Praxisreport störende DC-Optimierer: Viel Geld verbrannt
Wenn Photovoltaikanlagen ein Problem mit der elektomagnetischen Verträglichkeit (EMV) verursachen, sind die Anbieter der unzureichend entstörten DC-Optimierer in der Pflicht. Das wissen sie, deshalb haben sie sogenannte Reparaturanleitungen herausgegeben. Solaredge erhebt solche Fälle zur Chefsache im Service, der Hersteller rückt mit eigenen Teams an, um die Probleme zu beheben.
Anders im Fall des amerikanischen Anbieters Tigo Energy. Die Kalifornier haben zwar gleichfalls eine Anleitung veröffentlicht, doch bleiben Solarkunden und ihre Installateure bei EMV-Problemen auf sich allein gestellt.
54 Funkbojen auf dem Dach: Das Amt rückt an
Vor einem Jahr dokumentierten wir den Versuch der Sanierung einer Anlage mit Tigo-Optimierern in der Schweiz. 54 HIT-Module von Panasonic waren mit DC-Optimierern verschaltet, in vier Strings: drei Strings auf dem Dach und einem String mit Modulen an der Fassade und der Brüstung der Terrasse.
Das Problem: Die Anlage erzeugte unerlaubte Störfrequenzen. Ein Funkamateur aus der Nachbarschaft rief die Behörden zu Hilfe. Das zuständige Bundesamt (Bakom) stellte im Mai 2018 eine Prüfantenne auf. Ergebnis: Störungen auf vier Funkbändern – auf 3,5 Megahertz, elf Megahertz, 14 und 18 Megahertz, im Abstand von jeweils 50 Kilohertz. Das Amt setzte dem Betreiber eine Frist: Bis März 2019 habe er die Störungen zu beseitigen.
Die Rechtslage ist eindeutig: Die Funkfrequenzen der Amateurfunker sind – wie beispielsweise auch die Notruffrequenzen oder die Kanäle der Flugsicherung – gesetzlich geschützt. Daraufhin wandte sich der Eigentümer der Anlage an die Firma Tigo Energy, denn das Bakom wies ihn auf bereits bekannte Störfälle mit solchen DC-Optimierern hin. Die Kommunikation der DC-Optimierer erfolgt über ein internes Funksystem, also nicht über Powerline wie bei Solaredge. Soll heißen: Jeder Tigo-Optimierer wirkt auf dem Dach wie eine kleine Funkboje.
Tigo hat ein Serviceteam in Italien, in Deutschland ist ein Ingenieur unterwegs. Zunächst unterstützte der Hersteller seinen Kunden mit Informationen. Als sich abzeichnete, dass die Sache heikel und vor allem aufwendig wird, brach der Kontakt ab.
Installateur und Kunde alleingelassen
In der Reparaturanleitung, die Tigo in den USA herausgegeben hat, sind die DC-Optimierer unter Umständen als potenzielle Störquelle dargestellt. Weil der Hersteller jede Hilfe verweigerte, musste der Installateur die Sanierung nach eigenem Wissen planen und durchführen. Zunächst wurde der Stringwechselrichter als Störquelle ausgeschlossen, dann wurden die Solarkabel verdrillt und in metallischen Kabelkanälen verlegt, um sie gegen Abstrahlung zu sichern. Der Eigentümer der Anlage ließ sogar kleine Metallgehäuse anfertigen, um die Tigo-Optimierer abzuschirmen.
Alle Module auf dem Dach erhielten – wie von Tigo empfohlen – Ferritkerne an den Zugängen zu den Optimierern, um unerwünschte Schwingungen abzudämpfen. Ohne fachliche Hilfe von Tigo – von einem PDF-Dokument abgesehen – standen der Installateur und sein Kunde faktisch allein da. Der Hersteller bietet keine Reparatursets an, also muss der Anlagenbetreiber selbst herausfinden, welche Ferritkerne und welche Filter zur Dämpfung der Störungen einzubauen sind. Das bedeutet: Gerüst ans Haus, alle Module abnehmen, alle Optimierer manuell mit den Ferritkernen versehen, die Kerne mit Kabelüberzug abdichten, Module wieder auflegen und so weiter.
Störungen lediglich abgeschwächt
Anfang März 2020 waren zwei Dachstrings saniert, ihre Störpegel sanken deutlich. Beim dritten Dachstring gab es trotz Metallkanälen, verdrillten Kabeln und Ferriten an den Optimierern noch Störungen. Ein EMV-Experte wurde zurate gezogen, der weitere Vorschläge machte. Im März 2020 wurden zusätzliche Dämpfungsferrite angebracht. Dann brach die Corona-Pandemie auch über die Schweiz herein. Das Bakom sagte die Testmessung kurzfristig ab, das verschaffte dem Delinquenten etwas Luft.
Denn die letzten Messungen des Amateurfunkers hatten ergeben, dass die Störungen zwar abgeschwächt waren. Doch die Peaks in den Funkbändern waren nach wie vor unübersehbar und lagen weit über den zulässigen Grenzpegeln. Zwischenzeitlich hatte ein weiterer Nachbar vier Balkonmodule (mit Optimierern) installiert, die ihrerseits neue Störungen in die Funkbänder einbrachten. Der Albtraum setzte sich fort – in neuer Dimension.
Katastrophaler Service
Bis zum Sommer 2020 hatte der Betreiber der Anlage für die Messungen des Bakom, für den EMV-Experten und für die Sanierung mehrere Zehntausend Schweizer Franken ausgegeben. Und noch immer war nicht klar, ob das Bakom die sanierten Dachstrings überhaupt freigeben würde.
Der vierte String der vertikal installierten Module war aufgrund des hohen Aufwands an der Fassade überhaupt noch nicht saniert. Die Reparaturanweisung von Tigo erwies sich als unzureichend, der Service des amerikanischen Herstellers als katastrophal. Deshalb wurde die Sanierung der DC-Optimierer im Sommer 2020 verworfen. Nun blieb nur noch die Chance, die Anlage mit Mikrowechselrichtern auszustatten. Denn diese Geräte sind bislang nicht durch störende Frequenzen aufgefallen.
CE-Zeichen Keine verbindliche Bestätigung der EMV-Konformität
Die Anbieter von Wechselrichtern und Optimierern werben häufig damit, dass die EMV durch das CE-Zeichen bestätigt werde. Das CE-Zeichen bescheinigt jedoch lediglich die Vermutung der Behörden, dass der Anbieter die gesetzlichen und normativen Vorgaben an sein Gerät beziehungsweise Produkt erfüllt und es deshalb in der EU in Umlauf beziehungsweise Verkehr bringen darf.
Soll heißen: Rechtlich gesehen bestätigt es lediglich vermutete Konformität, ist also unverbindlich. Das CE-Zeichen enthebt weder die Hersteller noch die Installateure ihrer Sorgfaltspflichten noch schließt es späteren Regress aus. Wenn die Bundesnetzagentur oder das Schweizer Bundesamt für Kommunikation (Bakom) die Betreiber von EMV-störenden Anlagen abmahnen, schützt das CE-Zeichen nicht vor der Verantwortung zur Sanierung der Anlage. Andernfalls wird sie zwangsweise stillgelegt – der Solarkunde kann Regress gegen seinen Installateur geltend machen. Denn die Anlage entspricht nicht den technischen Anforderungen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in photovoltaik 02/2021.