Wie werden Wärmepumpen entwickelt? Hausaufgaben vom Handwerk
SBZ: Die Entwicklung von Wärmepumpen bei einem großen Heiztechnikhersteller – das hört sich nach Tüfteln, Nachdenken und neuen Wegen an. Wie stellt sich die Arbeit in der Entwicklung tatsächlich dar, Frau Rüdiger?
Katy Rüdiger: Als ich hier in Remscheid vor mehr als zehn Jahren angefangen habe, hatte die Arbeit in der Tat manchmal noch Tüftel-Charakter. Man hat in kleinen Teams gearbeitet und dann auch viele Arbeiten selbst umgesetzt: Wir haben Tests im Labor durchgeführt, die auch von uns ausgewertet wurden, und geschaut, was das für Auswirkungen auf die Wärmepumpe hat. Dann kam der nächste Test und man hat nach und nach das Produkt angepasst und optimiert. Heute arbeiten wir über globalisierte Plattformen und setzen Neuentwicklungen fast wie in der Automobilindustrie um. Die Arbeiten werden entsprechend strukturiert und in Schwerpunktteams gegeben, die sich nach festen Zeitplänen treffen.
Sie haben beide Vorgehensweisen kennengelernt. Welche lag Ihnen mehr?
Beide! Ich finde es gut, wenn man die Verbindung zum Entwicklungsprodukt hat und daran „schrauben kann“. Denn damit hat man direkt die Verknüpfung zur Perspektive des Fachhandwerks und kann im sehr frühen Stadium ganz anders an Dinge herangehen. Gleichzeitig ist die Arbeit mit Schwerpunktteams sehr effizient und strukturiert, und die praktische Seite kommt auch nicht zu kurz. In Summe ist die Arbeit dadurch sehr abwechslungsreich.
Inwiefern? Können Sie uns dafür ein Beispiel nennen?
Letztens mussten wir z. B. einen Test durchführen, bei dem es darum ging zu prüfen, ob die Halterung einer Abdeckung in unterschiedlichsten Klimazonen stabil bleibt – auch bei häufiger Nutzung. Dann steht man plötzlich bei plus 30 °C, 5 °C und minus 20 °C in der Klimakammer und prüft, wie sich das Material verhält. Danach hatte ich eine Besprechung mit unseren Kollegen aus Spanien und anschließend aus China. Das ist die spannende Abwechslung, die ich meine.
Wie startet denn dieser eigentliche Prozess der Neuentwicklung einer Wärmepumpe? Setzen Sie sich dann zusammen und überlegen, wo Produkte im Markt fehlen, oder wie können wir uns das vorstellen?
Damit die eigentliche Entwicklung neuer Wärmepumpen nie zum Stillstand kommt, haben wir eine eigene Abteilung, die sich ausschließlich mit der Vorentwicklung beschäftigt. Hier wird geprüft und bewertet, was in der Zukunft rund um die Wärmepumpentechnologie passieren wird. Denn wir können ja nicht ausschließlich unsere Wärmepumpen weiterentwickeln, effizienter oder kostengünstiger machen. Sondern wir müssen die Augen offen halten für Veränderungen am Markt und die Möglichkeiten, die neue Technologien bieten können.
Werden denn auch direkt aus dem Markt gezielt Wünsche in die Vorentwicklung getragen?
Die Anregungen für Änderungen an Wärmepumpenmodellen oder die Bedürfnisse für Produkte mit neuen Funktionen bzw. neuen Möglichkeiten kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen zu Vaillant. Zum einen handelt es sich dabei um unsere Fachhandwerkspartner, die entweder direkt oder über ihren Verkaufsberater oder ihre Verkaufsberaterin wertvolle Hinweise und Anregungen geben. Zum anderen ist unser 300 Personen starkes Serviceteam ja täglich im Einsatz an unseren Wärmepumpen und erfährt daraus sehr genau, was gut funktioniert oder wo der Schuh drückt. Dann beobachten wir natürlich den Markt. Und zuletzt kommen auch Anforderungen aus der Gesetzgebung, z. B. in puncto Kältemittel. Bedingt durch die F-Gas-Verordnung war der Preis für R410A in kurzer Zeit massiv gestiegen und der Einsatz unrentabel geworden. Das müssen wir frühzeitig erkennen und Alternativen bereitstellen.
Landen Wünsche und Vorschläge mehr oder weniger zufällig in der Entwicklung oder gibt es auch regelmäßige Treffen mit den Beteiligten, z. B. aus dem Fachhandwerk?
In regelmäßigen Abständen finden Installations- und Kunden-Reviews statt. Hier werden mehrere Fachhandwerker eingeladen, die dann gemeinsam mit Vaillant-Mitarbeitern mindestens zwei komplette Wärmepumpensysteme installieren, die anschließend auch in Betrieb genommen werden. Alles, was dabei positiv oder negativ auffällt, wird dokumentiert, gewichtet und als „Hausaufgabe“ an uns weitergegeben. So haben wir unterschiedliche Perspektiven auf ein neues Produkt. In Summe ergibt das eine Wärmepumpe mit einer besonders hohen Marktreife.
Gibt es für diese „Musterinstallationen und -inbetriebnahmen“ auch bestimmte Vorbedingungen – z. B. in puncto der klimatischen Situation?
Insbesondere die klimatischen Voraussetzungen sind für uns immens wichtig und werden deswegen in allen Phasen der Entwicklung und bei Tests berücksichtigt. Denn der Markt besteht für Vaillant als internationales Unternehmen nicht nur aus Deutschland. Unsere Wärmepumpen müssen in Schweden genauso gut funktionieren wie in Spanien. Deswegen prüfen wir sie im Bereich von minus 25 °C bis plus 46 °C. Und genau darauf müssen wir von vorneherein auch in der Entwicklung achten, dass jede Wärmepumpe, die wir entwickeln, in den unterschiedlichsten Klimazonen optimal installiert sowie in Betrieb genommen werden kann und funktionieren muss. Jede Wärmepumpe durchläuft bei uns rund 300 Tests, bevor sie serienreif wird.
Können Sie vielleicht einige dieser Tests beschreiben?
Ja, sicher. Die Tests betreffen sowohl neue Wärmepumpen als auch solche Modelle, die bereits im Markt sind. Wir hatten z. B. einmal Meldungen, dass bestimmte Rasterverschlüsse bei großer Kälte abbrechen können. Das haben wir dann bei –20 °C und +30 °C in der Klimakammer geprüft. Winter- und Sommerkleidung muss man hier deswegen immer im Spind haben. Wir führen in einem sehr aufwendig gestalteten Labor Schallmessungen durch. Zusätzlich stehen Falltests auf dem Programm. Das ist eine Teststation, in der wir die Wärmepumpen mit und ohne Umverpackung aus verschiedenen Höhen fallen lassen, um ihre Widerstandsfähigkeit zu prüfen. Natürlich haben wir auch Spritzwasser- und Performancetests. Und selbstverständlich auch Tests bei Schnee und Eis. Dafür haben wir eigene Schneemaschinen. Und dann gehört es auch dazu im Sommer bei 25 °C Außentemperatur Schnee zu schippen. Zusätzlich haben wir Wärmepumpen, die anhand von konkreten Wetterdaten der letzten Jahre in einem Zeitraffer genau das leisten, was auch beim Kunden wetter- und leistungstechnisch passiert ist. Realitätsnäher geht es kaum.
Bleibt denn bei dieser Beanspruchung trotzdem genügend Zeit für den Austausch mit dem Fachhandwerk?
In jedem Fall. Denn das ist neben uns der Mensch, der zu 100 % von einer Wärmepumpe überzeugt sein muss. Ist das nicht so, müssen wir uns hinterfragen. Deswegen gefiel mir mein duales Studium bei Vaillant auch sehr gut als Vorbereitung auf diese Denkweise. Die war in einem dreimonatigen Wechsel zwischen Theorie und Praxis strukturiert. Und die drei Monate bei Vaillant habe ich dann in den unterschiedlichsten Abteilungen verbracht – Instandhaltung, Einkauf und auch im Außendienst. Aus der Zeit heraus trinke ich meinen Kaffee nur noch schwarz, weil bei den Partnern aus dem Fachhandwerk oft sehr viel Zucker im Kaffee gelandet ist. Das Wichtigste waren und sind aber die Informationen, die wir dort erhalten. Wir hören dann immer sehr genau zu und haben so oft einen neuen Blickwinkel, der wichtige Anhaltspunkte bietet.
Kommen denn auch Fragen, warum es dermaßen lange dauert, um eine neue Wärmepumpe zu entwickeln und auch gerade die Lösungen zu bieten, die im Markt benötigt werden?
Wir müssen bei einer neuen Wärmepumpe alle Anforderungen bestmöglich erfüllen. Und gerade in Deutschland ist das goldene Dreieck aus Effizienz, Leistung und Schall relevant. Diese drei Aspekte stehen aber oft im Gegensatz zueinander. Ich kann sehr effizient sein, habe dann aber weniger Leistung. Ich kann extrem leise sein, habe dann aber auch weniger Leistung. Hier ein Optimum zu finden ist eine Herausforderung. Und jede Änderung greift auch in die komplexen Vorgänge des Kältekreises ein. Die Auswirkungen daraus betreffen dann wiederum alle Komponenten.
Gehört dazu auch die Umstellung auf ein neues Kältemittel, wie Sie es ja mit R290 derzeit umsetzen? Das betrifft den Fachhandwerker ja auch direkt in der Montage und Inbetriebnahme.
In jedem Fall. Hier kamen die Anforderungen von außen an uns heran. Denn das bekannte Kältemittel R410A hat einen GWP von rund 2088, R32 immer noch von 675 und R290 schließlich von 3. Natürlich hätten wir hier auch auf R32 ausweichen können. Für eine Monoblock-Außenaufstellung bietet sich aber R290 als ideale Alternative an und daher sind wir diesen Weg gegangen.
Wir wissen natürlich, dass Sie keine Auskunft geben dürfen, an welchen Zukunftsprojekten Sie derzeit arbeiten. Aber vielleicht können wir doch einen kleinen Blick darauf werfen, was der Fachhandwerker künftig von Vaillant Wärmepumpen erwarten kann.
Bei uns geht es hier in erster Linie um die Weiterentwicklung und stetige Optimierung unserer Wärmepumpen – vor allen Dingen in der Effizienz- und Leistungssteigerung – sowie die bessere Abdeckung der Marktanforderungen. Das betrifft sowohl die Anforderungen aus dem Fachhandwerk als auch die Wünsche der Endkunden. Dabei stehen die Veränderungen im Kältemittelbereich im Mittelpunkt. Und auch die Installations-, Wartungs- und Bedienfreundlichkeit gehört zum festen Fundament unserer Arbeiten. In den kommenden Jahren werden wir auf der Grundlage dieser Rahmendaten einige Neuheiten präsentieren können, die für den Einsatz von Wärmepumpen noch weitere Möglichkeiten eröffnen. So viel darf ich schon verraten.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Rüdiger.
Name: Katy Rüdiger
Berufliche Position: Innovationsingenieurin Entwicklung
Persönliche Beziehung zu Wärmepumpen: „Vom ersten Tag an war ich nach meiner Ausbildung bei Vaillant im Bereich Wärmepumpen aktiv. Ich konnte so miterleben, wie die Produkte erwachsen und zur wichtigsten Waffe der Heiztechnikbranche gegen den Klimawandel geworden sind. “
Persönliche Meinung über Vaillant: „Jeder Tag ist anders und immer abwechslungsreich. Insbesondere die Zusammenarbeit mit Kollegen aus allen Bereichen und die internationale Gemeinschaft machen großen Spaß und sind außergewöhnlich.“
Besonderheiten/Merkmale: Mathematik und Physik haben Katy Rüdiger in der Schule immer besonderen Spaß gemacht – sie konnte sich nur nie vorstellen, was man damit beruflich anfangen kann. Bis sie dann durch ein Praktikum bei Vaillant Einblick in den Heiztechnik-Praxisalltag gewonnen hat. Privat treibt Rüdiger viel Sport – vor allen Dingen Volleyball und Beachvolleyball sowie Radfahren und Mountainbiking.
SBZ-Video
Unter dem Motto „Geht nicht? Geht doch!“ hat Vaillant im September 2021 SHK-Fachhandwerker dazu aufgerufen, besonders herausfordernde Sanierungsprojekte im Rahmen einer Wärmepumpen-Challenge zu präsentieren. Katy Rüdiger gehört zur siebenköpfigen Jury des Wettbewerbs. Das Video gibt einen Einblick in ihre Arbeit.
Zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=gLwJ2rESo_8
Infos zur Aktion: www.vai.vg/geht-doch
Dieser Artikel erschien zuerst in SBZ-Ausgabe 07/2022.