Wie sicher sind Steckersolargeräte? Auf dem Weg zum Standard
Unser zweiter Fachbeitrag zum Thema Steckersolargeräte liefert Hintergrundinformationen über die Entwicklung und den Stand der Diskussion in den Verbänden hinsichtlich der elektrotechnischen Sicherheit dieser Anlagen mit dem Ziel, einheitliche Mindeststandards zu schaffen, die normativ festgeschrieben sind. Auch wenn einiges schon erreicht wurde, so gibt es immer noch Baustellen, die die Marktentwicklung bremsen.
Unser erster Beitrag zum Thema: Marktstudie: Vom Solarbalkon zum Steckersolar-Boom
Wie funktionieren Steckersolargeräte?
Es klingt ganz einfach und so soll es auch sein: Die Mini-PV-Anlagen werden mit einer Steckdose verbunden und sie speisen darüber den erzeugten Solarstrom in den Endstromkreis ein. Strom, von außerhalb bezogen, kann eingespart werden. Ein Modul mit einer Leistung von 300 Wp kann im Jahr soviel Strom erzeugen, wie zwei Haushaltsgeräte, zum Beispiel Waschmaschine und Kühlschrank, in einem Zweipersonenhaushalt verbrauchen.
Dieser Strom ist auch von einer Qualität, die es am Markt für Letztverbraucher gar nicht mehr gibt, seitdem das Grünstromprivileg im Jahr 2014 abgeschafft wurde. Das Grünstromprivileg bedeutete die Zahlungsbefreiung von der Erneuerbare-Energien-Umlage in bestimmten Fällen und das Privileg war eine wesentliche Motivation für die Energieversorgungsunternehmen (EVU), den Grünstrom aus EEG-Anlagen direkt an Letztverbraucher zu vermarkten. Heute bestehen die Ökostromangebote der EVU oft nur noch aus Strom aus Wasserkraft.
Somit könnte der Grünstrom zurückkehren, indem Mieter und Besitzer von Eigentumswohnungen einen Teil ihres Strombedarfs mit eigenem Solarstrom vom Balkon decken. Nebenbei machen Steckdosen-Anlagen die sonst so ortsfeste Photovoltaik zu einer zum Mitnehmen (beim Wohnungswechsel). Auch das ist etwas Neues.
Notwendigkeit einheitlicher Vorgaben
Warum die Marktentwicklung bis vor kurzem eher recht schleppend verlief liegt nicht nur daran, dass die Geräte in der Breite noch wenig bekannt sind, sondern auch an der Unsicherheit, ob die Steckdosen-Anlagen aus elektrotechnischer Sicht sicher sind. Dabei ist das Marktpotenzial groß. Die Verbraucherzentrale NRW hat im Rahmen einer Prosumerstudie ermittelt, dass allein in Nordrhein-Westfalen mehr als eine Million Geräte installiert werden könnten. Diese könnten 290 GWh Strom pro Jahr erzeugen – so viel wie ein kleines Kohlekraftwerk.
Über die jüngst veröffentlichte erste Marktstudie der HTW Berlin in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale NRW über Steckersolar-Geräte in Deutschland gibt es erstmals handhabbare Zahlen. Die Studie rechnet aufgrund von Ergebnissen aus dem Markt hoch, dass allein in den Jahren 2020 und 2021 bis zu 128.000 Geräte verkauft wurden, mit einer Leistung von bis zu 51 MW. Um das einordnen zu können: Die Studie beziffert den Gesamtbestand an Steckersolargeräten Ende 2021 auf bis zu 190.000 Anlagen.
Das bedeutet, dass der Verkauf in den vergangenen zwei Jahren massiv angezogen hat. Es bedeutet aber auch, dass der Markt mit seinem Potenzial erst ganz am Anfang steht – mit sehr vielen, auch kleinsten Unternehmen. Das Anbieterverzeichnis der Steckersolar-Info-Plattform „www.machdeinenstrom.de“ kommt auf 156 Marktakteure. Der Markt ist also zwar vielfältig geworden, aber damit auch unübersichtlicher, was die Notwendigkeit einheitlicher Vorgaben nur noch verstärkt.
Was sind die Gefahren?
Welche Gefahren können theoretisch von Steckersolar-Anlagen überhaupt ausgehen? Laut Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE) sind dies theoretisch folgende:
- Überlast der bestehenden Leitungen und
- daraus resultierender Brand,
- elektrischer Schlag durch Spannung an den Stecker-Kontakten sowie
- Nichtauslösung der bestehenden Schutzeinrichtungen oder
- Überschlag eines Blitzes auf die Gebäudeinstallation.
Der VDE hat in der von ihm getragenen Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik in DIN und VDE (VDE|DKE) Arbeitskreise eingerichtet, die sich mit dem Thema Sicherheit und der fachgerechten Installation von kleinen Solarstromanlagen befassen. Es soll außerdem geklärt werden, wie die Anlagen mit Steckern fachgerecht an Hausnetze angeschlossen werden können. Die DKE koordiniert die Erstellung und Aktualisierung der deutschen Elektrotechniknormen.
Erste Erfolge für die Steckersolargeräte
Zwei wichtige Änderungen wurden in den vergangenen Jahren bereits erwirkt, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) und ihrer eigens dafür eingerichteten Arbeitsgruppe PVplug, die maßgeblich Anteil daran hatte. Die erste Errungenschaft ist, dass die Geräte an normale Haushaltsstromkreise (Endstromkreise) angeschlossen werden dürfen und die zweite, dass die Netzanschlussnorm (VDE-AR-N 4105) für die kleinen PV-Systeme keine Anmeldungen durch einen Elektriker mehr verlangt. Auf Initiative der DGS wurde vor vier Jahren außerdem ein Normungsarbeitskreis bei der DKE eingerichtet, um eine Produktnorm für „Steckerfertige PV-Systeme“ zu erarbeiten.
Offene Baustelle 1: Stecker
Aktuell gibt es noch offene Baustellen, z.B. welches Steckersystem zum Standard gemacht werden soll. Die ursprüngliche Position der DKE und auch des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH), der die Erarbeitung der Energiesteckvorrichtungsnorm DIN VDE V 0628-1 mit angestoßen hat, war grundsätzlich auf gegen eine Lösung mit Schuko-Steckern gepolt. Begründung: Hier ließe sich dann die Gefahr einer berührbaren Spannung nicht ausschließen. Die DGS hielt und hält das für sachlich nicht angemessen und es würde nur unnötige Hürden aufbauen. Der Benutzer müsse dann einen speziellen Stecker einbauen lassen.
Die HTW-Studie hat auch ergeben, dass ganz überwiegend der Schuko-Stecker (Typ F) in der Praxis Verwendung findet. Er hat sich der Studie zufolge als Standard-Steckverbindung durchgesetzt – 77 % aller Steckersolargeräte in Deutschland nutzen ihn. In der für Steckersolargeräte relevanten Norm DIN VDE 0100-551 wird der Schuko-Stecker – anders als der Wieland-Stecker – jedoch nicht explizit genannt.
Die uneinige Auslegung der Regelung habe Auswirkungen auf die Marktentwicklung, so die Autoren der Studie und sie resümieren: „Entgegen der akademischen Diskussion um die normgerechte Steckvorrichtung hat sich der Schuko-Stecker gegenüber dem Wieland-Stecker weitestgehend durchgesetzt.“
Offene Baustelle 2: Meldepflicht
Separat davon geht es noch um ein weiteres Problem, das der Anlagen-Meldepflicht. Paragraf 19 („Betrieb von elektrischen Anlagen und Verbrauchsgeräten, Eigenerzeugung“) der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) schreibt eine Meldepflicht vor der Errichtung einer Eigenanlage beim Netzbetreiber vor um sicherzustellen, dass keine schädlichen Rückwirkungen in das Versorgungsnetz möglich sind.
Die DGS fordert eine Ausnahme von der Meldepflicht für Steckdosen-Anlagen bis 800 W. Sie sieht bis zur genannten Größe dafür keine Notwendigkeit und das aus mehreren Gründen: Erstens seien die maximal möglichen Rückwirkungen in dieser Anlagenklasse nicht schädlich im Sinne der NAV. Zweitens sollten diese Anlagen nicht als EEG-Anlagen dem Netzbetreiber gemeldet werden müssen, da es sich bei Steckersolargeräten nicht um EEG-Anlagen handelt, die bekanntlich ihren Strom ins Netz einspeisen.
Auch sieht die DGS die Notwendigkeit des Zähleraustauschs bei Steckersolar nicht gegeben. Dass veraltete Stromzähler Rückspeisungen mit dem Strombezug verrechnen könnten, werde im Zuge der Zählerdigitalisierung aussterben. Zudem überschreite erst eine Rückspeisung von 125 kWh/a die Messtoleranzen von Zählern.
Fazit: Ein empfindliches Gefüge
PV- und Elektrotechnik-Experten stimmen überein, dass es nur sichere Stecker-PV-Anlagen am Markt geben darf, die ohne Gefahr betrieben werden können. Käufer sollen eben auch die werden, die keine Ahnung von Elektroinstallationen und elektrotechnischen Zusammenhängen haben.
Die Mindeststandards können dem Markt im doppelten Sinn dienen: Mithelfen, ihn sicher zu entwickeln und ihn sicher zu machen. Das ist aber ein empfindliches Gefüge und erfordert Fingerspitzengefühl: Wenn die Anforderungen zu hoch gesetzt werden, könnte sich die gewünschte Entwicklung ins Gegenteil verkehren. Die Anlagen würden zu teuer, was die Amortisation verschlechtert. Es könnte die Verbreitung nicht nur behindern, sondern auch die Verlockung auf günstige Geräte verstärken. Dann gäbe es womöglich nicht weniger, sondern mehr PV-Guerilla.
Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.