Solarbalkone: Einspeisung oder Eigenverbrauch?
Die Debatte um die Einbindung sogenannter Balkonmodule nähert sich ihrem Ende: Im Herbst 2017 wurde bereits die DIN VDE 0100-551-1 angepasst, die wichtigste Norm für steckbare Solargeräte. Mit der anstehenden Novelle der VDI-AR-N 4105:2017-07 (Niederspannungsrichtlinie) sollte auch der letzte Zankapfel vom Tisch sein. Allerdings werden momentan rund 1.000 Einsprüche verhandelt.
Mit den neuen Regelungen schließt Deutschland zu Ländern wie Portugal, Österreich oder der Schweiz auf. Dort werden bereits rund 200.000 solcher Kleinstanlagen betrieben. Nach Schätzungen der DGS sind es in Deutschland etwa 20.000.
Die kleinste mögliche Solaranlage
Faktisch besteht die solare Guerilla-Taktik aus der kleinsten möglichen Solaranlage: Ein Modul (oder mehrere) wird über einen Mikrowechselrichter direkt an die Steckdose angeschlossen. Das kann jeder bauen. Ob es auch jeder bauen sollte, steht auf einem anderen Blatt. Auf alle Fälle empfiehlt sich zuvor eine Überprüfung durch den Fachmann, ob die Wohnungselektrik die Spannungen und Ströme aufnehmen kann. Andernfalls drohen gerichtliche Auseinandersetzungen, falls Schäden entstehen.
Solare Balkone machen die solare Energiewende sichtbar. Dachgeneratoren sind oft vom Boden aus unsichtbar. Werden die Balkone für Solarmodule genutzt, kann man sie gut sehen. Allerdings sollte man die Erwartungen an die Erträge aus den Balkonmodulen nicht zu hoch schrauben. Denn für die vertikal installierten Paneele gelten dieselben Erfahrungen wie für Solarfassaden. Eine gute Photovoltaikfassade nutzt nur rund 70% der Nennleistung der Module aus.
"Solarrebell": Lohnt sich der Eigenverbrauch?
Forscher der Fachhochschule in Rosenheim haben das Steckermodul der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) untersucht, es heißt Solarrebell. „Der Solarrebell besteht aus einem chinesischen Modul mit 250 Watt und einem Wechselrichter von Letrika, der 260 Watt umsetzen kann“, erläutert Max Heißwolf aus Rosenheim. Die Module kommen von Canadian Solar, Letrika fertigt seine Mikrowechselrichter in der Slowakei.
Interessant sind die Ergebnisse der Studie: „Auf der grünen Wiese mit 36 Grad Aufständerung zur Sonne erbrachte das System einen spezifischen Ertrag von 1.064 Wattstunden je Watt“, rechnet Heißwolf vor. „Das entspricht üblichen Anlagen mit Strangwechselrichtern. Wir wollten aber wissen: Lohnt sich das für den Eigenverbrauch?“
Simulationen am Südbalkon
Die Forscher simulierten den Einsatz an Südbalkonen, also nach Süden, Südwesten und Südosten. „Maximal waren im Jahr rund 245 Kilowattstunden Sonnenstrom nutzbar“, erläutert der Wissenschaftler aus Rosenheim. Wintererträge waren aufgrund der geringen Solarflächen kaum nennenswert.
Weil in den Wohnungen oft nur geringe Lasten abgefordert werden – vor allem in der sommerlichen Mittagshitze – kippt das System schnell in den Einspeisemodus – und verschenkt die Energie, die eigentlich für den Eigenverbrauch sinnvoll wäre.
Dann gibt die Wohnungselektrik Energie ans Haus ab. Und dann müsste sie eigentlich nach dem EEG als netzeinspeisende Anlage angemeldet werden, denn niemand weiß, ob die Einspeisung nicht auch den Hausanschluss erreicht.
Quote abhängig von den Lasten
Das ist nicht unkritisch. Denn sollten dort einmal Schäden entstehen – aus welchem Grunde auch immer – dürfte der Solarrebell als Bauernopfer gelten. Im Sommer haben die Rosenheimer Forscher bis zu 88% Eigenverbrauchsquote erreicht. Nur wenn während der Ertragsspitzen größere Lasten zugeschaltet werden, kann die Quote steigen.
Bei den Simulationen in Rosenheim gab der Solarrebell bereits im Februar bis zu 15% seines Sonnenstroms an das Hausnetz ab. Im Sommer stieg der Anteil. „An den Wochenenden oder im Spätsommer wurden bis zu 45% der Energie verschenkt“, analysiert Heißwolf. „Selbst bei sehr günstigem Verhältnis zwischen Ertrag und Lasten verliert man immer ein bisschen.“
Nach seiner Rechnung bestimmen die Einspeiseverluste maßgeblich die Wirtschaftlichkeit: „Single-Haushalte brauchen acht bis zwölf Jahre, bis sich die Investition rechnet. Bei Familien sind es zwischen fünf und acht Jahren.“ Er hat als Preis rund 2.000 Euro je Kilowatt angesetzt. Heißwolf sagt auch: „Will man die gesamte Solarenergie in der Wohnung nutzen, braucht auch der Solarrebell einen Stromspeicher.“
Einspeisung statt Eigenverbrauch
Anders stellt sich die Sache dar, wenn größere Bauträger die Balkone standardmäßig ausstatten. Dann gehört die Solaranlage an der Brüstung faktisch zur Wohnungselektrik, wird also vom Vermieter oder Eigentümer finanziert – etwa ergänzend zu einer Solaranlage auf dem Dach (Mieterstrom).
Dann können die Balkonmodule schon bei der Planung des Gebäudes oder bei der Fassadensanierung einbezogen werden. Der Balkonsystemhersteller Balco beispielsweise stellt bereits Brüstungsflächen mit integrierten Photovoltaikelementen her.
Die Brüstungsverkleidung des Balkons besteht aus kristallinen Glas-Glas-Modulen. Eingefasst sind die Brüstungselemente in eine vorgefertigte Grundkonstruktion aus Aluminium, die den Balkon bildet. In der Regel sind die Module semitransparent, sodass Tageslicht hindurchfällt und dennoch Sichtschutz gewährleistet ist.
66 verglaste Solarbalkone
Zum Einsatz kam das System z.B. in einer Wohnanlage in Schweinfurt. Im Rahmen einer Sanierung erhielt das Gebäude 66 verglaste Solarbalkone. Um der Fassade eine vielfältige Optik zu verleihen, wurden die Brüstungen der Balkone in jeweils vier Felder aufgeteilt und die Photovoltaikelemente in drei Farbgebungen angefertigt.
Allerdings sind diese Balkone keine Rebellen: Der gewonnene Solarstrom wird als Solarfassade ins Netz eingespeist, nicht für den Eigenbedarf der Mieter genutzt.
Dieser Artikel von Heiko Schwarzburger ist zuerst erschienen in photovoltaik 04-2018.
Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag "Strom vom Balkon: Weg frei für Mini-PV".