So lässt sich der optimale Windwert beim Sonnenschutz ermitteln
Beim Windwert könnte eine Frage lauten, wann man ihn ermittelt: vor der Planung oder nach der Erstellung eines Projektes? Die Antwort: Er muss im Rahmen der Planung errechnet werden, um einen funktionierenden Sonnenschutz zu erhalten. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn die Nutzungsdauer (Schutz vor solaren Einträgen ins Gebäude) des Sonnenschutzes mit in die Berechnung der Energiebilanz eines Gebäudes einbezogen wird.
Passiert das nicht, wird es in vielen Fällen die Aufgabe eines Sachverständigen sein festzustellen, ob der Sonnenschutz überhaupt ausreichend gebrauchstauglich ist bzw. die erwarteten Windwerte realisiert werden können. Hier ist die Vorgehensweise simpel, da meist die örtliche Situation nachgebaut und dann im Windkanal getestet bzw. gemessen wird. Dabei zeigt sich meist sehr schnell, wie geeignet der Sonnenschutz ist.
Windgutachten gut umgesetzt
Bei dem 50Hertz Netzquartier in der Berliner Europacity (siehe Bildergalerie unten) wurde aufgrund der exponierten Lage und der Gebäudehöhe ein Windgutachten beauftragt, das in der Planungsphase berücksichtigt wurde. Für das von Ruscheweyh Consult GmbH erstellte Gutachten wurde ein komplettes Modell des Gebäudes und der Umgebungsbebauung in einem Windkanal geprüft. Dabei wurde das Objekt in 54 Windzonen mit unterschiedlichen Windcharakteristiken unterteilt. Mit dem genauen Wissen zu den Windverhältnissen konnte ein Messwertgeber für 281 Verschattungszonen realisiert werden, da neben dem Windgutachten die Verschattungskorrektur (Jahresverschattungsdiagramm) mit raumweiser Auflösung eine weitere Besonderheit des Sonnenschutzes sein sollte.
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Anhand eines Computermodells des Gebäudes und der umliegenden Bebauung, zu der unter anderem das Hochhaus Tour Total und das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin zählen, hat Warema als Lieferant der Sonnenschutzanlagen dann den wechselnden Schattenverlauf berechnet und ausgewertet. Das Gutachten und die Informationen der einzigen Messstelle, die dem System Informationen zu Helligkeit, Niederschlag, Außentemperatur, Windgeschwindigkeit und Windrichtung zur Verfügung stellt, flossen in die Berechnung ein. Die Wetterzentrale ersetzt so vollständig die 54 einzelnen Windwächter für die verschiedenen Windzonen. Die Messwerte werden an die frei programmierbaren Logikmodule der Steuerung weitergegeben, umgerechnet und in Fahrbefehle für den Sonnenschutz umgewandelt. So kann ein sicherer Betrieb der Sonnenschutzanlagen gewährleistet werden.
Berechnungsgrundlagen
Bei der herkömmlichen Planung und Realisierung von Projekten werden ein Windwächter auf dem Dach oder einer Fassade bzw. mehrere Windwächter an verschiedenen Stellen der Fassade(n) positioniert. Je nach Einstellung wird der Sonnenschutz früher oder später hochgefahren. In der Regel gilt, je mehr Sensoren, desto kleiner die Windzonen. Bei nur einem Sensor wird häufig der gesamte Sonnenschutz hochgefahren, obwohl an verschiedenden Stellen der Fassaden die kritische Windgeschwindigkeit nicht erreicht worden ist.
Ein zuverlässiges Verfahren stellt die Bestimmung der Windcharakteristiken am Gebäude dar. Hier wird mit der Messung der lokalen Windgeschwindigkeit im Windkanal an einem Modell des Gebäudes gemessen. Da hier auch in Abhängigkeit von der Windrichtung an verschiedenen Stellen der Fassade die Strömungen beachtet werden, kann so eine optimale Stelle für den Windwächter auf dem Dach ermittelt werden.
Durch die freie Montage des Fühlers auf dem Dach sollen Windgeschwindigkeits- und Windrichtungsanzeige möglichst wenig durch das Gebäude selbst gestört sein. Gemessene Windgeschwindigkeiten werden dabei auf Grundlage der ungestörten Windgeschwindigkeit der jeweiligen Dachhöhe berechnet. Der so entstehende dimensionslose Verhältniswert (Geschwindigkeitsfaktor) wird für alle Windrichtungen als Windcharakteristik bezeichnet. Mit diesem Verfahren können entsprechende Werte für die einzelnen Einsatzstellen des Sonnenschutzes am Gebäude ermittelt werden.
Problemstellung CE-Zeichen
Ein großes Problem in der Praxis ist wiederholt die Fehlinterpretation des CE-Zeichens in Bezug auf die Windwiderstandsklasse. Hier spielen zwei Punkte eine entscheidende Rolle: Zum einen gehen viele Architekten und Planer davon aus, dass es sich bei der Angabe der Windwiderstandsklasse auf einem CE-Zeichen unabhängig von der Einbausituation und Baugröße um den Maximalwert handelt, bis zu dem das Produkt benutzt werden kann, dass z.B. bei WWK 3 ein Produkt bis zu 22,5 m/s (80 km/h) Wind genutzt werden kann. Auch viele Fachbetriebe deuten die Angaben falsch, zumal meist durch die Anwendung von Windlasten, Gebäudehöhen und Geländekategorien weitere Abzüge vorgenommen werden müssen.
Zum anderen erweist es sich im Moment gerade bei seitensaumgeführten Markisen unterschiedlichster Bauart als besonders fatal, dass das CE-Zeichen mit der Angabe einer Windwiderstandsklasse, die teilweise sogar bis WWK 6 ausgewiesen wird, fehlerhaft und unzulässig erstellt wird. Hier sollten insbesondere Fachbetriebe darauf achten, dass die von ihnen bezogenen Produkte den gültigen Vorschriften und Kennzeichnungen entsprechen.