Photovoltaikausbau: Das bedeuten die Pläne der Ampelkoalition für Baden-Württemberg
Aktuell sind in Deutschland Solarstromanlagen mit rund 60 Gigawatt installierter Leistung errichtet – nach den Plänen der neuen Bundesregierung braucht es bis Ende des Jahrzehnts mehr als dreimal so viel. „Die neue Ampel-Koalition in Berlin zieht die richtigen Konsequenzen für mehr Klimaschutz und hat sich viel vorgenommen“, sagt Franz Pöter, Geschäftsführer des Solar Cluster Baden-Württemberg.
„Ohne den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Solarenergie, werden wir bei der Treibhausgasreduktion nicht vorankommen. Nun müssen die bestehenden Regelungen zur Umsetzung sehr schnell angepasst und Hemmnisse abgebaut werden.“ Pöter ist überzeugt, dass dann verstärkt auch große Dachflächen von Gewerbehallen und Bürogebäuden für die Solarstromerzeugung genutzt werden.
Täglich 150 kleine PV-Anlagen
Für den Südwesten bedeutet die Zielsetzung: Künftig müssen pro Tag rund 150 kleine Photovoltaikanlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern mit einer installierten Leistung von zehn Kilowatt errichtet werden, haben die Fachleute des Branchenverbandes errechnet. Pro Jahr sind das 54.000 Anlagen. Bei Gewerbegebäuden sind jedes Jahr 2.700 neue Anlagen erforderlich; 2.350 mit jeweils 0,2 Megawatt und 330 mit einem Megawatt. Bei Freiflächenanlagen sind im Jahr 60 Solarparks in einer Größe von zehn Megawatt nötig und zusätzlich 15 Anlagen mit insgesamt vier Megawatt, die über landwirtschaftlich genutzten Flächen errichtet werden. Zum Vergleich: 2020 wurden im Südwesten in Summe 614 Megawatt erreicht, nun müssen es jährlich insgesamt 2.000 Megawatt werden.
Aufteilung in drei Anlagensegmente berechnet
Die Zubauberechnung fußt auf folgender Annahme: Der Ausbau in Baden-Württemberg erfolgt zu einem Drittel auf Freiflächen mit Biodiversität fördernden Solarparks und Agri-Photovoltaikanlagen, insgesamt 660 Megawatt pro Jahr. Die Landesregierung müsse hier daher dringend die bestehende Begrenzung nach der Freiflächenverordnung von 100 Megawatt in benachteiligten Gebieten auf 500 erhöhen, fordert Franz Pöter. Sonst gebe es ein Nadelöhr, das Projekte verhindere. 540 Megawatt, 27 Prozent, entfallen in dem Szenario auf Privathäuser, 800 Megawatt, 40 Prozent, auf Gewerbe und öffentliche Einrichtungen. Künftig müssen also insbesondere die Potenziale im Gewerbesektor genutzt werden, um den höheren Ausbau zu stemmen.
Nach Angaben der Solarbranche ist der geforderte Ausbau möglich. „Solarunternehmen und Installateure stehen bereit, den Zubau im privaten und gewerblichen Bereich zu meistern und zusätzliche Kapazitäten aufzubauen“, sagt Pöter. Von heute auf morgen lasse sich dies jedoch nicht umsetzen. Es müsse 2022 aber bereits deutlich über 1.000 Megawatt installierte Photovoltaikleistung hinzukommen und der Zubau in den Folgejahren weiter gesteigert werden, damit die Zielmarke erreicht wird. Dies sei eine große Herausforderung, aber machbar, wenn die Rahmenbedingungen stimmten.
Wichtig sei daher auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Vereinfachung und Stärkung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten sowie die Novellierung des Steuer-, Abgaben- und Umlagesystems bei der Nutzung von Solarstromanlagen. Die Investitionsbereitschaft bei Bürgerinnen und Bürgern wie bei Unternehmen sei vorhanden, sie müsse nur freigesetzt werden. Das könne den Konjunkturmotor anwerfen und gute Investitionen für klimafreundliches Wirtschaften vorantreiben.
BW-Studie kommt zu gleichem Ergebnis
Eine Ende Oktober 2021 erschienene Studie der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg ist beim Ausbaubedarf im Südwesten zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen: Die installierte Leistung der auf Dächern, Fassaden und im Freiland installierten Photovoltaikmodule solle auf zwei Gigawatt pro Jahr wachsen. Bis 2040 brauche es eine Steigerung von heute sieben auf rund 39 Gigawatt.
Um das Ziel zu erreichen, sind weitere Verbesserungen auf Bundesebene nötig. Konkret geht es unter anderem um den „atmenden Deckel“ im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), der eine massive sinkende Einspeisevergütung für Neuanlagen vorsieht. Derzeit reduziert sich die Einspeisevergütung jeden Monat deutlich. Im Dezember 2021 liegt sie für Anlagen bis zehn Kilowatt installierter Leistung nur noch bei knapp sieben Cent pro eingespeiste Kilowattstunde.
Das Problem: Da die Anlagenpreise derzeit steigen, wird die Vergütungssenkung nicht aufgefangen. Solarstromanlagen sind aus diesem Grund für Hauseigentümer nicht immer profitabel. „Das sollte schleunigst geändert werden, da die Regelung die Energiewende auf dem Dach gefährdet“, sagt Pöter. Ein nötiges Werkzeug wäre eine Erhöhung der Vergütungssätze. Auch bei Solarparks auf freiem Feld, schwimmenden Anlagen auf Baggerseen oder der Agri-Photovoltaik in der Landwirtschaft sind Verbesserungen der Rahmenbedingungen erforderlich. Die nötigen Änderungen erstrecken sich von der Genehmigung über Flächenausweisungen bis hin zu Ausschreibungs- und Vergütungsfragen. Es gibt in Sachen Solaroffensive also noch viel zu tun, in Baden-Württemberg und bundesweit.