Lüftung braucht Beratungsoffensive: Effizienztechnik mit Imageproblem
Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung könnten einen bedeutenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudebereich leisten. Theoretisch machbar wäre aus Sicht der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft co2online bis 2030 die Installation von jährlich 500.000 Einheiten in Wohngebäuden – zwei Millionen Tonnen an CO2-Ausstoß pro Jahr könnten damit vermieden werden.
Tatsächlich eingebaut wurden aber lediglich 250.000 Anlagen, informierte Laurenz Hermann von co2online im April auf der internationalen Passivhaustagung in Innsbruck. Er stellte eine Beratungsoffensive vor, mit der die Gesellschaft von 2018 bis 2020 versucht hat, Vorurteile gegenüber dieser Technik abzubauen, und das trotz bescheidener Mittel mit beachtlichem Erfolg. Leider ist die Finanzierung einer für 2025 geplanten, zweiten Auflage der Aktion vorerst abgelehnt worden, doch selbstverständlich wirbt die Initiative weiter für die Effizienztechnik.
„Aufgeschlossene Skeptiker“ erreichen
CO2 online wendet sich seit der Gründung im Jahre 2003 gezielt an Endverbrauchende, also auch an GebäudeeigentümerInnen und MieterInnen, und hat inzwischen reichlich Softskills für den Umgang mit ihnen erworben. Die GEB-Redaktion sprach mit Geschäftsführer Sebastian Metzger über die KWL-Beratungsoffensive im Speziellen und über die Zielgruppe im Allgemeinen, darüber, wie man sie am besten abholen kann.
Sie sei durchaus heterogen, so Metzger, es sei das komplette politische Spektrum vertreten. Es gebe natürlich die in Sachen Klimaschutz Sensibilisierten, doch ebenso die „aufgeschlossenen Skeptiker“, die überzeugt werden müssten und überzeugt werden könnten – auch von den Vorteilen einer Technik, die zu Unrecht nach wie vor im Schatten von Wärmepumpe und Photovoltaik steht.
Hauptargument für Lüftung heißt Energieeinsparung
Zum Lüftungs-Projekt von 2018 bis 2020 gehörten eine Umfrage unter Fachleuten mit 263 Teilnehmenden sowie mehrere unter HauseigentümerInnen und BauherrInnen, dazu ein Praxistest der Anlagen durch eine kleinere Gruppe. Die Anlagen wurden in Neubauten installiert, aber auch in Bestandsgebäuden, im Zuge einer Modernisierung, die Teilnehmenden berichteten dann über ihre jeweiligen Erfahrungen, positive wie auch negative.
Es stellte sich unter anderem heraus, dass unter den Nichtfachleuten die Energieeinsparung das Argument war, das am ehesten für die kontrollierte Lüftung sprach: Nahezu die Hälfte der Befragten nannte diesen Punkt. Bei co2online weiß man, dass man mit konkreten Zahlen betreffs der Effizienz vorsichtig sein muss. „Doch die Experten haben uns bestätigt, dass man von zirka zehn Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter ausgehen darf“, sagt Metzger. Allerdings – und diesen Sachverhalt bestätigen Energieberatende, Verbraucherzentralen und Energieagenturen landesweit – hätten die wenigsten Menschen ihre tatsächlichen Strom- und Wärmeverbräuche im Blick. Das 2009 von co2online ins Leben gerufene „Energiesparkonto“, mit dem jede und jeder über die individuell verbrauchten Kilowattstunden Buch führen kann, hat nur mäßiges Interesse gefunden.
Wohltat für Allergiker
Nach Meinung rund eines Drittels der befragten Nichtfachleute war darüber hinaus die Wohngesundheit ein wichtiges Thema. Genannt wurde die Entsorgung beziehungsweise die Filterung von Schadstoffen als eindeutiger Vorteil der Technik. Fast ebenso viele führten auch die Tatsache, dass Pollen durch die Außenfilter ausgesperrt blieben, als klaren Pluspunkt an („eine Wohltat für Allergiker“), und hoben das verbesserte Raumklima hervor. Einer der Tester ist bekennender und praktizierender Indoor-Raucher, doch dank der Anlage entfällt die typische Geruchsbelästigung.
Metzger, der mit Familie mitten in Berlin wohnt, gleichfalls in einem Haus mit Lüftungsanlage, ergänzt die Punkte Feinstaub und Kohlendioxid. Der Staub bleibe draußen, das CO2, das in zu hoher Konzentration müde und benommen macht, werde entsorgt. Die oft befürchteten angeblichen Begleiterscheinungen Lufttrockenheit, Zug und Geräuschentwicklung träten bei ordnungsgemäßer Planung, Installation und Wartung durch Profis nicht auf.
Fördermöglichkeiten aufzeigen
Als abschreckend empfand fast die Hälfte der Befragten die Kosten für Erstanschaffung, Installation und Wartungsarbeiten. Da die Anschaffungskosten unter anderem von der Gebäudegröße abhängen sowie davon, ob man eine zentrale oder eine dezentrale Lösung wählt, ergibt sich ein recht breites Spektrum. Eine der Testfamilien, die ein Haus von 1928 modernisiert und sich für die zentrale Variante entschieden hatte, war 2018 mit 15.000 Euro dabei. Das Ehepaar mit zwei Kindern – sie Stadtplanerin, er Landschaftsarchitekt – ist laut co2online allerdings überdurchschnittlich engagiert in Sachen Klimaschutz und entsprechend auch besser informiert als der Durchschnitt.
Das schließt das Wissen um die passenden Fördermöglichkeiten mit ein, welches jedoch bei vielen Ratsuchenden schlicht nicht vorhanden ist. „Angesichts der hochkomplexen, schwer überschaubaren Förderlandschaft in Deutschland kein Wunder“, meint Metzger. Man müsse andererseits jedoch die Investition im Verhältnis zu den sonstigen Ausgaben der Haushalte hierzulande sehen. Derzeit erlebe man bekanntlich einen Tourismus-Boom, viele Leute leisteten sich teure Fernreisen, steckten aber kaum Geld in ihre sanierungsbedürftigen Gebäude – ein offensichtlicher Widerspruch. Mit dieser Analyse ist er keineswegs alleine [1].
Dennoch lohne sich die Überzeugungsarbeit in puncto kontrollierter Lüftung, ist sich Metzger sicher. Man müsse eben nur dort ansetzen, wo die Menschen ihre Probleme sähen: bei den Energiekosten und bei der Wohngesundheit. Über die Themen Klima- und Umweltschutz dagegen erreiche man vergleichsweise wenige. Es hat sich außerdem im Rahmen der Offensive gezeigt, dass die Ratsuchenden durchaus auf die Qualität der Beratung achteten und es insbesondere positiv vermerkten, wenn sie unabhängig erfolgte.
Die meisten derjenigen, die sich überzeugen ließen, waren nach anfänglicher Skepsis von der Technik bald sehr angetan und wollten sie nicht mehr missen. Ein Ergebnis, dass die Hersteller mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis nehmen dürften. Aufklärung und Information sind damit weiterhin gefordert, immerhin gaben 70 Prozent der Befragten an, im Vorfeld weder über die Technik als solche noch über ihre Vorteile orientiert gewesen zu sein.
Hersteller fordern Regelung zur Raumluftqualität
In Berlin, wo co2online seinen Sitz hat, fand Ende September der „Energy Talk“ der TGA-Repräsentanz statt, einer Einrichtung der vier großen TGA-Verbände, darunter der Herstellerverband Raumlufttechnische Geräte und der Fachverband Gebäude-Klima. Im Laufe der Veranstaltung wollten die versammelten Bundestagsabgeordneten von der Branche wissen, welche Regularien von Seiten des Gesetzgebers das schwächelnde Geschäft wieder ankurbeln könnten.
Die Antwort fiel klar aus: Die nächste Novelle des Gebäudeenergiegesetzes muss strengere Vorgaben zur Raumluftqualität enthalten, mit Festschreibung nicht nur eines Mindestluftwechsels, sondern auch einer Regelung zur Überwachung der Luftgüte per Monitoring – all das im Sinne auch der Gebäudeeffizienz. Entsprechendes stehe bereits in der EU-Gebäuderichtlinie, außerdem gebe es vergleichbare Vorgaben in Skandinavien schon seit langem. Dort handele es sich bei Lüftungsanlagen um eine Alltagstechnik – die einen bedeutenden Beitrag zu Erreichung der Klimaziele leistet.
Quelle: [1] Gastkommentar: Private Energiewende kommt kaum in Schwung, https://t1p.de/GEB240830