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Heizen und kühlen mit Lehm: Lehmdeckensysteme in Trocken- und Nassbauweise

Alexandra Borke

Lehm ist das älteste im Bauwesen verwendete Material und zählt zu den wichtigsten mineralischen Baustoffen. Der Einsatz von Lehmbaustoffen ist ein nachhaltiges Motiv für den Schutz der Umwelt: wegen ihrer Wiederverwendbarkeit, ihrer flächendeckenden Verfügbarkeit und ihrer nahezu emissionsfreien Fertigung. Zudem wird das Raumklima entscheidend verbessert, da Lehmbaustoffe einen positiven Einfluss auf die Raumluftfeuchte haben, Schadstoffe und Gerüche aus der Luft binden und antiallergisch und antistatisch sind. Die Nutzung des traditionellen Baustoffes verbindet somit Tradition und Moderne.

Vielfältige Einsatzbereiche und Anwendungen

Zur Modernisierung des Gebäudebestandes eignet sich die Nutzung der Decke für Heizung und Kühlung besonders gut, da eine Installation hier vergleichsweise schnell, einfach und kostengünstig erfolgen kann. Bedingt durch die Vielfalt aller baurelevanten Normen, energetischen Anforderungen und verfügbaren Systeme gibt es im Markt unterschiedliche Herangehensweisen der Hersteller und Akteure bei Planung und Auslegung. Typische Einsatzbereiche sind:

  • Wohnneubauten oder Sanierungen
  • Büro- und Verwaltungsobjekte
  • Hotels und Freizeiteinrichtungen
  • Gebäude in Holzrahmen- oder Vollholzbauweise
  • Kliniken, Altenheime und Gesundheitseinrichtungen
  • Schulen und Kitas
  • Gebäude mit sensiblem Inventar wie Museen, Bibliotheken, Mess- und Forschungszentren
  • Fachwerkhäuser und historische Gebäude.
Montage von Lehmbaumodulen an der Decke.

Lehmdeckensysteme zeichnen sich vor allem durch ihre homogene, geschlossene Untersicht und die vielfältigen Oberflächengestaltungen aus. Sie lassen sich dadurch optimal in die Innenarchitektur von Gebäuden integrieren und erlauben ein Höchstmaß an architektonischen Gestaltungsspielräumen.

Die Reaktionszeiten der Systeme mit thermischer Entkopplung zur Decke und in der Decklage eingebetteten Rohre sind sehr kurz, da sich die thermisch aktiven Rohre nah an der Deckenoberfläche befinden. Die Stärke der Deckschicht oberhalb der Rohre ist abhängig von den Vorgaben der Putzanbieter und liegt bei minimal 5 mm. Herstellerspezifisch beträgt die Rohrüberdeckung in der Regel 5 bis 15 mm.

Die Heizleistungen können auf bis zu 120 W/m² ausgelegt werden; die Kühlleistungen liegen zwischen 45 und 100 W/m² – abhängig von der Systemauswahl.

Nasssysteme eignen sich auch für niedrige Räume

Lehmbaudecken, die es in Nass- und Trockenbauweise gibt, lassen sich größtenteils schnell und einfach montieren und erlauben auch vor Ort angepasste Lösungen. Ihr konstruktiver Aufbau lässt sich grob in die Bereiche unterteilen:

  • Unterkonstruktion
  • Kühl-/Heizsystem
  • Füll-Decklage/Oberflächenbeschichtung.

Bei einigen Systemen sind die Übergänge zwischen diesen Bereichen fließend. Teilweise übernehmen auch die gleichen Komponenten die Funktion mehrerer Bereiche.

Nasssysteme lassen sich mit oder ohne Trockenbaukomponenten installieren. Besonders für niedrige Räume gut geeignet ist die direkte Verarbeitung von Lehmputz in Verbindung mit einem geeigneten Heizkühlsystem. Die Befestigung der Rohre bzw. Rohrsysteme direkt an der Rohdecke bzw. den Bauplatten erfolgt unabhängig von der Putzstärke nach Herstellerangaben. Entscheidende Kriterien sind die Beschaffenheit der Rohdecke sowie das Gesamtgewicht des Rohrsystems. In vielen Fällen werden PutzPins zur Befestigung verwendet.

Der Putz wird anschließend in der erforderlichen oder gewünschten Stärke aufgebracht. In der Regel dient ein Putzgitter als Hilfe für die gleichmäßige und stabile Aufbringung des Lehmputzes. Zu beachten sind bei der Verarbeitung des Lehmputzes die allgemeinen Regeln des Dachverbandes Lehm e. V.

Aufbau und Montage von Trockenbausystemen

Trockenbausysteme in offener Modulbauweise bestehen aus Lehmmodulen mit einseitig eingeprägter Rillenstruktur. Durch Aneinanderfügen der Module entsteht eine Endlosmatrix, in der die Kühl-/Heizrohre individuell und kupplungsfrei bis zum Verteiler bzw. Übergabepunkt eingelegt werden. Verbindungselemente sind nicht erforderlich. Die offene Modulbauweise gewährleistet Belegungsquoten > 90 %. Rest- bzw. Freiflächen werden mit neutralen Lehmbauplatten gleicher Stärke belegt.

Die Montage der Lehmmodule erfolgt immer an einer flächigen Unterkonstruktion, entweder Vollholzdecken oder OSB-/ESB-Spanplatten. In Objekten mit erhöhten Brandschutzanforderungen werden an Stelle der Spanplatten zementgebundene Faserplatten eingesetzt. Die Span- bzw. Faserplatten können direkt an den Decken oder an geeigneten Deckenabhangkonstruktionen befestigt werden. Die Lehmbauplatten werden gemäß Herstellerangaben an die Unterkonstruktion geschraubt.

Die Unterkonstruktion zur Aufnahme der Heiz-/Kühldeckenkonstruktion ist auf die Plattenmaße bzw. auf die notwendigen Befestigungspunkte abzustimmen. In der Regel wird ein Rastermaß von 31,25 cm gefordert. Wichtig ist der direkte flächige Kontakt zwischen den Heiz-/Kühlregistern und den montierten Lehmbauplatten.

Nach vollständiger Beplankung mit Lehmbauplatten ist anschließend eine 5 bis 7 mm starke Deckputzlage aus Lehm oder Kalk mit vollflächigem Armierungsgewebe aufzubringen. Je nach Nutzung oder ästhetischen Vorgaben erfolgt die Oberflächenbeschichtung gemäß gewünschten Qualitätsstufen: z. B. Q3-Oberflächen mit Lehm-Feinputz oder Kalkspachtel oder Q2-Oberflächen mit Lehm- oder Mineralfarbe. In Gebäuden mit erhöhten Hygieneanforderungen (Kliniken, Krankenhäusern etc.) werden spezielle kapillaraktive Kalkputze verwendet, da hier in der Regel abwaschbare Oberflächen gefordert werden.

Besonderheiten beim Kühlbetrieb mit Lehmdecken

Aufgrund ihres sehr hohen Speichervermögens sind Lehmdeckensysteme sehr gut zur Raumkühlung geeignet. Durch ihr schnelles Aufnahme- und Abgangsvermögen von Feuchtigkeit wird dem naturbedingten Ansteigen der Raumluftfeuchte beim Absenken der Raumtemperatur entgegenwirkt. Diesen ungewollten Nebeneffekt können manche Konstruktionen sogar vollständig kompensieren. Wie gut und wie viel Feuchtigkeit aufgenommen und verarbeitet werden kann, liegt generell am Anteil der saugfähigen Tonminerale im verwendeten Lehmbaustoff. Bei besonderen Anforderungen sind detaillierte Betrachtungen der Feuchteaufnahme möglich. Dabei sind zwei Führungsgrößen für die Aufnahme und den Transport von Feuchtigkeit entscheidend:

  • der Wasseraufnahmekoeffizient (A-Wert)
  • der Wasserdampfdiffusionswiderstand (μ-Wert).

Aufgrund der hygroskopischen Eigenschaft von Lehmbaustoffen kann die Kühlwasser-Vorlauftemperatur, je nach System, für einen gewissen Zeitraum auch unterhalb der Taupunkttemperatur liegen. Sollte es doch zu einer Tauwasserbildung an der Oberfläche kommen, so wird die Feuchtigkeit vom Lehm aufgesaugt und bei abfallender Raumluftfeuchte wieder in den Raum abgegeben – also nach Beendigung des Kühlbetriebs oder durch Anhebung der Vorlauftemperatur. Dennoch ist der Einsatz von Feuchte- oder Taupunktsensoren im Raum in jedem Fall vorzusehen.

Zur Anbindung gibt es verschiedene Möglichkeiten, da sich Lehmbaustoffe schnell auf veränderte Systemtemperaturen einstellen können: Eine zentrale Umschaltung ermöglicht den Heiz- oder Kühlbetrieb mit demselben System (Zweileitersystem). Alternativ ist das zeitgleiche individuelle Heizen und Kühlen einzelner Räume oder Nutzungseinheiten möglich (Vierleitersystem).

Lehmbaudecken lassen sich größtenteils schnell und einfach montieren und erlauben auch vor Ort angepasste Lösungen. Sie sind z. B. in Bürogebäuden auch für die 4-Leiter-Betriebsweise geeignet.

Wichtig ist eine fachgerechte Inbetriebnahme

Bei allen Deckensystemen ist darauf zu achten, dass die hydraulische Verschaltung zu einer für das jeweilige System geeigneten Betriebsweise führt (z. B. turbulente oder laminare Durchströmung des Elements). Als oberen Grenzwert für den Druckverlust werden für das Kühl-/Heizsystem ohne Regelventile und Versorgungsleitungen etwa 25 kPa vorgegeben. Wichtig ist zudem, für eine optimale Regelung der Raumtemperatur zu sorgen. Und damit alle Bereiche gleichmäßig aufgeheizt werden, ist der hydraulische Abgleich vor der Inbetriebnahme durchzuführen. Bei vielen Wärmeerzeugern ist ein Aufheizprogramm (max. 35 Grad) für die Fußbodenheizung hinterlegt. Dieses kann auch für Lehmdeckensysteme verwendet werden.

Die Inbetriebnahme von Lehmdeckensystemen erfolgt nach Herstellerangaben sowie nach der BVF-Richtlinie 15.11. Beispiel: Modulsysteme werden nach vollständiger Trocknung der Deckputzlage mit vollflächigem Armierungsgewebe, aber vor Aufbringung des Oberflächenfinishs in Betrieb genommen. Der BVF empfiehlt, mindestens drei Tage eine Vorlauftemperatur zwischen 20 °C und 25°C und danach mindestens einen Tag die maximale Auslegungstemperatur zu halten. Zweck dieser Vorgehensweise ist es, eventuelle Spannungen aus dem System herauszubringen. Sollten dabei vereinzelte Rissbildungen auftreten, lassen sich diese mit dem Oberflächenfinish verschließen und ausgleichen.

Nachhaltiger Beitrag zum Klimaschutz

Anders als eine konventionelle Klimaanlage arbeitet ein Flächenheiz- und -kühlsystem geräuschfrei und ohne Zuglufterscheinungen. Lehm gewährleistet aufgrund seiner Masse eine hohe thermische Behaglichkeit und bietet im Vergleich zu anderen Baustoffen in dem Bereich eine vergleichsweise höhere Wärme- bzw. Kühlleistung.

Der Baustoff Lehm spielt sowohl beim Heizen als auch beim Kühlen seine Trümpfe aus, da er durch seine Feuchte-Speicherfähigkeit mehr Schwankungen ausgleichen kann als andere Baustoffe. Gerade in der Kühlung ermöglichen Lehmdeckensysteme eine stille, gesunde und klimaneutrale Kühlung. Klimadecken aus Lehm leisten damit in Herstellung und Betrieb einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz.

Dieser Beitrag von Alexandra Borke ist zuerst erschienen in SBZ 13/2021. Alexandra Borke ist Referentin Technik beim Bundes­verband Flächen­heizungen und Flächenkühlungen (BVF) in Dortmund.

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