PV-Anlagen auf Flachdächern: So wird die Last reduziert
In Deutschland werden zunehmend Photovoltaikanlagen auf Flachdächern installiert. Denn der Eigenverbrauch und die steuerlichen Vorteile sind für viele gewerbliche Betreiber interessant. Sie installieren die Systeme in der Regel in Ost-West-Ausrichtung, weil man das Dach in diesem Fall mit rund 30 Prozent mehr Solarmodulen belegen und den Strom gleichmäßiger erzeugen kann.
Ost-West-Systeme haben außerdem den Vorteil, dass sie deutlich weniger Angriffsfläche für den Wind bieten und sich deshalb auch mit viel weniger Ballast auslegen lassen als zum Beispiel nur nach Süden aufgeständerte Anlagen. Weil die Hersteller ihre Montagesysteme in den vergangenen Jahren zudem aerodynamisch optimiert haben, lassen sich heute Solaranlagen auf Flachdächern installieren, auf denen das früher nicht möglich war.
Zwei Konzepte: Schienen oder Stützen
Ob eine Solarstromanlage auf einem Flachdach installiert werden kann, hängt neben der Ballastierung und den dynamischen Belastungen durch Wind und Schnee von der Auflagefläche des Montagesystems und der Beschaffenheit der Dämmung ab. In der Regel unterscheidet man bei der Flachdachmontage zwischen zwei Konzepten: Während die Solarmodule bei punktförmigen Stützensystemen auf lokalen Auflageflächen liegen, verteilen linienförmige Systeme die Lasten über (durchgehende) Schienen.
Punktförmige Systeme sind in der Regel preiswerter, weil man deutlich weniger Material benötigt. Außerdem kann das Regenwasser bei diesen Systemen problemlos abfließen. In einer ersten Betrachtung würde man annehmen, dass linienförmige Systeme die Last gleichmäßiger auf die Dachhaut verteilen.
Punktlasten vermeiden
Da die Hersteller dieser Systeme aber Bautenschutzmatten verwenden, um den Wasserabfluss zu ermöglichen – sofern die Durchlässe nicht durch gröbere Verschmutzungen verstopft werden –, führt dieses Konzept ebenfalls zu eher punktuellen Belastungen. Ferner entspricht ein linienförmiger Lastansatz nur bedingt den realen, ungleichmäßigen Schneeansammlungen und den punktuell auftretenden Windböen an den Solarmodulen.
Die Ingenieure der Ernst Schweizer AG aus Hedingen bei Zürich kombinieren die Vorteile beider Konzepte. Das Unternehmen hat Ende 2014 die Montagesysteme für Flachdächer in Ost-West-Ausrichtung (MSP-FR-EW) und Schrägdächer (MSP-PR) des Bauzulieferers und Werkzeugherstellers Hilti AG aus Liechtenstein übernommen.
2015 folgten die Eigenentwicklungen MSP-FR-S für nach Süden aufgeständerte Solaranlagen und MSP-TT für Trapezblechsysteme. Die Unterkonstruktionen bestehen aus hochwertigem Aluminium und Edelstahl mit einer Schutzlage aus Polyestervlies. Sie eignen sich für Flachdächer mit Folien-, Kies- oder Bitumendachbahn und gerahmte Solarmodule aus 60 und 72 sowie (für die Ost-West-Variante) auch für Module aus 96 Zellen.
Variable Auflageflächen
Diese Montagesysteme verzichten auf lange, schmale Bodenschienen und verwenden stattdessen Basisplatten mit variabler Auflagefläche von bis zu 0,3 Quadratmeter pro Auflage. Es werden niedrige und hohe Stützen auf die Basisplatten eingeklickt und mit Streben in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung verbunden.
Diese Verbindungen tragen zur besseren Stabilisierung des Flachdachsystems bei, ohne dass die Last über die Solarmodule weitergeleitet wird (Blockbildung). Die Ernst Schweizer AG bietet sechs verschiedene Basisplattenvariationen, die zwischen 13,5 und 118 cm lang und 25 cm breit sind. Dadurch bieten sich vielfältige Lösungen für unterschiedlich beanspruchbare Dämmstoffmaterialien an.
Dieses Konzept spart Material, Zeit und Geld. Zugleich reagiert es auf die Dachbeschaffenheit (Dauerdruckfestigkeit des Dämmstoffes bei maximal zwei Prozent Stauchung) und auf unterschiedlich hohe Lasten aus Wind oder Schnee.
Fünf bis zehn Euro je Kilowatt sparen
Ost-West-Systeme kommen bei guten aerodynamischen Eigenschaften, Projekten mit niedrigem Böengeschwindigkeitsdruck und einer bestimmten zusammenhängenden Formationsgröße ohne zusätzlichen Ballast aus. Wasser kann bei diesem Konzept unter allen Bedingungen problemlos abfließen.
Installateure können die vormontierten Systemkomponenten innerhalb von fünf bis zehn Minuten pro Kilowatt installieren. Weil das schnell, ohne viel Material und mit wenig Ballast funktioniert, lassen sich pro Kilowatt fünf bis zehn Euro einsparen. Wird zusätzlicher Ballast benötigt, werden zunächst Pflastersteine in die Stützen gelegt und anschließend die Streben zur Ablage der Steine verdoppelt. Bei Bedarf müssen die Basisplatten dann vergrößert und an die entsprechenden Gegebenheiten angepasst werden.
Der Platz auf dem Dach lässt sich optimal nutzen, denn das Ost-West- und das Südsystem können miteinander kombiniert, einzelne Module weggelassen und ohne Zuschneiden um Dachfenster herumgebaut werden. Dabei ist der Reihenabstand dank der unterschiedlichen Verbindungsschienen bei dem Südsystem wählbar, sodass auch in nördlichen Gebieten Europas eine verschattungsfreie Anlage installiert werden kann.
Beide Varianten lassen sich frei in jede Himmelsrichtung ausrichten. Sie kommen ohne Dachdurchdringung und ohne Vermessungs-, Klemm- oder Bohrarbeiten am Montagesystem aus. Die Systeme wurden nach den Richtlinien der Windtechnologischen Gesellschaft (WTG) intensiv im Windkanal getestet und für die standortabhängigen Spitzenwindgeschwindigkeiten ausgelegt. Diese können über 200 Stundenkilometer betragen. Weil die Verbindungen nicht gecrimpt werden müssen, ist ein zerstörungsfreier Um- oder Rückbau ohne Weiteres möglich.
Auslegung per Software
Der Hersteller hat das Ziel verfolgt, die Ballastierung auf ein Minimum zu reduzieren, um die Lastreserven der Dächer nicht zu überschreiten und trotzdem keine Abstriche bei der Sicherheit zu machen. Der Erfolg beruht auf den Tests im Windkanal und den daraus resultierenden Statikberechnungen mit den entsprechenden Lastfallkombinationen und Sicherheitsmargen. Für die Auslegung pflegt die Ernst Schweizer AG die Software Pro MSP, mit der sich der notwendige Ballast berechnen und dokumentieren lässt.
Neben den Anlagenparametern, der Gebäude- und Attikahöhe, der Geländekategorie und den Schnee- und Windlasten berücksichtigt Pro MSP auch die Dauerdruckfestigkeit des Dämmmaterials und die Sicherheit gegen Verrutschen auf der Dachfolie.
Richtlinie der Dachdecker
Für die Berechnung der Druckbelastbarkeit wurde die Flachdachrichtlinie des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks zugrunde gelegt. Diese Richtlinie empfiehlt, Wärmedämmstoffe über längere Zeiträume maximal zwei Prozent zu stauchen, um dauerhafte Verformungen zu vermeiden.
Weil einheitliche Angaben der Industrieverbände darüber fehlen, wie hoch die Belastung durch Schnee, Wind und das Eigengewicht der Solarmodule auf das jeweilige Dämmmaterial sein darf, holt Schweizer sich die entsprechenden Freigaben für die Belastung mit den Basisprofilen bei Bedarf auch direkt bei den Herstellern der Dämmplatten, beispielsweise Knauf, Saint-Gobain Isover, Flumroc und Rockwool.
Für jeden Dämmstoff das richtige Profil
Damit die Dämmstoffe nicht verformt und die Dachhaut nicht beschädigt wird, wählt das Unternehmen seine Basisprofile je nach der maximalen Beanspruchbarkeit des Dämmmaterials aus. Dank der variablen Auflageflächen eignen sich die Montagesysteme des Unternehmens für 95 Prozent aller Dämmmaterialien.
Große Basisplatten werden zum Beispiel bei einer hohen Auflagerpressung durch hohe Schneelasten auf einem sehr weichen Dämmstoff eingesetzt. Die Last wird in diesem Fall auf eine größere Fläche verteilt, was ein tieferes Einsinken der Basisplatten in das Dämmmaterial verhindert. Für eine 215-Kilowatt-Anlage in Augsburg beispielsweise wird mit weicher Mineralwolle die damit verbundene Strapazierung der Dachfolie auf ein zulässiges Maß begrenzt.
So wurden in einer Anlage als Dämmmaterial Basisplatten mit 43 mal 25 und 88 mal 25 cm Auflagefläche verwendet, um die maximale Dauerdruckfestigkeit bei maximal zwei Prozent Stauchung nicht zu überschreiten. Die Solaranlage wurde auf einem zehn Meter hohen Gebäude in Geländekategorie III (Innenstadt) und Windzone 2 (Windgeschwindigkeit 25 Meter pro Sekunde) installiert.
Druck der Böen ist kritisch
Das ergibt laut DIN EN 1991-1-4 einen Böengeschwindigkeitsdruck von 0,624 Kilonewton pro Quadratmeter. Bei einer Geländehöhe von 480 Metern über NN und Schneelastzone 1a beträgt die charakteristische Schneelast am Boden laut DIN EN 1991-1-3 0,81 Kilonewton pro Meter. Zusätzlicher Ballast war bei diesem Projekt mit großen, zusammenhängenden Blöcken unnötig.
Kleinere Basisplatten und zusätzliche Pflastersteine in den Stützen hat die Ernst Schweizer AG zum Beispiel bei einem 265-Kilowatt-Projekt in der Westschweiz verwendet. Das Bitumendach wurde mit Hartschaum gedämmt. An dem ländlich gelegenen Standort schneit es nur wenig, aber die lokalen Windkräfte sind mit einem Staudruck von 0,9 Kilonewton pro Quadratmeter sehr hoch.
Auf dem Ballastierungsplan sieht man, dass Basisplatten mit 13,5 und 28 cm Länge verwendet wurden. Um bei den gegebenen Windverhältnissen die Anlage gegen Verschieben und Abheben zu sichern, war es erforderlich, sie an verschiedenen Stellen mit Pflastersteinen zusätzlich zu beschweren.
Kalkulierte Sicherheit
Schweizer empfiehlt, die Solaranlagen ohne weitere Tests oder bauseitige Anbindungen bis maximal drei Grad Dachneigung zu installieren. Ab drei Grad empfiehlt das Unternehmen, das Montagesystem mechanisch zu sichern. Dadurch lässt sich der sogenannte Raupeneffekt vermeiden, der bei unterschiedlicher thermischer Ausdehnung der Folie und des Montagesystems, das ja aus Metall besteht, auftreten kann.
Gegen Abheben und Verschieben auch bei Jahrhundertstürmen sind die Solarmodule ausreichend gesichert, wie der Sturm im August 2017 über Passau gezeigt hat. Sind die Eigenschaften der Dachfolie nicht bekannt, kalkuliert Schweizer entweder zusätzliche Last als Sicherheit ein oder misst den Reibungskoeffizienten.
Vollständige Dokumentation
Auf dieser Basis erstellt das Programm eine vollständige Dokumentation der statischen Kalkulation. Zudem liefert es die Stücklisten und Zeichnungen für eine schnelle und sichere Installation. Mit der 3D-Visualisierung lässt sich die Modulanordnung einfach und schnell planen und das Dach nach Vorgaben belegen. Über Webtools oder bei Kundenterminen bringt Schweizer den Installateuren bei, wie die Software funktioniert. Meistens legt das Unternehmen die Solaranlagen aber auch kostenlos für seine Kunden aus und führt kundenspezifische Erst-Montageeinweisungen auf Baustellen durch.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: PV 4-2018.
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