Wie elektronische Zirkulationsventile Legionellenwachstum vorbeugen
Für eine sichere Versorgung mit Trinkwasser ist die Einhaltung der hygienischen Anforderungen in der Trinkwasser-Installation eine Grundvoraussetzung. Das Arbeitsblatt W 551 des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches DVGW gilt als maßgebliche Richtlinie für die Temperaturanforderungen in Warmwasserinstallationen und schreibt für zentrale Großanlagen eine Mindesttemperatur von 60 °C am Ausgang des Wassererwärmers und 55 °C am Zirkulationsrücklauf vor.
Gleichzeitig ist durch den hydraulischen Abgleich über entsprechende Zirkulationsregulierventile sicherzustellen, dass alle Stränge einer Warmwasserinstallation unabhängig von der Entfernung zum Trinkwassererwärmer und unabhängig von den jeweiligen Temperaturverlusten der einzelnen Steigestränge ausreichend versorgt werden (siehe Abb. 1). Grundsätzlich haben sich in der Praxis thermostatische Zirkulationsregulierventile als Komponente bewährt, wenn sie beim Einbau richtig eingestellt werden und die Zirkulationspumpe den notwendigen Volumenstrom liefert.
Zahlreiche Untersuchungen der letzten zehn Jahre zeigen allerdings, dass in der Praxis der mangelhafte hydraulische Abgleich die häufigste Ursache für unzulässiges Legionellenwachstum in zentralen Systemen ist. Die Ursachen sind häufig langsame Veränderungen im thermohydraulischen Gesamtsystem, die zu Unterversorgung einzelner, meistens der vom Trinkwassererwärmer entferntesten Stränge führen:
- Verengung der Rohrquerschnitte durch Kalkablagerungen
- Leistungsminderung der Zirkulationspumpe durch Verschleiß am Laufrad/Motordefekt
- Alterung der Isolierwerkstoffe und Anstieg der Wärmeverluste der Rohrleitungen
- Ausfall einzelner Komponenten
Da die in den technischen Regelwerken wie VDI/DVGW 6023 und VDI 3810-2 vorgeschriebenen halbjährlichen Inspektionen praktisch kaum durchgeführt werden, werden die Mängel nicht direkt, sondern erst durch die Folgewirkung in Form erhöhten Legionellenwachstums bei Untersuchungen erkannt.
Kabellose elektronische Ventilantriebe ermöglichen kostengünstige Lösung
Mit neuartigen, elektronischen und kabellos zu installierenden Antrieben kann dieses Problem jetzt einfach gelöst und ein dauerhaft sicherer hydraulischer Abgleich durch permanente Kontrolle garantiert werden. Die permanente Kontrolle erfolgt dabei über intelligente und zentrale gesteuerte Dashboards, welche bei einigen Messdienstleistern und Anbietern von Energiemanagementsystemen bereits heute fester Bestandteil des Portfolios sind.
Nachfolgend sollen Ergebnisse einer Umrüstung von thermostatischen, hin zu elektronischen Zirkulationsventilen der Firma BlueLeaf Technology (ein Unternehmen der Solvis Gruppe) dargestellt werden. Betrachtet wurden acht Warmwasserstränge in einem Mehrfamilienhaus. Bei einer Voranalyse der Warmwassersolltemperaturen hatte sich ein Bild mit hohem Schwingungsgrad und großen Temperaturunterschieden ergeben. Zwischen dem kältesten und dem wärmsten Strang lagen zwischenzeitlich 9K Spreizung an den eingebauten thermostatischen Ventilen. Eine Unterschreitung, der für die Hygiene vorgeschriebenen 55°C, wurde dabei regelmäßig gemessen (siehe Abb. 2). Daraus ergeben sich zwei Problemfelder. Einerseits ist die Hygiene in nicht abgeglichenen Systemen maßgeblich gefährdet, andererseits ist die gewünschte Energieeffizienz nicht gegeben.
Nach Upgrade der Hydraulik durch elektronische Zirkulationsventilantriebe ergibt sich ein weitaus verbessertes Bild des Systems. Die Temperaturen regeln sich automatisch auf einen voreingestellten Sollwert ein und bewegen sich konstant um diesen (siehe Abb. 3).
Der abgebildete Fall zeigt das System im eingeschwungenen Zustand. Alle Ventile bringen die Zirkulationstemperatur in einen Korridor von +/- 2K (Durchschnittswert). Ein voreingestellter Sollwert von 55°C wird, entgegen dem Zustand vor dem Upgrade, im durchschnittlichen Mittel eingehalten. Die daraus resultierenden Vorteile sind einerseits die automatische Erfüllung der Betreiberpflicht nach VDI/DVGW 6023 und VDI 3810-2 und andererseits eine dauerhafte und auswertbare Sicherstellung der Hygiene.
Äquivalent zu den Temperaturen im System, lassen sich in intelligenten Dashboards auch weitere Parameter, wie der Öffnungsgrad (0-100%) der Ventile, ersehen. Wie in Abb. 4 zu erkennen ist, lassen sich die Ventilpositionen auch auf Einzelfallbasis auswerten.
Automatische Überwachung und Alarmmeldungen
Jeder elektronische Zirkulationsantrieb verfügt über zwei Temperatursensoren zur Messung der Warmwassertemperatur und der Umgebungstemperatur. Die Messung der Temperaturen erfolgt alle 5 Minuten, über drei Messungen wird alle 15 Minuten der Mittelwert gebildet und vom integrierten Funkmodul des Ventilantriebs per LoRaWAN an das Gateway versendet und im Dashboard dargestellt. Für die Ermittlung des aktuellen Ventilöffnungsgrades wird ein Mittelwert über 12 Temperaturmessungen des Zirkulationsrücklaufs gebildet und mit dem Sollwert verglichen. Bei Abweichungen wird die Ventilposition angepasst, die Daten werden ebenfalls per Funk übermittelt und im Dashboard dargestellt.
Gleichzeitig ist der Status aller Ventile schnell und einfach in einer Übersichtsampel sichtbar. Dabei bedeuten:
Grün: Zirkulationstemperatur entspricht dem Sollwert +2/- 0 Kelvin oder weicht ab vom Sollwert > +2/-0 Kelvin über einen Zeitraum von bis zu 8 Stunden
Gelb: Zirkulationstemperatur weicht ab vom Sollwert ab > +2/-0 Kelvin und länger als 8 Stunden
Rot: Zirkulationstemperatur weicht vom Sollwert ab > +/- 5 Kelvin und länger als 2 Stunden
Parallel werden im Falle von Abweichungen Status gelb und rot automatisch Alarmmeldungen generiert und an die eingetragenen verantwortlichen Adressen versandt.
So werden die Ventile installiert
Das kabellose Konzept mit Eigenstromversorgung über Peltier-Element schafft die Voraussetzung für eine einfache und schnelle Installation. Bei Kemper-Multitherm Zirkulationsventile kann die bestehende thermostatische Regeleinheit einfach ohne Wasserabsperrung „trocken“ mit einem Maulschlüssel SW 24 demontiert und in wenigen Minuten gegen den elektronischen Antrieb getauscht werden.
Die Montage des Gateway erfolgt mit zwei Schrauben 3,5 mm. Für das Netzteil ist bauseits eine 230 V-Doppelsteckdose in der Nähe notwendig.
Der montierte Antrieb nimmt nach einmaliger Initialisierung durch einen Magnetstift den Funkbetrieb auf und verbindet sich mit dem Gateway zur Kommunikation.
Die Datenübertragungsqualität per LoRaWAN kann im Vorfeld der Installtion mit einem Feldtestgerät detailliert ermittelt werden.
Offene Systemarchitektur und flexible Geschäftsmodelle
Für die Immobilienwirtschaft wird, neben den hygienischen Aspekten, der Begriff ESG (Environmental Social Governance) aber immer relevanter. Die damit verbundene Nachhaltigkeit, auch von Trinkwassersystemen, rückt dabei immer weiter in den Vordergrund. Daher wird es immer wichtiger, dass auch Trinkwasserhydrauliksysteme in einer möglichst offenen Systemarchitektur gedacht und dadurch kostengünstig und flexibel erweitert werden können. Das Monitoring über Gebäudeleittechnik ist schon heute gängige Praxis, wobei das Thema Trinkwasser bisher häufig außen vor war.
Der energieautarke und kabellose Antrieb BLTzirk ist als offene Lösung konzipiert und über eine einfache Schnittstelle direkt mit Energiemanagementsystemen oder Gebäudeleittechniken zu koppeln (siehe Abb. 6). Verfügen die übergeordneten Systeme nicht über ein integriertes LoRaWAN-Funkmodul, kann die Verbindung über ein entsprechendes LoRaWAN-Gateway hergestellt werden.
So offen wie die Systemarchitektur sind auch die möglichen kaufmännischen Lösungen und Geschäftsmodelle. Sind schon Systeme mit LoRaWAN-Funkmodul im Gebäude oder Quartier vorhanden, bietet sich der Kauf der elektronischen Antriebe oder kompletter Zirkulationsventile und die Integration/Erweiterung der vorhandenen Software an. Ist keine LoRaWAN-Infrastruktur vorhanden, können Hardware in Form von Infrastructure as a Service (IaaS) und auch Software und Betriebsführung als Software as a Service (SaaS) genutzt werden.
Damit lässt sich eine Einbindung von Bestandsimmobilien in eine bestehende oder neu aufgesetzte Gebäudeleittechnik implementieren. Die auszutauschenden Datenpakete enthalten Informationen über:
- eine Liste aller angeschlossener Ventile
- eine Ventilidentifikationsnummer
- die Solltemperatur Zirkulation in °C
- die IST-Temperatur Zirkulation in °C
- einen Zeitstempel der Daten
- den Ventilstatus mit aktuellem Öffnungsgrad (siehe Abb. 4)
- Umgebungstemperatur
Durch die Nutzung des LoRaWAN Funkstandards lassen sich nicht nur einzelne Gebäude, sondern ganze Quartiere über ein Gateway steuern. Die darüber zur Verfügung gestellten Daten tragen demnach maßgeblich zur Einhaltung des hydraulischen Abgleichs und somit zur gesteigerten Hygiene in Trinkwasserinstallationen bei. Weiterhin können Fehlfunktionen im System schnell erkannt und ohne weitreichenden Komfortverlust bei den Nutzern abgestellt werden.
Ist der Zielkonflikt von Hygiene und Energieeffizienz auflösbar?
Energieeffizienzhinweise sind in der jetzigen Richtlinie W 551 nicht enthalten. Dies sollte in der nun anstehenden Novellierung der Richtlinie unbedingt geändert werden. Aus Gemeinwohlsicht sollte eine integrale Gesamtbetrachtung von Hygiene und Energieeffizienz erreicht werden. Diese ist wichtig für den dringend notwendigen Klimaschutz und die Effizienz aller modernen Technologien wie Solaranlagen, Wärmenetze, Wärmepumpen und auch Abgaskondensationstechnik. Grundlage kann das Positionspapier führender Experten und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) sein, die hier in einem Auszug zitiert wird (Quelle: https://www.krankenhaushygiene.de/pdfdata/2023_02_01_Stellungnahme-Legi…).
Ziel muss es sein, optimale Lösungen im Sinne von Gesundheit, Hygiene und einem möglichst sparsamen Umgang mit wertvoller Energie zu ermöglichen, auf Basis aktueller technischer Entwicklungen und marktverfügbarer Produkte sowie den neusten wissenschaftlichen Ergebnissen von Forschungsprojekten und Feldstudien.
Für das Konzept des elektronischen Zirkulationsregulierventils mit Energy-Harvesting und LoraWAN-Funkmodul wurde das Europapatent EP 3783269 erteilt.
Die der Entwicklung zu Grunde liegenden Vorhaben (Trans2NT-TWW und PVTsolutions) wurden mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter dem Förderkennzeichen 03EN1027D und 03ETW011C gefördert. Die Autoren danken für die Unterstützung und übernehmen die Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung.
Autoren:
Alexander Lipski, Vertriebsinnendienstleiter Solvis GmbH
Lukas Sicking, Business Develop Manager BlueLeafTechnology
Lukas Aust, F+E-Laborleiter Solvis GmbH
Dr.-Ing. Anna Marie Cadenbach, Abteilungsleiterin Thermische Energiesystemtechnik, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE
Christopher Graf, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Abteilung Thermische Energiesystemtechnik, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE
Helmut Jäger, Key Account Manager Wasserhygiene Solvis GmbH
Die BlueLeaf Technology ist ein Unternehmen der SOLVIS Gruppe.