So wird Grauwasser doppelt genutzt - Recycling und Wärmerückgewinnung
Grauwasser stammt aus der Gebäudeinstallation und wird im Normalfall von Duschen, Badewannen und Waschbecken separat vom sonstigen Abwasser gesammelt. Es fällt je nach Anzahl der Bewohner und deren Wasserbedarf bei der Körperreinigung an. In besonderen Fällen wird auch der stärker belastete Abfluss von Waschmaschinen und Küchenspülen zur Grauwasseraufbereitung genutzt. Die Reinigung geschieht in einem vollautomatischen, mehrstufigen und geschlossenen Recyclingprozess ohne chemische oder biologische Zusätze.
Das so entstandene Betriebswasser darf in Deutschland zur Gartenbewässerung, Toilettenspülung oder für die Waschmaschine verwendet werden. Grauwasserertrag, enthaltene Wärmeenergie sowie Betriebswasserbedarf unterliegen nutzerbedingt und jahreszeitlich Schwankungen. Die Anlagenplanung muss deshalb objektspezifisch von einem erfahrenen Fachmann durchgeführt werden.
Was wird gefördert?
Das am 1. März 2018 begonnene und vorerst auf drei Jahre begrenzte Programm bezuschusst Duschrinnen, Duschtassen und Duschrohre jeweils in Kombination mit einem Wärmeübertrager sowie Anlagen zur Wärmerückgewinnung aus dem gesamten im Gebäude anfallenden Grauwasser, das einer Wärmerückgewinnung unterzogen wird – sofern ein zweites Leitungsnetz (Grauwassernetz) installiert wird. Es gelten die folgenden Fördersätzen:
- Anzahl der Duschen im Gebäude ≤ 20: 550 Euro pro angeschlossener Dusche
- Anzahl der Duschen im Gebäude > 20: 500 Euro pro angeschlossener Dusche
- Maximal jedoch 30 % der förderfähigen Investitionskosten (Anschaffung und Installation).
Die Vorgeschichte zu diesem Förderprogramm ereignete sich in Berlin: Bereits seit 2011 beschäftigt sich dort das Ingenieurbüro Nolde & Partner unter anderem mit der Wärmerückgewinnung aus Abwasser. Das erste Projekt „Wärme aus Grauwasser“ wurde mithilfe der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Ende 2012 abgeschlossen. Es wird nach wie vor nahezu wartungsfrei mit zuletzt noch verbesserten Wärmeerträgen betrieben.
Die Dokumentation der Ergebnisse hatte das Ingenieurbüro beim Ideenwettbewerb „Das Gute kann jetzt in Serie gehen“ Anfang 2016 eingereicht. Gefragt waren Klimaschutztechnologien aller Art in dem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) ausgelobten Wettbewerb. Die Jury bzw. das Gutachterteam des BMUB konnten von der Klimarelevanz der Wärmerückgewinnung aus Grauwasser überzeugt werden.
Projektdaten
Wasserkonzept Pilotprojekt am Arnimplatz, Berlin
- Adresse: Schivelbeiner/Ecke Schönfließer Str., 10439 Berlin-Prenzlauer Berg
- Fertigstellung Recyclinganlage: April 2012
- Wärmerückgewinnung pro Jahr: 12 000 kWh
- Wasserkonzept und Planung: Ingenieurbüro Nolde & Partner, Berlin
- Anlagenbau: Lokus GmbH, Berlin
- Monitoring und Wartung: Ingenieurbüro Nolde & Partner, Berlin
- Architektur: Heinhaus Architekten, Berlin
- Bauherr: Dr. Paul Grunow, Berlin
- Förderung: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Berechnungsbeispiel staatliche Förderung
In einem Mehrfamilienwohnhaus mit 40 Wohneinheiten und 40 Duschen soll eine Wärmerückgewinnung für das im gesamten Gebäude anfallende Grauwasser installiert werden. Zusätzlich ist ein zweites Leitungsnetz (Grauwassernetz) erforderlich.
Die Investition (Anschaffungs- und Installationskosten) beträgt 90.000 Euro. Damit liegt der max. Förderbetrag bei 90.000 Euro x 0,3 = 27.000 Euro.
Förderbetrag nach Anzahl: 40 Duschen à 500 Euro = 20.000 Euro
Der Förderbetrag nach der Anzahl ist kleiner als der max. Förderbetrag. Die tatsächliche Fördersumme ist somit 20.000 Euro.
Quelle: bafa.de/DE/Energie/Energieeffizienz/Kleinserien_Klimaschutzprodukte/Waermerueckgewinnung_Abwasser/waermerueckgewinnung_abwasser_node.html (Anm. d. Red.: Link nicht mehr gültig)
Nachhaltig durch störungsfreien Betrieb
Aufgrund der neuen Fördermaßnahme, in Kombination mit dem Grauwasserrecycling, lassen sich die Investitions- und Betriebskosten für ein Gebäude deutlich senken. Und bei der Zertifizierung zum nachhaltigen Bauen bringen sowohl Wärme- als auch Wasserrecycling wertvolle Punkte.
Doch was sind die geeigneten Objekte, wer die typischen Auftraggeber? Grauwasserrecycling ist insbesondere dort lukrativ, wo viele Bewohner in mehrgeschossigen Gebäuden untergebracht sind; zum Beispiel in Hotels, Wohnheimen und im mehrgeschossigen Wohnungsbau.
Erwin Nolde, geschäftsführender Gesellschafter bei Nolde & Partner, ist spezialisiert auf objektbezogene Anlagenkonzepte. Er realisiert diese in Zusammenarbeit mit Rudi Büttner, Inhaber der Lokus GmbH, der die Technik installiert. Seit 2011 wenden beide in der Abwasseraufbereitung das Prinzip „Internet of Things“ (IoT) an. Das heißt, dass sich die Anlagensteuerung selbst kontrolliert und Unregelmäßigkeiten per E-Mail oder SMS an den Betreiber meldet.
Die vernetzten Geräte stellen über das Internet eine Schnittstelle zur Verfügung, über die sie sich von einem beliebigen Ort aus bedienen und steuern lassen. Dadurch, so Nolde, konnten die Recyclingerträge erhöht und der Wartungsaufwand gesenkt werden. „Die Wärmerückgewinnung – die haben wir erst 2012 beim Neubau des Mehrfamilienhauses am Berliner Arnimplatz mit ins Programm genommen“, gesteht der Pionier. „Seither planen, bauen und betreiben wir klimapositives Grauwasserrecycling und tragen damit zur CO2-Reduktion bei.“
Im Klartext: Das Verfahren des dezentralen Wasserrecyclings in Kombination mit Wärmerückgewinnung holt aus dem häuslichen Abwasser mehr Energie, als zum Betrieb der Anlage benötigt wird. Es wirkt laut Nolde – ganz im Gegensatz zur bisherigen Betriebsweise der zentralen Wasserwirtschaft – durch diesen Energieüberschuss und die damit verbundene CO2-Einsparung positiv auf das Klima.
Pilotprojekt Wärmerückgewinnung
Im Pilotprojekt am Arnimplatz wird das warme Grauwasser aus Badewannen und Duschen mithilfe eines Siebes von störenden Stoffen befreit, bevor ihm die Wärme entzogen wird. Der Wärmeübertrager in Form eines Rohrbündels sitzt im ersten Behälter, von einer 20-Watt-Umwälzpumpe versorgt. Auf eine Wärmepumpe, die höhere Endtemperaturen hervorbringt, wurde wegen der schlechteren Energieeffizienz vorerst noch bewusst verzichtet.
Sieb, Wärmeübertrager und Behälter reinigen sich bei Bedarf automatisch. Die gewonnene, in den Warmwasser-Pufferspeicher übertragene Wärme wird an das Kaltwasser abgegeben, bevor es zur Warmwasserbereitung durch das Blockheizkraftwerk gelangt.
Das im Wärmerückgewinnungsbehälter abgekühlte Grauwasser wird nacheinander durch drei mit Schaumstoffwürfeln bestückte Wirbelbettreaktoren gepumpt, wo Bakterien die organische Schmutzfracht oxidativ und rein biologisch abbauen. Partikuläre Substanzen werden mechanisch ausgeschleust. Der letzte der drei Reaktoren klärt das Grauwasser auf einen Rest-BSB-Wert von unter 5 mg/l und eine Trübung von weniger als 2 NTU. Mit UV-Licht desinfiziert gelangt es als sogenanntes Betriebswasser in den Vorratsspeicher und wird von dort nach Bedarf über eine Druckerhöhungsanlage mit 5 bar zur Toilettenspülung an die 41 Wohn- und 4 Gewerbeeinheiten abgegeben. An keiner Stelle des Aufbereitungsprozesses werden Chemikalien in Form von Desinfektionsmitteln, Säuren oder Laugen verwendet.
Pro Kubikmeter Betriebswasser, welches ohne aufwendige Laboranalytik nicht vom Trinkwasser zu unterscheiden ist, benötigt die Anlage im Pilotprojekt am Arnimplatz für Wärmerückgewinnung, Wasseraufbereitung und Betriebswasserverteilung insgesamt 1,4 kWh elektrischen Strom. Im Winter, wenn die Solarthermie keine Erträge erzeugt und das Trinkwasser besonders kalt angeliefert wird, wurden mit der Wärmerückgewinnung teilweise mehr als 15 kWh Wärme pro Kubikmeter Grauwasser gewonnen; im Sommer geht der Ertrag (ohne Wärmepumpe) auf ca. 10 kWh/m³ zurück.
Übertragbare Erfahrungen vom Pilotprojekt am Arnimplatz, Berlin
- Das separat gesammelte Grauwasser dient nach Aufbereitung als Betriebswasser für die Toilettenspülung in 41 Wohn- und 4 Gewerbeeinheiten – und hilft den Nutzern so, zusätzlich zum Wärmegewinn, etwa ein Drittel der Trink- und Abwassergebühren zu sparen.
- Durch ein 100 bis 200 mm dickes Abwasserrohr geht i. d. R. mehr Wärme verloren als durch die gesamte Außenhülle des Passivhauses.
- Wärmerückgewinnung schafft Platz für mehr Wohnraum, denn der Platzbedarf für das zweite Leitungsnetz und die Wärmerückgewinnung ist deutlich geringer als für die Außendämmung – bei gleicher Wärmebilanz.
- Mit je einem ca. 400 l fassenden Behälter für die Wärmerückgewinnung und einem für den Pufferspeicher wird ganzjährig gleich viel Energie gewonnen wie mit einem 33 m² großen Solarthermie-Flachkollektor. Der für den gesamten Anlagenbetrieb erforderliche Strom kann im Jahresmittel über 17 m² Photovoltaik bereitgestellt werden.
- Die höchsten Wärmeerträge fallen erfreulicherweise in den Wintermonaten an, in denen das Trinkwasser besonders kalt ist und die Sonne wenig scheint.
- Unter Verwendung einer geeigneten Wärmepumpe soll zukünftig nahezu der gesamte Wärmebedarf für die Warmwasserbereitung aus der Grauwasserwärme entnommen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die noch bestehenden Zirkulationsverluste minimiert werden.
Quelle: Nolde & Partner
Technische Regel
Eine allgemein anerkannte Regel der Technik gibt es bisher nicht. Derzeit werden in Abstimmung mit den europäischen Gremien einheitliche DIN-EN-Regelwerke erstellt, sowohl für die Regenwasser- als auch für die Grauwassernutzung. Dies geschieht im DIN-Ausschuss NA 119-05-08 AA „Wasserrecycling“, seit dieser im Jahr 2013 als nationaler Spiegelausschuss des europäischen Arbeitskreises CEN/TC 165/WG 50 einberufen wurde.
Eine europäische Norm DIN EN 16941-1 als Teil 1 für Regenwassernutzung ist seit Juni 2018 gültig. Teil 2 Grauwassernutzung wird derzeit bearbeitet und soll im Jahr 2019 publiziert werden. Regenwasser und aufbereitetes Grauwasser eignen sich für dieselbe Verwendung. Beide Arten gelten als Betriebswasser, das keine Trinkwasserqualität hat.
Fazit
Wasser und Wärme haben einen engeren Zusammenhang als bisher in der Haustechnik praktiziert. Das Nutzen von Betriebswasser, das aus Grauwasser gewonnen wird, und die Wärmerückgewinnung aus Grauwasser sind bereits erprobt und rentieren sich zunehmend. Seit 1. März 2018 gibt es dafür vom Staat einen Zuschuss aus dem Klimaschutz-Förderprogramm. Und obendrein wird Jahr für Jahr ein Teil der Betriebskosten für Trink- und Abwasser sowie für Energie der Warmwasserbereitung gespart.
Dieser Artikel von Klaus W. König ist zuerst erschienen in: SBZ 07-2019.
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