde.

Das hat gleichzeitig positive Effekte auf den ressourcenschonenden Betrieb der Trinkwasser-Installation, da sich durch eine allgemeine Verringerung des Wasserinhalts im Rohrleitungssystem, unter Beachtung der einschlägigen Komfortkriterien, auch die Menge des energieaufwendig aufzuheizenden warmen Trinkwassers grundsätzlich verringert.

2 Durch eine günstige Rohrführung kann ein nennenswerter Beitrag zu einem verringerten Wärmebedarf geleistet werden, inklusive der hygienischen Vorteile.

Zentrale Erwärmung des Trinkwassers nach dem Durchflussprinzip

Ein vergleichbares Ziel, und ebenfalls in Kombination mit dem Hygieneerhalt zu sehen, verfolgt die zentrale Erwärmung des Trinkwassers nach dem Durchflussprinzip. Der Gedanke dahinter: Gerade in Geschosswohnungsbauten, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen werden aktuell noch große Speichervolumina installiert, um die hinreichende Versorgung mit warmem Trinkwasser auch bei Spitzenlasten abzusichern. Zum einen sind diese Spitzenlasten oft genug nicht praxisgerecht, weil deutlich zu hoch angesetzt. Zum anderen verursacht eine 24/7-Bevorratung von mehreren Tausend Litern erwärmten Trinkwassers einen immensen Energieeinsatz.

Aus hygienischer und energetischer Sicht ist im Übrigen die dezentrale Trinkwassererwärmung, beispielsweise über ­elektrische Durchlauferhitzer, keine Alternative zur beschriebenen, zentralen Trinkwassererwärmung nach dem Durchflussprinzip. So stellt das Umweltbundesamt – Stichwort: ­Hygiene – am 18. Dezember 2018 in einer Mitteilung [6] fest, „dass es auch in dezentralen Trinkwassererwärmern und in den dahinterliegenden Leitungen zu einer Legionellenvermehrung kommen kann“. Eine Untersuchungspflicht ergibt sich prinzipiell auf Grundlage der Trinkwasserverordnung, des Arbeitsschutzes und / oder der Verkehrssicherungspflicht für jede Art der Trinkwasser-Installation.

Zum Stichwort Energiebilanz wiederum sei an dieser Stelle nur auf die hohen elektrischen Anschlusswerte verwiesen, die mit einer komfortablen, dezentral-elektrischen Versorgung mit Trinkwasser warm einhergehen.

3 Formteile haben einen massiven Einfluss auf die Druckverhältnisse in einer Stockwerksinstallation. Deswegen sollte aus energetischen wie hygienischen Gründen immer mit den realen Zeta-Werten gerechnet werden.

Verzicht auf Zirkulationsleitungen bzw. Reduktion von Zirkulationsleitungen

Zirkulationsleitungen sind ein erprobtes Mittel, in großen Objekten sowohl den Versorgungskomfort als auch – über den regelmäßigen Wasseraustausch – den Erhalt der Trinkwassergüte zu gewährleisten. Allerdings werden diese Vorteile durch einen nicht unbeträchtlichen Energieeinsatz ­„erkauft“: Neben der notwendigen Pumpenleistung sind es vor allem die Auskühlverluste, die im Sinne eines nachhaltigen und wirtschaftlichen Anlagenbetriebs die Bilanz belasten.

Deshalb sollte bei der Planung einer Trinkwasser-Installation im ersten Schritt die Zirkulation von Trinkwasser warm nur auf zentrale Bereiche des Objekts bezogen werden. Dazu gehören die Steigstränge für die vertikale Verteilung und eventuell Flure für die horizontale Verteilung.

In den Nutzungseinheiten wiederum ist aus energetischer Sicht auf Zirkulationsleitungen in den Systemen Trinkwasser warm und kalt zugunsten durchgeschliffener Reihenleitungen zu verzichten.

Fremderwärmung von PWC-Leitungen

Die durchgeschliffene Reihenleitung mit einem Hauptverbraucher am Ende zum Schutz vor Stagnation unterstützt den Erhalt der Trinkwassergüte auf der Kaltwasserseite: Es wird deutlich weniger Wärme als bei einer Zirkulation in die Vorwand und damit in die in der Regel parallel laufende Rohrleitung für Trinkwasser kalt (PWC) abgegeben.

Diese Fremderwärmung von PWC-Leitungen hat nach jüngsten Erkenntnissen zunehmend zu einer Verlagerung der Legionellen-Problematik von Warm- auf Kaltwasser geführt. Die Konsequenz ist, dass mittlerweile sogar Kaltwasser-Leitungen regelmäßig gespült werden müssen, um die Wassertemperatur in einem für das Legionellen-Wachstum unkritischen Bereich zu halten.

4 Der präzise thermische Abgleich von Trinkwasser-Installation über elektronische Zirkulationsregulierventile unterstützen den Erhalt der Trinkwasserhygiene und verhindern gleichzeitig die Verschwendung von Energie.

Fehlinterpretation der RKI-Richtlinie

Das Durchschleifen der Installation, also der Verzicht auf eine energieintensive und hygienekritische Ringleitung, steht auch nicht im Widerspruch zur Einhaltung definierter Ausstoßzeiten oder zur RKI-Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention [1], wonach „die Rohrleitungen nach DIN 1988 Teil 3 [jetzt DIN 1988-300] zu dimensionieren, Endstränge und Versorgungsbereiche mit stagnierendem Wasser zu vermeiden und Ringversorgungen anzustreben“ sind.

Die daraus fast ausnahmslos abgeleiteten Ringinstallationen unterliegen jedoch einer Fehlinterpretation der RKI-Richtlinie durch die Isolierung technischer Zusammenhänge auf vermeintlich wichtige Einzelfaktoren. Ein mitentscheidender Punkt aus der RKI-Richtlinie, der häufig wenig Beachtung findet, ist zum Beispiel der Satz „Kaltwasserleitungen sind in ausreichendem Abstand zu Wärmequellen (z. B. Rohrleitungen, Schornsteine, Heizungsanlagen) so zu planen, ­­herzustellen und zu dämmen, dass die Wasserqualität durch Erwärmung (temperaturbedingte Vermehrung von Mikroorganismen) nicht beeinträchtigt wird (siehe auch DIN 1988 Teil 2 [jetzt DIN 1988-200, Nr. 10.2]).“

Die Praxis hat darüber hinaus schon länger eindeutig gezeigt, dass es neben der Vorwand auch besonders an Übertisch-Wandarmaturen und Unter- sowie Aufputzarmaturen an Duschen über metallene Grundkörper zu einer permanenten Erwärmung von Kaltwasserleitungen (PWC) kommt [2, 3, 4].

Als weiterer Punkt ist die „Übersetzung“ der Formulierung „möglichst kurz“ aus der RKI-Richtlinie mit „direkt“, bezogen auf die Länge der Rohrleitungen bis zur Entnahmestelle, zu nennen. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik ermöglichen jedoch einen Wasserinhalt von bis zu 3 l in der Warmwassereinzelzuleitung, worauf sich auch die RKI-Richtlinie mit ihrem allgemeinen Verweis auf die DIN 1988-200 bezieht.

Danach müssen „Einzelzuleitungen zu Entnahmearmaturen […] so kurz wie möglich sein. Ein Wasservolumen von 3 Litern ist als Obergrenze einzuhalten; kleinere Wasservolumina sind anzustreben.“ Wird die Anforderung des RKI mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik kombiniert, kommen Planer also zu dem Ergebnis, dass eine möglichst kurze Verbindung eben nur so kurz sein sollte, dass in einem naheliegenden Bereich kein „Schaden“ auftritt.

Dies gilt umso mehr, weil trotzdem auch die geforderten Ausstoßzeiten nach VDI 6003 eingehalten werden können: Ist in der Planung zum Beispiel die Komfortstufe III mit einer Ausstoßzeit von 10 s für Trinkwasser warm angesetzt, kann eine nicht zirkulierende Reihen-/Einzelzuleitung von bis zu 14 m Mehrschichtverbundrohr in der Dimension 16 mm geplant werden, ohne dass es zu einer Überschreitung der Ausstoßzeit kommen würde.

Reduzierung der Spülvolumina

Betrachtet man im Sinne einer nachhaltigen Betriebsweise die Trinkwasser-Installation ganzheitlich, spielen auch die Häufigkeit und Menge des Trinkwassers, das zum Schutz vor Stagnation bei Nutzungsunterbrechungen ausgespült wird, eine Rolle.

Intelligente Spüleinrichtungen wie die möglichst endständig zu installierenden „Prevista Dry“-WC-Elemente mit AquaVip-Spülstation erkennen über eine Sensorik, ob im vorgelagerten Rohrleitungsnetz entweder Stagnationszeiten (72 h nach VDI 6023) oder Systemtemperaturen langfristig über- bzw. unterschritten werden und sorgen dann automatisch für den notwendigen Wasseraustausch. Aus trinkwasserhygienischer Sicht ist das optimal, aber nur bei minimalen Spülvolumina. Ein geringes Spülvolume lässt sich beispielsweise durch die Viega-Technologie bei den „Prevista Dry“-WC-Elementen mit AquaVip-Spülstation gewährleisten.

Ziel muss es vor allem sein – über schlanken Rohrleitungsdimensionen und die Vermeidung der Fremderwärmung von Trinkwasser kalt auf dem gesamten Fließweg – auch die Spülzyklen auf das absolute Minimum zu drücken und so neben Wasser auch unmittelbar Energie einzusparen.

5 Das Trinkwasser-Management-System „AquaVip Solutions” deckt, digital vernetzt, die gesamte Trinkwasseranlage vom ­Hauseingang bis zur letzten Zapfstelle ab.

Den gesamten Fließweg betrachten

Der Trend ist eindeutig: Durch die Verschiebung der Wärmelasten von der Raumwärme zur Trinkwassererwärmung wird es im Sinne der Reduzierung von Betriebskosten ­zunehmend wichtiger, bei der Auslegung komplexer Trinkwasser-Installationen sowohl dem Aufwand für die Trinkwassererwärmung als auch den Wärmeverlusten im Rahmen des Betriebs der Installation deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Perspektivisch wird dieser Planungsansatz zentral, da mit der ressourcenschonenden Bereitstellung von Trinkwasser warm unmittelbar der Einsatz von Wärmeerzeugern auf Basis regenerativer Energien – insbesondere Wärmepumpen – verbunden ist. Auch eine heute installierte Trinkwasseranlage, die zunächst noch mit Wärme aus einem Heizkessel versorgt wird, sollte deshalb vorausschauend für diesen Trend geplant und ausgeführt werden.

In einem ersten Schritt ist es deshalb zwingend, auf Basis der aktuellen Erkenntnisse generell für eine effektivere Nutzung des Energieeinsatzes in warm gehenden Trinkwasser-Installationen zu sorgen. Dazu zählen im Wesentlichen

● die bedarfsgerechte Abstimmung des Anlagenvolumens – bis hin zum Einsatz innovativer Wärmeübertrager anstelle überdimensionierter Trinkwasserspeicher,

● die Reduktion der Wärmeverluste als anerkanntes Qualitätsmerkmal einer Trinkwasser-Installation und – insbesondere mit Blick auf eventuell notwendige Spülmaßnahmen zum Schutz vor Stagnation – und nicht zuletzt

● die möglichst effektive Nutzung des warmen Trinkwassers.

6 Beispiel einer Anwendung von Aquavip-Zirkulationsregulierventils im Strang.

Um zu einer signifikanten Verringerung des Energiebedarfs zur Trinkwassererwärmung zu kommen, bedarf es aber noch eines weiteren Schrittes: Perspektivisch ergibt sich der größte Hebel zur Energieeinsparung zweifellos durch eine Absenkung der geforderten Systemtemperaturen von derzeit noch 60/55 °C auf weniger als 50 °C.

Da DIN 1988-200 hier jedoch auf das Arbeitsblatt DVGW W 551 verweist, sind aktuell noch mindestens 55 °C in jeder Stelle der Zirkulation von Trinkwasser warm einzuhalten, so lange nicht ein gleichwertiger Ersatz zur Temperaturbarriere als Schutz vor Verkeimung des Trinkwassers durch Legionellen zur Verfügung steht.

Dieser Ersatz könnte zum Beispiel eine Absenkung des ­Bakterien- und Nährstoffgehaltes im Trinkwasser durch ­Ultrafiltration im Bypass der Zirkulationsleitung sein, wie es mit dem System AquaVip Solutions (Bild 6) in wissenschaftlich begleiteten Feldtests aktuell bereits erfolgversprechend umgesetzt wird.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TGA 12/2021. Dr. Christian Schauer ist Direktor des Kompetenzzentrums Wasser, Corporate Technology bei Viega, 57439 Attendorn.

Literatur

[1] Robert-Koch-Institut, Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. München: Elsevier Urban & Fischer, 2004

[2] Schauer, C.: Moderne Sanierungsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität – Teil 1. Finning: pn verlag, KTM Krankenhaus Technik Management 7/8-2014

[3] Köhler, H.: Schleifen sind nicht immer schick. Stuttgart: Gentner Verlag, SBZ 13-2014

[4] Schulte, W.: Moderne Bautechnik – Risiken für die Trinkwassergüte. Arnsberg: Strobel Verlag, IKZ-Sonderheft Trinkwasserhygiene 2017

[5] DIN EN 806-2 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 2: Planung. Berlin: Beuth Verlag, Juni 2005

[6] Vorkommen von Legionellen in dezentralen Trinkwassererwärmern. Dessau-Roßlau: Mitteilung des Umweltbundesamts (UBA), Dezember 2018, www.bit.ly/tga1410

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