Batteriespeicher: Das sind die Trends aus München
Grund zur Freude: Deutschland steht an der Spitze des europäischen Marktes für Batteriespeichersysteme bei Privathaushalten. Damit gehört der boomende Markt zu den größten weltweit – und das lockt naturgemäß weiter neue Hersteller an. In den letzten zwei Jahren haben sich die Anzahl, die Kapazität und die Leistung dieser Systeme laut Marktdaten von EUPD Research verdreifacht.
Bis Ende 2023 wurden in Deutschland rund 11,3 Gigawattstunden Speicherkapazität installiert. Davon 63 Prozent im Eigenheim und 23 Prozent im Gewerbe, die restlichen 14 Prozent entfallen auf Industrieprojekte. Deutschland verzeichnet damit im Jahresvergleich eine Wachstumsrate von 98 Prozent. Es gibt jedoch einen weiteren Grund zu feiern: In diesem Jahr steht die vor dem zehnjährigen Jubiläum. Allein diese Messe erwartet mehr als 700 der insgesamt 2.800 Aussteller in München.
Graphit kommt meist aus China
Einen umfassenden Überblick über aktuelle Trends und Entwicklungen bietet neben der Fachmesse EES Europe auch die Power2Drive Europe, die sich auf Ladeinfrastruktur und Elektromobilität fokussiert. Insgesamt passiert viel in der Batteriebranche: Die zunehmende Elektrifizierung von Autos und Lkw sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien forcieren die Nachfrage nach Batterieakkus.
Neue Technologien, aber auch strategische und geopolitische Einflüsse werden den Batterie- und Elektromobilitätssektor umtreiben und Chancen sowie Herausforderungen aufzeigen. Vor allem Technologien, Lieferketten sowie Nachhaltigkeit und Recycling werden die Branche in diesem Jahr beschäftigen. Die Dynamik der Branche wird sich durch Lieferketten und Rohstoffe verändern. Der Wandel bietet aber auch eine Chance. Denn Exportbeschränkungen für Graphit aus China bringen europäische Batteriehersteller dazu, die Produktionsprozesse, Rohstoffbeschaffung und Lieferketten zu optimieren, um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Weiterentwicklung bestehender Technologien wie Lithiumbatterien und Batteriespeichersystemen wird ein wichtiger Schwerpunkt der europäischen Industrie.
Weniger Abhängigkeiten von Importen
Ebenso wichtig ist jedoch die Entwicklung neuer Batterietechnologien: von der Batterieproduktion bis hin zum Recycling. Europäische Hersteller wollen ihre Position im Wettbewerb durch einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit stärken. Die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von Rohstoffen ist dennoch sehr groß. Um Abhängigkeiten abzubauen und Lieferketten sowie Produktion sicherer zu machen, müssen die Lieferketten künftig breiter aufgestellt werden.
Neue Batterietechnologien sind dafür fast unumgänglich. Auch die ständig wachsende Nachfrage nach Batterien begünstigt die Entwicklung von alternativen Technologien. Laut dem Fraunhofer ISI können Alternativen wie Metall-Ionen-, Metall-Schwefel-, Metall-Luft- sowie auch Redox-Flow-Batterien in ausgewählten Märkten und Anwendungen zu einer Entlastung führen. Erhebliche Fortschritte werden 2024 auch bei Feststoffbatterien erwartet. Außerdem gewinnt die Natrium-Ionen-Technologie immer mehr an Bedeutung.
Weg von Kobalt, Nickel und Lithium
Die längere Speicherzeit, geringere Kosten sowie die aktuelle Lage der Lieferketten in anderen Bereichen machen diese Technologie immer attraktiver, da sie ohne Kobalt, Nickel und Lithium auskommt. Im Bereich der Systemtechnik wird sich der Trend hin zu einer längeren Lebensdauer von Großbatterien fortsetzen. Längere Speicherzeiten bei gleichbleibender Leistung verbessern das Anwendungspotenzial.
Europas Batterieindustrie erwartet, dass sich das Produktionsvolumen aufgrund der steigenden Nachfrage nach Batterien weiter erhöht. Im Zuge dieser Entwicklung könnte Nachhaltigkeit in der Produktion immer mehr in den Vordergrund rücken. „Die Reduktion der Energieverbräuche diverser Produktionsschritte steht dabei im Fokus der Anstrengungen europäischer Zellhersteller“, sagt Professor Heiner Heimes. Er ist Leitungsmitglied des Lehrstuhls Production Engineering of E-Mobility Components, kurz PEM genannt, an der RWTH Aachen.
Innovationen drücken die Kosten
Technologische Innovationen wie die laserbasierte Trocknung der Elektrodenbeschichtung können die Gesamtenergiekosten der Zellproduktion um bis zu zehn Prozent senken, prognostizieren die Wissenschaftler. Vor allem Mittel- und Osteuropa haben sich demnach zu entscheidenden Produktionsstandorten entwickelt. Hohe Investitionssummen fließen in den Aufbau von Produktionsstätten für die Batteriezellen, aber auch für Batteriemontage und Recycling. Neben asiatischen Unternehmen wie LG Energy Solution, Samsung und CATL investieren auch Mercedes-Benz, Volkswagen, Northvolt und Porsche in der Region. Die Batterieproduktion wird deshalb einen Schwerpunkt der EES-Messe in den Hallen B2 und C3 bilden.
Auch die Bundesregierung hat die strategische Bedeutung des Themas verstanden. Das Wirtschaftsministerium hat nun eine eigene Stromspeicherstrategie entworfen. In dem 22 Seiten umfassenden Entwurf vermisst der Branchenverband BSW-Solar jedoch konkrete Ziele und Leitplanken für einen zügigen Speicherausbau. Habecks Beamte stoßen jedoch mit dem Papier eine wichtige Debatte an. Der Entwurf steckt den Rahmen ab und fokussiert sich auf die richtigen Themen wie zum Beispiel den Aufbau von Batteriespeichern als zentrales Element für die Netzintegration erneuerbarer Energien.
Reform des regulatorischen Rahmens
Auch werden erste Ansätze für eine überfällige Reform des regulatorischen Rahmens skizziert. „Was noch fehlt, sind jedoch konkrete Ziele und Wegweiser für den Speicherausbau, für wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle und einen netzdienlichen Speicherbetrieb“, mahnt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Bei dem vorgelegten Entwurf der Speicherstrategie handelt es sich nach BSW-Einschätzung bislang eher um einen Statusbericht. Dieser beschreibe den aktuellen Stand des Speichermarktes und Rechtsrahmens, benenne eine Reihe von Markthindernissen und liste eher punktuell Maßnahmen und Handlungsfelder zu deren Verringerung auf, erklärt der BSW-Chef.
Nur ansatzweise sei von Habecks Ministerium allerdings bislang herausgearbeitet worden, welche Funktionen Speicher im Stromsystem der Zukunft konkret übernehmen sollen. Auch fehlt nach Ansicht des BSW eine differenzierte Betrachtung verschiedener Marktsegmente beispielsweise von Heimspeichern, Gewerbe- und Industriespeichern sowie Netzspeichern und erzeugungsnahen Großspeichern in Solar- und Windparks. Der BSW appelliert, im Rahmen der Speicherstrategie Wege zur Mobilisierung des gewaltigen Zukunftspotenzials mobiler Speicher der E-Autoflotte für den Ausgleich der fluktuierenden Ökoenergie zu beschreiten.
Recyclingmenge mal fünf
Die Entsorgung der Akkus sollte so früh wie möglich mitgedacht werden: „Steigende Zulassungszahlen von Elektrofahrzeugen verlangen Antworten zu Rohstoffsicherheit und -verfügbarkeit“, sagt Christian Ferreira Marques von der Abteilung Abfall- und Batterierecycling des Verbands VDMA. Auch wenn die meisten Batterien einen Second-Life-Einsatz, beispielsweise als stationäre Speicher zur Netzstabilisierung, bekommen, wird sich die Menge der zu recycelnden Batterien nach Berechnungen des Fraunhofer ISI zwischen 2030 und 2040 verfünffachen.
„Ein lokales Recycling von Batterien und die Rückführung der Rohstoffe ist ein wichtiger Baustein für eine europäische Kreislaufwirtschaft und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Hersteller“, weiß auch Ferreira Marques. Denn mit der 2023 in Kraft getretenen neuen EU-Batterieverordnung wurden die Auflagen für das Recycling noch einmal verschärft. Obwohl das Recycling von Batterien in vielen Betrieben derzeit ökonomisch nicht rentabel ist, ist die Rückgewinnung der Materialien ökologisch von großer Bedeutung.
Das Geschäft mit dem Recycling kann in der EU in Zukunft neben der Produktion ein zweites Standbein für die Industrie werden. Diese Chance sollte genutzt werden.