Wolf: Energieautarkie mit Wärmepumpenkaskade
In unmittelbarer Nähe des Hoesch Gasometers in Dortmund-Hörde, auf der Fläche des ehemaligen Roheisenwerkes Phoenix-West, arbeitet das Familienunternehmen KIS an der eigenen Energiewende. „Als KMU wollen wir zeigen, dass weder die Unternehmensgröße noch die Branchenzugehörigkeit entscheidend für einen maximalen Beitrag zum Klimaschutz sind“, sagt Geschäftsführer Tim Kohlhaas. Das Transformationskonzept vereint ökonomische und ökologische Ziele, vor allem will KIS bis 2027 größtenteils energieautark wirtschaften. Auf dem Weg dorthin verfolgt der Spezialist für anwendungsoptimierte Wälzlager und Drehverbindungen einen Stufenplan.
Klimaneutralität gemäß Greenhouse Gas Protocol
Neben den bisher erreichten Zielen sollen 2025 weitere 70 bis 80 Prozent des Corporate Carbon Footprint (CCF) eingespart werden, indem in effiziente Anlagen, Maschinen und Geräte investiert wird. Mit den bis 2027 vorgesehenen Maßnahmen kann in den Scopes 1 und 2 des Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) Klimaneutralität bilanziert werden. Darüber hinaus sind nach 2027 auch Maßnahmen gemäß Scope 3 geplant, um den CCF im Unternehmen sowie in der Wertschöpfungskette weiter zu senken. Dazu zählen zum Beispiel:
- die Förderung der Zirkularität,
- Nutzen von möglichst klimaneutralen Transporten,
- Einführung von digitalen Produktpässen,
- die Vermeidung von Abfall und
- die Förderung einer nachhaltigen Mitarbeitermobilität.
Die Ausgangslage
Das Dortmunder Firmengebäude besteht aus zwei Teilen: Der erste Bauabschnitt wurde 2009 erbaut und beinhaltet Büro- und Lagerräume und den mechanischen Bereich für Spezialumbauten. Die zehn Jahre später angebaute Halle beherbergt ebenfalls Büro- und Lagerräume, das Messlabor, die Prototypenwerkstatt, die Montagestraße für Komponenten und Module sowie die Verpackungsstraße.
Insgesamt sind 4.000 Quadratmeter zu beheizen, 2021 wurden als Heizlast 54 kW ermittelt. Das Gebäude war bis dahin an ein fossil betriebenes Nahwärmenetz (Ölheizung) der Stadt Dortmund angeschlossen. Der ältere Gebäudeteil verbrauchte im Jahr 2021 rund 160.000 kWh Wärme, die neue Halle ca. 107.000 kWh. Auf dem Dach war eine PV-Anlage installiert, deren Ertrag von rund 17 kWp bis 2029 vollständig ins Stromnetz eingespeist wird.
Durch die wachsende E-Mobilität des Unternehmens und den absehbar größer werdenden Maschinenpark stand im Jahr 2020 fest, dass sich der Strombedarf des Standortes erhöhen würde. Die Niederspannungsversorgung des Standortes ist auf 140 kW Leistung gedeckelt und wird erst ab 2029 weiter ausgebaut. Daher lehnte der Netzbetreiber die Installation einer Großwärmepumpe mit einer Leistung von 160 kW folgerichtig ab.
Mission Energie-Autarkie 2027
Um dennoch die eigene Energiewende einleiten zu können, holte sich KIS beim Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) der Universität Kassel fachliche Unterstützung. Gemeinsam wurde der Fahrplan zur vollständigen Elektrifizierung des Unternehmens bis 2027 entworfen. Die „Mission Energie-Autarkie 2027“ von KIS sieht vor, den Firmensitz in Dortmund vollständig zu elektrifizieren und so bis 2027 die Möglichkeit zu schaffen, größtenteils energetisch autark zu wirtschaften. Das Konzept sieht die Energieautarkieklasse A+ des GHG Protocols vor.
Das erste Etappenziel war, auf Basis der Verbrauchsdaten des Jahres 2021 innerhalb von drei Jahren bei der Wärmeenergie 35 Prozent einzusparen und gleichzeitig Vorbereitungen zu treffen, um zeitnah weitere 14 Prozent realisieren zu können. Durch diese Maßnahmen werden bereits rund 80 Prozent des Corporate Carbon Footprints im Vergleich zu 2021 eingespart. Der Verbrauch an Wärme reduzierte sich in der Heizperiode 2023/24 auf 111.000 kWh, hat sich also mehr als halbiert.
PV-Strom und Stromspeicher
Da in absehbarer Zeit keine Aussicht besteht, CO2-arme Fernwärme zu beziehen, beruht die Dekarbonisierungsinitiative von KIS darauf, die Energieversorgung des gesamten Standorts zu elektrifizieren. Das bedeutet, möglichst viel elektrische Energie in Form von Photovoltaik-Strom selbst zu erzeugen, diesen Strom im großen Maßstab zu speichern und zur Wärmeerzeugung kleine, in Reihe geschaltete Wärmepumpen zu betreiben. Gleichzeitig wurden und werden im Gebäude Maßnahmen ergriffen, um den Stromverbrauch im Betrieb deutlich zu senken.
Inzwischen wurden neben der ersten PV-Anlage zusätzlich 143 kWP Leistung installiert. Läuft die Förderung für die Direkteinspeisung der ersten Anlage 2029 aus, treten an ihre Stelle weitere 75 kWP. Ein Jahr später ist vorgesehen, eine weitere PV-Anlage auf einem Carport zu installieren.
Bei der Stromspeicherung setzt KIS auf zwei sich ergänzende Stromspeichertechnologien: Lithium-Ionen-Speicher (77 kWh Kapazität), welche dynamische Ladezyklen erlauben und eine hohe Energiedichte aufweisen, und Redox-Flow-Batterien (140 kWh Kapazität), die skalierbar und schnell arbeiten und verlustfrei für die Langzeit-Energieaufbewahrung optimiert sind.
Der Strom aus den PV-Anlagen sowie zusätzlicher günstiger Grünstrom aus einem dynamischen Tarifmodell fließt zuerst in die Stromspeicher und Akkus von E-Autos und kann auch unmittelbar von Wärmepumpen und anderen Verbrauchern des Betriebs genutzt werden.
Optimierte Wärmeverteilung
Der Wärmebedarf über alle Räume hinweg betrachtet ist gesunken, da über die Fußbodenheizung niedrig frequentierte Bereiche weniger beheizt werden als Räume, in denen sich viele Personen aufhalten.
Deckenventilatoren gleichen die Raumtemperatur in den Hallen aus und vermeiden eine Temperaturschichtung mit kühlen Temperaturen am Boden und einem Wärmestau unter der Hallendecke. Speed-Sektionaltore trennen die einzelnen Temperaturzonen voneinander.
Alt- und Neubau werden durch zwei eigenständige Heizungskreisläufe versorgt, in die jeweils ein 1,5 m³ fassender Schichtenspeicher integriert ist.
Da der Wärmebedarf der beiden Gebäudeteile aufgrund der Bausubstanz (Dämmstandard) unterschiedlich ist und zudem jeweils unterschiedliche betriebsinterne Wärmequellen als „erneuerbare Energie“ genutzt werden, wurde für beide Bauabschnitte jeweils eine eigene skalierbare Wärmepumpen-Kaskade des Mainburger Wärmepumpen-Spezialisten Wolf installiert. Sie ist eine eingehauste Sonderlösung mit einer Wärmeleistung von insgesamt 52 kW. Die Wärmepumpen werden monoenergetisch bivalent parallel betrieben.
Sonderlösung: WOLF ProjectCube
Als Wärmequelle für den Bestandsbau (WOLF ProjectCube 30 = 3 x CHA 10 dient nicht nur die Außenluft, sondern auch die Wärme aus der Abluft des Messlabors und der Stromspeicher. Die zweite Kaskade für den Neubau (2 x CHA 10 mit vandalensicherer Schutzeinhausung) nutzt dagegen zusätzlich die Abwärme der Kompressoren und der Stromspeicher als zusätzliche Energiequelle. Diese (sonst verlorene) Wärmeenergie wird jeweils zur Rücklaufanhebung genutzt.
Die Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung beträgt 32 °C, die Temperatur des Rücklaufs wird durch die internen Wärmequellen über einen eigenen Kreislauf im Pufferspeicher von 25 auf bis zu 27 °C angehoben.
Liegt im Gebäude nur ein sehr geringer Wärmebedarf an, schalten sich nicht benötigte Wärmepumpen aus. Sie modulieren bedarfsgerecht und arbeiten auf diese Weise lange im hocheffizienten Teillastbetrieb. Das wirkt sich wiederum positiv auf ihren Strombedarf aus. Die Jahresarbeitszahlen liegen entsprechend zwischen 4,1 und 4,4. Die intelligente Einschalt- und Laufzeitoptimierung verringert darüber hinaus den Verschleiß und die Wartungsintervalle, was wiederum die Betriebssicherheit erhöht.
„Diese Wärmepumpen-Lösung hat inklusive Peripherie eine Anschlussleistung von nur 52 kW – also im Vergleich mit einer Großwärmepumpe nur etwa ein Drittel – und das bietet sowohl Vorteile bei der Investition als auch bei der Regelbarkeit. Die verhältnismäßig kleinen, parallel geschalteten Wärmepumpen machen die Nutzung von selbst erzeugtem PV-Strom erst möglich, insbesondere in Phasen, in denen nur geringere Leistungen durch die PV-Anlage zur Verfügung gestellt werden kann“, erläutert Tim Kohlhaas.
Back-up durch Heizstab und Schichtenspeicher
Die integrierten Heizstäbe (zusammen 45 kW) sichern die Spitzenlast bei kalten Außentemperaturen im Minusbereich ab. Aus Sicherheit bzw. als „Sommerlösung“ kann auch in den Pufferspeicher ein E-Heizstab integriert werden, da durch die neue PV-Anlage ausreichend elektrische Energie zur Verfügung steht. Im Bestandsbau wurde mit maximal 5 Prozent Einsatz für den Heizstab kalkuliert, im Neubau mit maximal 2 Prozent. Der Heizstab kommt zum Einsatz, wenn das Thermometer an drei aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen von minus 7°C und darunter anzeigt.
Die beiden 1.500 Liter-Speicher in den Heizkreisen mit 52 KW Ladekapazität haben mehrere Funktionen:
- Überbrückung von Sperrzeiten durch den Netzbetreiber
- Effiziente Nutzung von Nachtstrom/Überschussstrom am Wochenende
- Zeitliche Entkopplung der Wärmeerzeugung vom Verbrauch
- Integration mehrerer Wärmeerzeuger
- Verlängerung der Lebenszeit des gesamten Systems
Energiemanagement-System
Um dsd Energiesystem managen zu können, wird ein KI-gestütztes Energiemanagementsystem eingeführt. Dieses optimiert auf der Basis von Wetterprognosen und betrieblichen Anforderungen die multikriterielle Balance von Erzeugung und Netzbezug, netzdienlichem Eigenverbrauch und Stromhandel an der Börse, Speicherung und Einspeisung/Verbrauch. Der Fokus liegt damit auf einem wöchentlichen Prozess mit intelligenter Sektorenkopplung statt auf einem täglichen voreingestellten Heizzyklus.
Auch der Stromverbrauch im Gebäude wurde optimiert, da zwischen niedrig und hochfrequentierten Bereichen unterschieden wird, die bedarfsgerecht versorgt werden. Die Beleuchtung wird zum einen über Sensorik und zum anderen über eine anwesenheits- und tageslichtabhängige Konstant-Beleuchtung geschaltet. Durch diese Maßnahme spart das Unternehmen bereits rund zwei Drittel des Strombedarfs für die Beleuchtung ein.
Die Raumtemperatur des Server-Raums wurde im Sommerbetrieb auf 26 °C angehoben. Die Umluftkühlgeräte arbeiten mit einer geringerer Luftmenge und damit niedrigerer Stromaufnahme.