Schallschutz: Nur noch Prüfberichte nach DIN 4109 sind relevant
„Geprüft nach DIN 4109 Schallschutz im Hochbau“ oder „geprüft nach DIN EN 14 366 Messung der Geräusche von Abwasserinstallationen im Prüfstand“? Ein leidiges Thema, da gerade in Marktübersichten für schalldämmende Hausabfluss-Systemen beide Normen mit Werten für geprüfte Schallschutzpegel zum Vergleich herangezogen wurden. Doch mit welcher Norm kann der bauordnungsrechtliche Eignungsnachweis erbracht werden? Klarheit schafft die überarbeitet DIN EN 14 366, die seit Februar 2020 als Weißdruck vorliegt.
Rechtliche Stellung der DIN 4109
Mindestanforderungen an den Schallschutz werden jedoch verbindlich eingefordert. Die dafür notwendigen, bauordnungsrechtlichen Grundlagen sind in DIN 4109-1 (Schallschutz im Hochbau) definiert. Die Norm gilt zum Schutz von Aufenthaltsräumen unter anderem gegen Geräusche aus haustechnischen Anlagen und ist – anders als DIN EN 14 366 – eine als „Verwaltungsvorschrift bekanntgemachte Technische Baubestimmung“ (VV TB), die für das Schutzziel nach § 15 Abs. 2 MBO1) respektive der jeweiligen Landesbauordnung beachtet werden muss: Das Bauordnungsrecht fordert einen schallschutztechnischen Eignungsnachweis, beispielsweise nach DIN 4109-2:2018-01. Das bedeutet für die Bauaufgabe Sanitärinstallation, dass alle Geräusche verursachenden Einflussgrößen im Zusammenspiel, also Geräuschentwicklungen aus Trink- und Abwasserinstallation gemeinsam zu betrachten sind.
Schallschutz ist eine werkvertraglich geschuldete Leistung. Das bedeutet: Die Herstellung einer Sanitärinstallation als funktionierendes Gesamtwerk, das aus einer Vielzahl einzelner Komponenten hergestellt wird. Das fertige Produkt ist mit dem Baukörper fest verbunden. Daraus lässt sich ableiten, dass die Schallschutzanforderungen durch die funktionale Gesamtheit– und nicht durch einzelne Komponenten, wie ein Hausabfluss-System oder einen UP-Spülkasten – zu erfüllen sind.
1) MBO (Musterbauordnung, Stand: 13.05.2016): § 15 „Wärme-, Schall-, Erschütterungsschutz“ Abs. 2: „Gebäude müssen einen ihrer Nutzung entsprechenden Schallschutz haben. Geräusche, die von ortsfesten Einrichtungen in baulichen Anlagen oder auf Baugrundstücken ausgehen, sind so zu dämmen, dass Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen.“ Die MVV TB bezieht sich in „A 5 Schallschutz“ unmittelbar auf diesen Absatz und legt fest: „Zur Erfüllung dieser Anforderung sind die technischen Regeln bezüglich des Schallschutzes aus Abschnitt A 5.2 zu beachten.“ Abschnitt A 5.2 nennt dann (nur) DIN 4109-1:2018-01 als technische Regel für die „Anforderungen an Planung, Bemessung und Ausführung gemäß § 85a Abs. 2 MBO. Als weitere Maßgaben gemäß § 85a Abs. 2 MBO sind allerdings die Anlagen A 5.2/1 bis A 5.2/4 der MVV TB zu beachten.
Grundsätzliches zur DIN 4109
Gebäude müssen einen Schallschutz aufweisen, der ihrer Nutzung entspricht. Diese Forderung der Musterbauordnung wird über die (Muster-)Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (VV TB bzw. MVV TB) in DIN 4109-1 konkretisiert. Sie enthält Mindestanforderungen an die Luft- und Trittschalldämmung von Bauteilen, an haustechnische Anlagen sowie an Armaturen und Geräte der Wasserinstallation. Werden die in dieser Norm aufgeführten Grundsätze und Ausführungsanweisungen beachtet, ist davon auszugehen, dass der nach dem Bauordnungsrecht erforderliche Mindestschallschutz eingehalten wird. DIN 4109 besteht aus folgenden Teilen:
- Teil 1: Mindestanforderungen
- Teil 2: Rechnerische Nachweise der Erfüllung der Anforderungen
- Teil 31 bis Teil 36: Bauteilkataloge
- Teil 4: Bauakustische Prüfungen
Mindest-Anforderungen in DIN 4109-1
Die kennzeichnende und maßgebende Größe für die Anforderungen an die Installationsgeräusche ist der A-bewertete Schalldruckpegel LAF,max,n. Für Wohn- und Schlafräume muss mindestens LAF,max,n < 30 dB(A) und für Unterrichts- und Arbeitsräume LAF,max,n < 35 dB(A) eingehalten werden. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt allerdings, dass dieser Mindeststandard oft als ungenügend beurteilt wird und ein erhöhter Schallschutz im Wohnungsbau anzusetzen ist. Anforderungen an einen erhöhten Schallschutz finden sich in DIN 4109:1989-11 Beiblatt 2, in DIN SPEC 91314:2017-01 und im Entwurf DIN 4109-5:2019-05.
DIN 4109-2:2018-01 enthält in Anlehnung an die Normenreihe DIN EN 12 354 Berechnungsverfahren zum Nachweis des geforderten Schallschutzes und verwendet die Kenn- und Bauteildaten aus Bauteilkatalogen (DIN 4109:2016-07, Teil 31 bis 36). In DIN 4109-36:2016-07 „Daten für den rechnerischen Nachweis für gebäudetechnische Anlagen“ stößt man auf die Prüfergebnisse von Abwasserleitungen nach DIN EN 14 366.
Damit wird die normative Konstruktion erkennbar: Geräusche von Abwasserleitungen auf Basis von DIN EN 14 366 sind lediglich Eingangs- und Rechengrößen für die Berechnungsverfahren nach DIN 4109-2 oder DIN EN 12 354-5. Alternativ können gesamte Bauaufgaben mit der Geräuschquelle Abwasserleitung nach den bauakustischen Prüfverfahren in DIN 4109-4:2016-07 bewertet werden.
DIN 4109 bringt eindeutig zum Ausdruck, dass Trink- und Abwasserinstallationen nur gemeinsam zu bewerten sind, also beispielsweise auch Füllgeräusche im UP-Spülkasten oder das Ablaufgeräusch durch die WC-Keramik. Im Prinzip alles, was Geräusche verursacht, eben auch das Hausabfluss-System.
DIN EN 14 366
Prüfergebnisse nach DIN EN 14 366 bewerten hingegen nur den Schalldruckpegel einer gleichmäßig konstanten Strömung in einer Fallleitung. Sie dienen lediglich als Eingangsgrößen für bauakustische Berechnungsverfahren. Als bauordnungsrechtlicher Eignungsnachweis können sie nicht verwendet werden. Das bringt auch die novellierte DIN EN 14 366:2020-02 in wenigen Sätzen zum Ausdruck.
Änderung zum „Anwendungsbereich“
Bisher: „Die erhaltenen Ergebnisse können für den Vergleich von Produkten und Werkstoffen verwendet werden. Er kann zur Einschätzung des Verhaltens von Abwassersystemen in einem Gebäude unter bestimmten Bedingungen dienen. Diese Norm liefert jedoch kein normiertes Verfahren zur Berechnung der akustischen Eigenschaften solcher Installationen in einem Gebäude.“
Neu: „Die erhaltenen Ergebnisse können für den Vergleich von Produkten und Werkstoffen verwendet werden, können aber nicht als Werte verwendet werden, die vor Ort in Gebäuden erhalten wurden; Vor-Ort-Werte werden mithilfe der in EN 12 354-5:2009, 5.5 beschriebenen Verfahrensweise prognostiziert, die Labordaten in Felddaten umwandelt, in dem angenommen wird, dass die Vor-Ort-Installation genau der im Prüfbericht beschriebenen entspricht.“
Ergänzung in „Normative Verweisungen“
In DIN EN 14 366:2020-02 wurde: „EN 12 354-5:2009, Bauakustik – Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften – Teil 5: EN 12 354-5 (Installationsgeräusche)“ als Literaturhinweis aufgenommen.
Änderung zu Abschnitt 13 „Prüfbericht“
„Der Prüfbericht muss eine Verweisung auf die Tatsache enthalten, dass die Prüfergebnisse nur für den im Prüfbericht beschriebenen Prüfgegenstand gelten und nicht zur Schätzung des durch die gleiche Installation vor Ort erzeugten Schalldruckpegels angewendet werden können; Vor-Ort-Werte können mithilfe der in EN 12354-5:2009, 5.5, beschriebenen Verfahrensweise prognostiziert werden, die Labordaten in Felddaten umwandelt.“
(3) DIN EN 14366 (linke Darstellung) legt lediglich ein Verfahren fest, mit dem in Abwasser- und Regenwasserinstallationen entstandener Luft- und Körperschall unter Laborbedingungen gemessen werden kann. Das Bauordnungsrecht fordert jedoch einen schallschutztechnischen Eignungsnachweis nach DIN 4109. Das bedeutet für die Bauaufgabe Sanitärinstallation (rechts), dass alle Geräusche verursachenden Einflussgrößen im Zusammenspiel, also Geräuschentwicklungen aus Trink- und Abwasserinstallation gemeinsam zu betrachten sind.
Schallschutz in der Gebäudetechnik
Um ein Gebäude „leise zu bekommen“, bedarf es einer intensiven Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten, die schon mit der Konzeption und Dimensionierung des Gebäudekörpers beginnt. Dazu gehören die Grundrissgestaltung, die Anordnung der Räume und die dementsprechende Ausprägung der Wände und Decken. Das setzt sich fort bei der Verwendung geeigneter Baustoffe bzw. der Ausprägung des Baukörpers. Haben tragende Innenwände beispielsweise keine ausreichenden Schalldämmwerte, können Schutzziele – auch bei der Verwendung modernster bzw. schalltechnisch optimaler TGA-Komponenten – kaum erreicht werden.
Man unterscheidet zwischen Luft- und Körperschall. Bei Luftschall wird das Geräusch durch die Luft übertragen. Breitet sich der Schall hauptsächlich über den Baukörper, Anlagen und Installationen aus, spricht man vom Körperschall. Luftschall tritt in der Gebäudetechnik in erster Linie bei Abwassersystemen auf. Seiner Ausbreitung wird durch Masse – mit dickwandigen Rohrleitungen – entgegengewirkt.
Doch auch bei der Abwasserinstallation kann durch Schallbrücken – wenn die Rohre ohne Dämmung mit dem Baukörper in Berührung kommen oder durch eine mangelhaft ausgeführte Befestigung – Körperschall entstehen. Körperschallübertragungen (Schallbrücken) können physikalisch nicht komplett vermieden werden. Es lassen sich jedoch gute Ergebnisse erzielen, in dem die haustechnischen Installationen vom Baukörper akustisch entkoppelt werden. Das kann mit verschiedenen technischen Lösungen erreicht werden.
(4) Ergebnisse nach DIN 4109 und nach DIN EN 14366 sind nicht vergleichbar. Bei DIN 4109 (rechts Darstellung) wird die komplette Bauaufgabe mit allen geräuschverursachenden Einflussgrößen der Sanitärinstallation gemessen. Bei DIN EN 14366 (links) wird nur die Fallleitung als Geräuschquelle herangezogen. Es fehlen die Trinkwasser-Installation, Sanitärapparate, Spülkasten mit Füllgeräusch und die Geräusche der WC-Spülung.
Bauakustik und Raumakustik
Bauakustik und Raumakustik sind verschiedene Teilgebiete der Akustik. Sie scheinen auf den ersten Blick artverwandt, müssen jedoch bezüglich ihrer Aufgabenstellung voneinander abgegrenzt werden.
In der Raumakustik beschäftigt man sich mit der Ausbreitung von Schall in Räumen und den Eigenschaften der dabei auftretenden Schallfelder. Die Kernfrage lautet dabei oft: Durch welche Maßnahmen werden optimale Hörbedingungen in einem Raum geschaffen?
Die Bauakustik beschäftigt sich hingegen mit den bautechnischen und bauphysikalischen Aspekten der Schallausbreitung zwischen Räumen und Flächen eines Gebäudes. Im Vordergrund stehen die schalltechnischen Eigenschaften von Bauteilen, Bausystemen und Baustoffen. Die entscheidende bauakustische Eigenschaft eines Bauteils ist die Schalldämmung. Im Wesentlichen geht es um die Fähigkeit von Bauteilen, wie Wänden, Decken, Türen und Fenstern, den Schallübergang zwischen zwei Räumen möglichst gering zu halten. In der Bauakustik lautet die Kernfrage: Welcher Anteil des Schalls kommt auf der anderen Seite eines Bauteils an und wie kann die Schallübertragung minimiert werden?
Schallschutz erfordert Sorgfalt
Entspannung, Erholung, Komfort, Ruhe und ein gewisses Mindestmaß an Privatsphäre sind wesentliche Grundbedürfnisse, die Bewohner an ihr Zuhause haben. Besonders der Schallschutz, als Schild vor äußeren und inneren Geräuschen, ist von erheblicher Bedeutung für die Wohn- und damit die Lebensqualität. In DIN 4019 (Schallschutz im Hochbau) sind Anforderungen an den Schallschutz festgelegt. Außerdem ist das Verfahren zum Nachweis des geforderten Schallschutzes geregelt.
Geräusche aus haustechnischen Anlagen sind äußerst vielfältig. Zu möglichen Lärmquellen zählen die Heizungsanlage, Abwasser- und Trinkwasserleitungen und Sanitärelemente sowie andere sanitäre Einrichtungen (Badewannen, Duschwannen etc.).
Im Neubau müssen bereits Decken, Wände und Durchführungen so dimensioniert werden, dass die später hinzu kommenden Versorgungs- und Entwässerungsleitungen gut integriert werden können, um für eine möglichst geräuscharme Installation zu sorgen. Viele Faktoren greifen dabei ineinander und machen den guten Schallschutz aus.
Doch jeder noch so kleine, direkte punktuelle Kontakt eines Installationsgegenstands mit dem Baukörper ist bereits eine Schallbrücke und in der Lage, alle mit noch so großem Material- und Arbeitsaufwand erstellten Schallschutzmaßnahmen zunichte zu machen. Schon deshalb kann eine gesamtheitliche akustische Bewertung allein auf Basis eines Abwassersystems nicht erbracht werden.