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F-Gase-Verordnung: Deutliche Verteuerung bei bestimmten Kältemitteln

Dipl.-Ing. Achim Frommann

„Es ist so weit: F-Gase-Kältemittel nicht mehr in ausreichender Menge verfügbar“, titelte am 10. August 2017 eine gemeinsame Presseerklärung der deutschen Spartenverbände VDKF,  BIV und ZVKKW. Sie vertreten in erster Linie das Kälteanlagenbauerhandwerk, zugleich den Fachhandel, die Industrie sowie Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtungen. Es folgte am 20. November ein gemeinsamer Brandbrief und Hilferuf an politische Entscheidungsträger, aufgrund des Kältemittel-Engpasses schnellstens in einen Dialog einzutreten, um Lösungen für die Notlage herbeizuführen.

Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen Ländern, die der F-Gase-Verordnung (EU) 517/2014 unterstehen, überschlugen sich in der zweiten Jahreshälfte 2017 die Ereignisse. Denn Frischware des Kältemittels R404A war aufgrund der vorgegebenen Quotenregelung in Europa praktisch nicht zu bekommen – trotz physikalischer Verfügbarkeit im Weltmarkt. Wer noch über R404A-Bestände von seinem Händler noch versorgt wurde, bezahlte zu Tagespreisen.

Bereits erfolgte Abkündigungen der Kältemittelhersteller lassen erwarten, dass für Europa viele F-Gase deutlich früher als in der EU-Verordnung vorgesehen, nicht mehr als Frischware, sondern höchstens recycelt erhältlich sein werden. „Was bis dato aber immer noch nicht aufgebaut wurde, ist ein vernünftiger Wiederaufbereitungskreislauf“, stellte der damalige VDKF-Präsident Wolfgang Zaremski in der Informationsschrift seines Verbands Ende Oktober 2017 fest. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die Kältemittel-Lieferanten sind bei dieser dramatischen Marktlage aufgefordert, ihren Kunden endlich ein flächendeckendes Wiederaufbereitungs- bzw. Recyclingsystem anzubieten.“

Preise außer Kontrolle

Von Mai bis November 2017 ist der Preis für R404A um mehr als 600 Prozent gestiegen und lag schon weit über 60 Euro/kg. Inzwischen werden bereits Preise im dreistelligen Euro-Bereich aufgerufen. Und auch für R134a, R407C oder R410A dreht sich das Preiskarussell immer schneller. Darüber hinaus wird bereits über weitere Abkündigungen gemunkelt, die zeitnah verschiedene Gemische der R400er-Reihe mit hohen GWP-Werten treffen sollen.

All diese Vorboten signalisieren, dass der nächsten Stufe des Phase-Downs deutlich früher als vom Gesetzgeber festgelegt Rechnung getragen wird. Hinzu kommt, dass sich seit Januar 2018 die Quote auf nur noch 63 Prozent zum Ausgangswert von 2015 reduziert hat. Damit werden europaweit spürbar weniger CO2-Äquivalente ausgegeben, was das Preiskarussell beschleunigen und das Ende für die meisten HFKWs herbeiführen wird. Low-GWP-Kältemittel rücken hingegen immer schneller in den Fokus.

Abruptes Aus für R404A

Besonders akut ist die Lage derzeit bei R404A-Bestandsanlagen. Dieses Kältemittel findet vor allem in der Gewerbekühlung Anwendung. So geht man beim VDKF davon aus, dass es in Deutschland bis zu 350 000 R404A-Kälteanlagen gibt, davon 100 000 im Lebensmitteleinzelhandel. Basis dieser Einschätzung ist die VDKF-Jahresanalyse zu Leckagen von rund 150 000 Kälteanlagen. Dafür wurde vom Verband vor zehn Jahren das LEC-Siegel eingeführt. Es ist ein anerkannter Nachweis zur Dichtheit von Systemen. Für den Eigentümer einer Kälte- oder Klimaanlage macht seine Nutzung schon deshalb großen Sinn, da Betreiber in Deutschland die gesetzlich vorgeschriebene Verantwortung für die Vermeidung von Emissionen fluorierter Kältemittel tragen. Grundlage dafür ist die Chemikalien-Klimaschutzverordnung. „Ich kann jedem Anlagenbauer nur raten, höchsten Wert auf die Dichtheit beim Kälteanlagenbau zu legen“, mahnt Zaremski. „Dafür wurde das LEC-Siegel eingeführt. Wer damit eine saubere Installation ohne Leckagen nachweisen kann, hat bei seinen Kunden jetzt einen klaren Wettbewerbsvorteil.“ Erstens besteht für diese Anlagen keine akute Notsituation. Und zweitens können die Systeme in aller Ruhe umgestellt oder ganz erneuert werden. Vor allem aber wird bei einer Umstellung dem Markt sortenreines Kältemittel zurückgegeben, das von der Quote nicht betroffen ist und gerade eine beachtliche Wertsteigerung erfährt.

Probleme beim Recycling

An dieser Stelle taucht allerdings aktuell ein anderes großes Problem auf: Sowohl der europäische Verband EPEE (European Partnership for Energy and the Environment) als auch der Kälte-Klima-Fachgroßhandel bestätigen, dass Kunden wohl aus Angst vor Engpässen Kältemittel wie R404A in Leihflaschen zu „hamstern“ scheinen. Denn der eingespielte Flaschen-Rückgabezyklus ist ins Stocken geraten, was außerdem die Marktversorgung mit Frischware massiv behindert. Wolfgang Zaremski kennt diese Situation. „Viele Kälteanlagenbauer sind in einer Zwickmühle. Zum einen ist derzeit nicht ausreichend R404A verfügbar, der Preis dafür außerdem astronomisch hoch. Das führt dazu, dass seit Wochen eine unvorhergesehene Bevorratung stattfindet. Gleichzeitig ist aber auch die Versorgung mit den neuen Ersatzkältemitteln noch unzureichend, teilweise auch sehr teuer. Gleiches gilt für Retrofit-Komponenten, allem voran bei freigegebenen Verdichtern.“ Zaremski befürchtet außerdem, dass sich aufgrund der aktuellen Notlage mancher Kälteanlagenbauer (entgegen fachgerechter Praxis) dazu hinreißen lässt, R404A-Anlagen mit anderen Kältemitteln nachzufüllen. Für die Wiederaufbereitung und ein Recycling ist es dann in den meisten Fällen ein für alle Mal verloren. Auch der illegale Handel droht. Dies prangerte die britische Environmental Investigation Agency (EIA) am 21. November 2017 anlässlich des Atmosphere Network in Montreal für verschiedene fluorierte Kältemittel an und forderte Zollabfertigungsvorschriften, um den Anfängen zu wehren.

Entwicklung ist keine Überraschung

Seit drei Jahren werden Inhalte und mögliche Folgen der (EU) F-Gase-Verordnung kommuniziert und diskutiert. Deren Grundlage ist der 4. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC. Dessen wichtigstes Fazit mahnt, „dass die Industrieländer auf der Grundlage der vorhandenen Daten die Treibhausgasemissionen bis 2050 zu 80 bis 95 Prozent gegenüber den Werten von 1990 verringern müssten, um den weltweiten Klimawandel auf einen Temperaturanstieg von 2 °C zu begrenzen und damit unerwünschte Klimaauswirkungen zu vermeiden.“ Wie sich jetzt bewahrheitet, sind Kältemittel mit großem Treibhauspotenzial zuallererst davon betroffen. Mit einem GWP-Wert von 3922 gehört R404A eindeutig dazu. Die EU setzt bei der Durchführung ihrer Verordnung vor allem auf Mechanismen von Angebot und Nachfrage sowie auf die Selbstverpflichtung der Branche. Verbote sind darum zurückhaltend formuliert. Es blieb also weitestgehend dem Markt selbst überlassen, in welcher Weise die CO2-Minderungsziele bei den Treibhausgasen erreicht werden, was schließlich zu der Kältemittelverknappung geführt hat. Beim europäischen Verband EPEE ist man von der Entwicklung nicht wirklich überrascht, laut Geschäftsführerin Andrea Voigt, allerdings vom jetzigen Ausmaß. „In den kommenden zwei Jahren werden die verfügbaren CO2-Äquivalente im Rahmen des HFKW-Phase-Downs um über die Hälfte reduziert. Kältemittel mit hohem GWP-Wert sind besonders stark betroffen. Wenn der Markt nicht schnell genug reagiert, was bislang leider der Fall war, dann führen Angebot und Nachfrage dazu, dass die Verfügbarkeit dieser Produkte rapide zurückgeht und die Preise in die Höhe schnellen.“ Gleichzeitig warnt auch Voigt vor Hamsterkäufen im Hinblick auf die kommenden zwei Jahre und deren Auswirkungen. „Durch die Mechanismen des Phase-Downs werden die Auswirkungen unkalkulierbarer Lagerkäufe von R404A sowie Verzögerungen bei der Umstellung bestehender sowie beim Bau neuer Anlagen Kreise ziehen und ebenfalls zu Knappheit und Preiserhöhungen bei anderen Produkten führen.“ Wenn ein Segment nicht schnell genug reagiert, trifft es auch die anderen. „Frisst“ also R404A weiterhin ein Großteil der verfügbaren Quoten auf, bleibt nicht mehr genug für andere Kältemittel wie R134a oder R410A übrig.

Wohin führt der Weg?

„Einige große Lebensmittelkonzerne haben diese Entwicklung in der Gewerbekühlung vor Jahren kommen sehen und entsprechende Weichen gestellt“, weiß Unternehmensberater Edwin Bloch zu berichten. „Es folgte der sukzessive Umstieg auf natürliche Kältemittel. Bestes Beispiel dafür ist Aldi Süd als Vorreiter für den Einsatz von CO2 in der Filialkühlung und Propan in steckerfertigen Glasschiebedeckeltruhen.“ Was aber macht das Kleingewerbe und was kommt auf den riesigen Klima-/Kälte- und Wärmepumpenmarkt zu?

Gewerbekälteanlagen

Für Gewerbekälteanlagen mit längeren Restlaufzeiten sollten mit dem Anlagenbau umgehend Maßnahmen besprochen und Investitionen eingestellt werden. Frischware von HFKWs wird knapp und teuer bleiben. Die Verfügbarkeit von recyceltem R404A in ausreichenden Mengen ist bislang ungeklärt. Darum sollte jeder Betreiber eine undichte Kälteanlage gleich umrüsten lassen. Übergangskältemittel mit geringeren Treibhauswerten zu R404A gibt es reichlich. Einige davon heißen R448A (GWP 1387), R449A (GWP 1397), R407H (GWP 1495) oder R452A (GWP 2140). Liegt der GWP-Wert unter 1500, werden in Deutschland Zuschüsse über die Bundesbehörde BAFA gewährt. Einziges Manko: Für alle Stoffe gibt es kaum unabhängige Feldtests oder Betriebserfahrungen und praktisch keine wissenschaftlichen Handlungsempfehlungen, auf die sich der Anlagenbau stützen kann.

Für Marktneu- oder -umbauten werden wie schon erwähnt vielfach Konzepte umgesetzt, die mit natürlichen Kältemitteln arbeiten. „Für Neuanlagen empfehle ich Kälte- bzw. Energiekonzepte mit den beiden natürlichen Kältemitteln CO2 und Propan“, rät Edwin Bloch. Dazu zählt zum Beispiel ein aktuelles Projekt von Viessmann bei Aldi Nord. Ähnlich die Entwicklung im Kühlmöbelbau: „Bei Neuanlagen oder steckerfertigen Kühl- und Gefriergeräten bietet sich Propan, für kleinere Anwendungen Isobutan an“, erklärt Ulrich Bartoleit von der AHT Cooling Systems GmbH. Der Trend ist also klar. Er geht in der Gewerbekälte hin zu Kältemitteln mit sehr niedrigen GWP-Werten – was diese dann allerdings brennbar werden lässt.

„Im mittleren und größeren Leistungsbereich von Neuanlagen wird sich der Trend zu natürlichen Kältemitteln in Verbundsystemen fortsetzen. Im Bereich kleinerer Leistungen bietet die chemische Industrie mit den aktuellen Low-GWP-Kältemitteln eine sinnvolle Brückentechnologie für die kommenden Jahre“, so die Einschätzung von Veit Scholl, Geschäftsführer der Christof Fischer GmbH, und weiter: „Bei Bestandsanlagen wird der Zeitpunkt kommen, an dem sich schon aus wirtschaftlichen Gründen die Umstellung auf eine Low-GWP-Alternative lohnt. Gleichwohl sollte man bei der Wahl des Alternativkältemittels weiterhin die Systemeffizienz nach der Umstellung im Auge behalten, zeigen sich doch in Abhängigkeit vom Betriebspunkt beispielsweise gravierende Effizienzunterschiede bei den R134a-Alternativen R513A und R450A.“ Seine Befürchtung: Eine Verschlechterung der Effizienz würde nicht nur die Ziele der F-Gase-Verordnung konterkarieren, es wäre zudem eine Milchmädchenrechnung für den Betreiber, hier lediglich die Anschaffungskosten des Kältemittels im Auge zu haben.

Klimageräte und Wärmepumpen

Für Klimakälte oder Turbomaschinen gibt es derzeit nur an Stelle von R134a eine echte Langzeitlösung. So waren auf der ISH 2017 in Frankfurt mehrere Kaltwassersätze mit den HFO-Kältemitteln R1234yf oder R1234ze zu sehen. Der Mehrpreis zu vergleichbaren R134a-Anlagen wird auf rund 20 Prozent beziffert, was aber ein weiter steigender Preis für R134a bald ausgleichen dürfte. Viel entscheidender werden die benötigten HFO-Produktionskapazitäten sein, die im Weltmarkt noch nicht gegeben sind. Kältemittelhersteller sind daher angehalten, Verfügbarkeit und das Mengen-/Preisverhältnis zwischen R134a und den HFO-Alternativen in einem vernünftigen Verhältnis zu steuern.

Schwieriger ist die Situation bei den weitverbreiten Stoffen R410A und R407C, die vielfach in Direktverdampfungssystemen oder Wärmepumpen verwendet werden. Zwar diskutiert der Markt Blends wie R454B (GWP 460) oder R452B (GWP 676), R444B (GWP 295) und R447B (GWP 740), aber eher weniger überzeugt. Massiv wird hingegen derzeit R32 als Ersatzstoff be worben. Sein Treibhauspotenzial liegt bei nur 675. Es ist allerdings keine wirkliche Low-GWP-Langzeitlösung. Darum wird es in Deutschland auch nur für kleine Kompressions-Kälteanlagen bzw. bei Sanierungen staatlich bezuschusst – nicht aber bei größeren Neuanlagen.

R32 soll für den Übergang, vor allem dem Anbietermarkt von Direktverdampfungssystemen, dienen, bis für diese Technologien echte Langzeitlösungen gefunden sind. Allerdings schlagen Sachverständige, Brandschutzbeauftragte und Anlagenbauer bereits Alarm. Denn obwohl der A2L-Stoff schwer entflammbar ist, bleibt er brennbar. Betrachtet man dann größere Multisplit- oder VRF-Anlagen in Hotels, Bürokomplexen oder im Zweckbau, werden mit R32 Brandlasten in ein Gebäude gebracht, die abgesichert werden müssen. Viele Fragen sind in diesem Zusammenhang derzeit noch ungeklärt und sollten möglichst bald von Seiten der Gerätehersteller beantwortet werden. Alternativ dazu können Kaltwassersysteme dort eine Renaissance erleben, wo sie in den letzten Jahrzehnten durch DX-Anlagen abgelöst wurden. Auch Heizwärmepumpen arbeiten mit Wasser als Kälteträger und können bei Außenaufstellung sofort mit Propan oder bei größeren Leistungen vielleicht auch mit Ammoniak als Kältemittel arbeiten.

Dass die gesamte Branche vor einem Umbruch steht, fasste abschließend die den europäischen Herstellermarkt für Kältekomponenten vertretende Vereinigung ASERCOM in einem Statement im September 2017 wie folgt zusammen: „Die Kälte-/Klimabranche steht wesentlichen Produkt- und Technologieänderungen gegenüber. Die meisten aktuellen Produkte werden eine entsprechende Qualifizierung oder Neuauslegung benötigen, um die sehr ehrgeizigen Ziele der F-Gase-Verordnung zu erfüllen. Dabei handelt es sich um einen zeitaufwendigen Prozess mit viel Laborarbeit, der bisher einmalig in der Branche ist. Durch die Entflammbarkeit der meisten Alternativ-Kältemittel wird es Änderungen in wesentlich größerem Ausmaß als beim Wechsel von FCKW auf HFKW geben.“

Dieser Artikel von Achim Frommann ist zuerst erschienen in: KK 4-2018.

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