Lichtleitsysteme: Wie man Sonnenlicht ins Haus lenkt
Tageslicht ist der maßgebliche Taktgeber für die innere Uhr des Menschen. Anhand des Lichtstands folgert er die Tageszeit. Ersatz bietet Kunstlicht im Grunde genommen nicht. Kunstlicht hat außerdem eine andere spektrale Zusammensetzung als Tageslicht, auf das die Menschen seit Tausenden von Jahren physisch und psychisch programmiert sind. Kaum ein Bauherr würde beispielsweise auf die Idee kommen, das Bad in seinem neuen Eigenheim ohne Fenster bauen zu lassen. Und jeder Mieter bevorzugt eine Wohnung mit Tageslicht im Bad. Wo das nicht möglich ist, bieten Lichtleitsysteme für Tageslicht eine erstaunliche Lösung, nicht nur bei innenliegenden Bädern.
Darüber hinaus reduziert Tageslicht Unruhe und Stress und spielt generell eine wichtige gesundheitsfördernde Rolle. Dies hat man mittlerweile auch im Gesundheitswesen erkannt und das Tageslichtmanagement in Gesundheitseinrichtungen wird immer mehr gefördert und ausgebaut.
Grundsätzlicher Aufbau eines Lichtleitsystems
Durch eine Kuppel auf dem Dach fällt Tageslicht in eine Röhre. Meist handelt es sich um eine durchsichtige Acrylglaskuppel oder Acrylglasscheibe. Andere Anbieter verwenden als Material für ihre Kuppel auch eisenarmes Glas und versprechen sich davon eine noch höhere Durchlässigkeit. Die Licht-Durchlässigkeit guter Kuppeln bewegt sich im Bereich ≥ 90 % und es gibt unterschiedliche technische Konzepte, die miteinander um den besten Lichteintrag-Effekt wetteifern. Dazu zählen Abschrägungen der Röhre oder auch die Segmentierung der Kuppel wie eine Torte in einzelne Sammellinsen. Die Kuppeln sind witterungsbeständig, UV-resistent (das Acrylglas guter Anbieter vergilbt nicht) sowie hagelfest. Da es keine speziellen Normen für Tageslichtkuppeln gibt, lassen gute Hersteller ihre Produkte nach entsprechenden DIN-Vorgaben prüfen (DIN EN 1873 Flachdach und DIN EN 14351-1 Steildach), z. B. zur Wasserdichtheit, zu Lasten (Windsog) und zum Durchstoß.
Die Beschichtung der Röhren im Lichtleitsystem
Die Innenwand der Röhre ist mit einer hochreflektierenden optischen Schicht versehen, an der das Licht nach unten reflektiert wird, das durch die Kuppel eingesammelt wurde. Es gibt deutliche Qualitätsunterschiede bei der Beschichtung. Einfache Systeme arbeiten mit Kunststoff-Folien, die auf eine Metall-Röhre aufgeklebt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der Materialien kann das auf die Jahre gesehen ein Unterfangen sein, denn die Folie kann z. B. reißen. Zweitens wird auflaminierten Folien zwar bescheinigt, dass sie gut reflektieren. Aber bei jeder Reflektion streuen sie auch vergleichsweise viel Licht. Streulicht lässt sich aber nur mit großen Verlusten transportieren. Das Licht nimmt in seiner Intensität folglich sehr schnell ab.
Hochwertigere Systeme arbeiten mit Vakuumbeschichtungen. Dabei wird z. B. Reinstsilber aufgedämpft, das nur das sichtbare Licht reflektiert, also der Wellenlängenbereich 400 – 780 nm. UV- und Infraro-(IR)-Strahlung wird nur minimal reflektiert.
So können die Lichtleitsysteme Tageslicht in die Wohnung leiten
Am unteren Ende der Röhre des Lichtleitsystemes befindet sich eine Streuscheibe. Sie schließt mit der Raumdecke ab. Das bis dahin zum Großteil noch gerichtete und nach unten reflektierte Licht trifft auf die Streuscheibe. Die Streuscheibe ist aus Acrylglas und hat die Funktion, das gerichtete Licht in den Raum zu streuen.
Eine gerade Tageslicht-Röhre einzubauen ist das Beste. Doch nicht jeder Bau erlaubt den Einbau einer solchen, insbesondere ein vorhandener Bau manchmal nicht. Es gibt Alternativen am Markt, z.B. stufenlos einstellbare 45°-Bogen aus mehreren Segmenten, die über die gleiche Hochleistungsoberfläche verfügen wie gerade Lichtröhren. Die Praxis hat gezeigt, dass selbst 90°-Bögen ohne nennenswerte Lichtverluste möglich sind.
Lichtleitsysteme bringen erstaunlich viel Licht
Wieviel Licht ist am Ende möglich? Das ist eine pauschal nicht beantwortbare Frage, da sie von etlichen Faktoren abhängt. Dazu zählen z.B. der gewählte Durchmesser des Sammelsystems in Abhängigkeit von der Raumgröße, die Konstruktion der Kuppel auf dem Dach, wieviel sie aufgrund der Dachsituation und -ausrichtung einsammeln kann oder wie oft das Licht reflektiert werden muss, um von oben nach unten in den Raum zu gelangen. Denn auch sehr gute Reflexionsschichten spiegeln das Licht nicht zu 100%.
Am Ende ist aber erstaunlich viel Licht möglich. Anbieter wie Talis geben bei einer Lichtleitsystem-Röhre mit einem kleinen Durchmesser von 30cm und bei einer Rohrlänge von 65cm als Vergleichsmaßstab ein Dachfenster von 60 auf 60cm an, das dieselbe Lichtausbeute erzielt. Bei einer Röhre bis 2,5m Länge bei gleichem Durchmesser wird das Licht als ausreichend zum Arbeiten, zum Lesen und zum Wohnen beschrieben. Selbst bei Röhren bis 4m Länge sei es noch hell; Lesen und Arbeiten sei dann aber nur direkt unter der Streuscheibe möglich. Ab Längen darüber benötigt man für solche Zwecke dann Kunstlicht. Laut Talis sind Kunden selbst bei 8 m langen Röhren mit dem Ergebnis einer Grundbeleuchtung sehr zufrieden.
Tauwasser vermeiden durch bauliche Maßnahmen
Wie wird erreicht, dass es weder in der Röhre noch an den Grenzflächen der Streuscheibe oder der Kuppel zu Tauwasser (Schwitzwasser, Kondensat) kommt? Der physikalische Ablauf innerhalb eines Tageslichtsystems zeichnet sich dadurch aus, dass sich das Luftvolumen in den optischen Röhren durch Temperaturunterschiede verändert. Luft entweicht bei Überdruck, bei Unterdruck kommt von außen Luft in das System. Immer wenn warme Luft im System abkühlt, entsteht eine geringe Menge Tau. Bei einem geschlossenen System würde sich im Lauf von Wochen oder Monaten Tauwasser ansammeln. Die konstruktive Lösung der Herausforderung Tauwasser besteht also darin, ungewollten Lufteintritt zu unterbinden und dem Lufteintritt, der sich nicht vermeiden lässt, einen Luftaustausch zu ermöglichen.
Bei den Herstellern Talis und Green Lighting beispielsweise werden alle Bauteile bzw. der gesamte Bereich unterhalb der Dampfbremsebene im Gebäude luftdicht verbaut und abgeklebt. Außerdem werden die optischen Röhren an die Dampfbremse angeschlossen. Auf dem Dach sorgen mehrere aufeinander abgestimmte Öffnungen dafür, dass ein definierter Austausch zwischen Innen- und Außenluft stattfindet. Zwischen optischer Röhre und der unteren Acrylglas-Scheibe der Kuppel ist dazu ein durchgehender Spalt von 5 mm einzuhalten, sonst funktioniert der gewollte Luftaustausch nicht.
Wärmebrücke und Dämmung: Darauf ist bei Lichtleitsystemen zu achten
Schwitzwasser/Tauwasser kann aber auch ein Zeichen für schlechte Isolierung bzw. Dämmung sein. Ein Tageslichtsystem ist grundsätzlich ein Durchbruch durch die Außenhaut und damit auch der vorhandenen Dämmung. Wenn ein Metallrohr durch eine Dachdämmung geführt wird, entsteht eine Wärmebrücke. Auch hier zeigen sich dann Qualitätsunterschiede.
Green Lighting löst dies aus seiner Sicht, indem es eine Isolierscheibe in einen Dämmblock einklebt, der in der Röhre in der Dämmebene des Gebäudes verbaut wird. Die Lichtröhren sind ohne Kontakt zur Glasscheibe ebenfalls eingeklebt. Metall und Glas sind gute Temperaturleiter. Daher ist es besonders wichtig, die Temperaturweiterleitung (z.B. im Winter bei niedrigen Temperaturen) nicht ins Gebäudeinnere zu leiten. Durch die Unterbrechung der Lichtröhre mit einer Isolierscheibe in der Dämmebene wird laut Green Lighting der Temperaturausgleich auf ein Minimum reduziert. Der Lichtdurchlass wird zwar um ca. 10% verringert, dafür hat man kein Schwitzwasser bzw. Kondensat und laut Green Lighting ein bauphysikalisch optimal eingebundenes System.
Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.
Das Verfahren zur Messung sichtbaren Lichts wird übrigens Photometrie genannt.