Von wegen Nische: Was einen Rollladenkasten heute ausmacht
Eigentlich sollte im Land der Dichter und Denker alles klar sein, wenn es um Definitionen von Produkten geht, denn die Anzahl der Normen und Richtlinien ist in Deutschland gefühlt fast unendlich. Und so sind neben Normen wie der DIN EN 13659 für Abschlüsse (Rollladen) und Außenjalousien (Raffstoren) nicht nur die technischen Details und Anforderungen bzw. mandatierten Eigenschaften definiert.
Auch die Begrifflichkeiten in diesem Bereich werden genau definiert, damit wir in Europa immer von der gleichen Sache sprechen, wenn es um ein bestimmtes Produkt geht. Die DIN EN 12216 (Abschlüsse – Terminologie, Benennungen und Definitionen; Dreisprachige Fassung EN 12216:2018), die im Dezember 2018 in ihrer neuesten Fassung erschienen ist, beschreibt dazu detailliert die allgemeine Terminologie für Innenjalousien, Außenjalousien und Rollläden, wie sie normalerweise verwendet und an Gebäuden angebracht werden.
Die Lücken im System
Wenn wir jetzt, der modernen Technik sei Dank, per Suchfunktion in der PDF-Version der DIN EN 12216 nach dem Begriff „Rollladenkasten“ suchen, ergeben sich keine Treffer. Da kommt man der Sache erst näher, wenn es um das Kapitel Einbauort geht, denn hier erscheint der Einbaurollladen oder die Einbau-Außenjalousie/Raffstore, deren Behänge sich – in seiner eingefahrenen Position – innerhalb der Außenwände in einem Kasten, einem Schacht oder einer Aussparung befinden. Womit wir wieder bei der Nische sind. Rollladen oder Außenjalousie/Raffstore, der/die dafür vorgesehen ist, während der Herstellung des kombinierten Systems an einem Fenster angebracht zu werden, werden hingegen als Aufsatzrollläden bezeichnet. Der Raffstore ist bei den bildlichen Erklärungen schon nicht mehr vorhanden, der textile Sonnenschutz komplette Fehlanzeige.
Auch in der Entwurfsfassung der DIN 18073 wird nur einseitig auf die Definition „Rollraum“ oder „Rollladenkasten“ eingegangen. Zwar erfolgt als Anmerkung zu den Begriffen der Hinweis, dass der Begriff Rollladenkasten für alle anderen Produkte steht, die ähnlich im Aufbau und nur fur die Aufnahme von Abschlussen und Markisen modifiziert sind.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, spielt diese Diskussion in der Praxis überhaupt eine Rolle, oder ist das wieder der berühmte Sturm im Wasserglas? Halten wir uns nicht daran auf, ob es Aufsatz oder Aufsetzrollladenkasten heißt. Im täglichen Sprachgebrauch stellt sich diese Frage eher nicht, da alleine der regionale Sprachunterschied unterschiedlichste Begrifflichkeiten an den Tag bringt. Interessant wird es da, wo genau definiert werden muss, was angeboten wird, wie es heißt und welche Leistungsparameter überhaupt vorhanden sein müssen.
Insbesondere werden diese Faktoren im Bereich der Ausschreibungen interessant, denn was genau ist ein Rollladenkasten, wo und wie ist er eingebaut, Revisionsöffnung innen oder außen? Wie sieht es beim „Raffstorekasten“ aus? Da gibt es keine Revisionsöffnung. Oder bei den textilen Abschlüssen wie z. B. integrierte ZIP-Systeme. Integrierter Insektenschutz: ja oder nein? Altbau oder Neubau? Integration ins WDVS? Oder die Diskussion um die Putzträgerplatte, lose geliefert oder verklebt, kastenbündig oder mit Überstand? Die Anforderungen an die „Kastensysteme“ sind heute wahnsinnig vielfältig.
Eine Übersicht über alle möglichen Varianten kann man sich erst nach dem Studium der wichtigsten Herstellerunterlagen verschaffen. Eine Diskussion über die unterschiedlichsten Grundmaterialien wie Styropor, Holzweichfaser oder andere haben wir da noch gar nicht begonnen.
Was ist geschuldet, was geliefert?
Kommen wir wieder auf den formalen Teil der täglichen Arbeit und damit auf Bereiche wie die Ausschreibung oder Vertragsgestaltungen zurück. Hier kommt es heute mehr und mehr darauf an, die Vertragsgrundlage genauestens zu definieren: Was wird an Leistung geschuldet, was wird geliefert? Ungenaue Angaben sind da eher ein Problem als eine Hilfe, wenn es zu Diskussionen mit dem Kunden oder zum Streitfall kommt. Eine genaue Beschreibung der Leistung und der Ausführung schafft Klarheit und fixiert auch die Anforderungen an die angrenzenden Gewerke. In der Welt der Behinderungsanzeigen und der Bedenkenanmeldungen ein wichtiger Punkt, um seine Leistung abgenommen zu bekommen und seinen Werkslohn zu erhalten.
Der Begriff „Rollladenkasten“ kann also zukünftig zumindest auf dem Papier nicht mehr ausreichend sein, um diese teilweise sehr komplexen Konstruktionen genau zu beschreiben und zu definieren. Es gilt also, die Begrifflichkeiten neu zu definieren.