Wie funktioniert eigentlich eine Zirkulationshydraulik?
Es ist kein Zufallsergebnis, mit dem sich der Betreiber einer Trinkwasserinstallation zufriedengeben sollte. Die Einhaltung vorgegebener Standards ist daher schon beim Bau eines Trinkwassersystems zu beachten. Ein Zirkulationsnetz steht und fällt mit der Einhaltung von Temperaturen.
Verantwortlich für die technische Einhaltung der hygienischen und komfortablen Wunschtemperatur ist zwar der Anlagenbetreiber, also beispielsweise der Vermieter. Aber letztlich muss der Anlagenmechaniker die Grundlage zur Einhaltung schaffen. Beispielsweise kann der Vermieter eines Mehrfamilienhauses davon ausgehen, dass der Installateur des Trinkwassersystems die anerkannten Regeln der Technik angewandt hat. Denn nur dann ist dieser Vermieter in der Lage, Hygieneanforderungen auch einzuhalten.
Komfort durch Zirkulation
Das Zirkulationsnetz dient einerseits dem Komfort. Es ist beispielsweise den Mietern in einem Mehrfamilienhaus nicht zumutbar, auf den ersten warmen Wassertropfen aus dem Hahn mehrere Minuten zu warten. Ohne Zirkulation würde aber morgens, also nach einer nächtlichen Nutzungspause, zuerst der gesamte Leitungsinhalt zwischen Trinkwassererwärmer (TWE) und Zapfstelle ausgetauscht werden müssen. Wenn das kalte Wasser dann ersetzt wäre, müssten sich noch die Rohre erwärmen und so würde sich allmählich die Zapftemperatur erhöhen. Dieser Zeitraum ist für viele Mehrfamilienhäuser zu lang und daher nicht akzeptabel.
Keine Chance für Legionellen
Um den Legionellen keine Chance zu lassen, will man die Temperaturen in einem Warmwassernetz zwischen 60 und 55 °C halten. Also tritt in einem Zirkulationssystem Wasser mit 60 °C aus einem TWE, wird durch die Warmwasserleitungen zum Zirkulationsanschluss geleitet und von dort wieder mittels Zirkulationsleitung zum TWE zurückbewegt. Dieses Milieu schmeckt den Legionellen nicht und so kann in der Regel von einem hygienischen Netz ausgegangen werden.
Besonderheiten
Ist nur ein unverzweigter Zirkulationskreis montiert, kann die Abkühlung von 60 auf 55 °C ziemlich genau vorausgesagt werden. Wäre es beispielsweise zu kühl bei Eintritt in den TWE, müsste die Umwälzpumpe mehr Leistung bringen. Wäre es hingegen zu heiß, hätte man zwar kein Hygieneproblem, würde aber unnötig Energie verschwenden. Wohlgemerkt gilt dies für ein einfaches Netz mit nur einem einzigen Zirkulationskreis.
In einem Mehrfamilienhaus erreicht man aber sehr selten eine Umwälzung des Warmwassers mit nur einem Anschluss. Jeder Steigestrang erhält daher, wie im Schema A gezeigt, eine Zirkulationsanbindung. Die Strömungsverläufe des heißen Wassers können dann aber nicht mehr dem Zufall überlassen werden. Man muss regulierend eingreifen, wie an einem einfachen Beispiel erkennbar sein wird.
Beispiel zum Problem
In dem Mehrfamilienhaus aus Schema A sind drei Steigestränge montiert. Der Strang I befindet sich in 3 Meter Abstand zur Zirkulationspumpe, Strang II in 20 Meter Abstand und der entlegenste Strang III liegt 40 Meter von der Pumpe entfernt. Schaltet man die Umwälzpumpe ein, wird sich das Wasser wohl bevorzugt im kleinsten Kreislauf (3 Meter Abstand, Strang I) bewegen. Ein wenig wird wohl noch umgewälzt im mittelgroßen Kreis (20 Meter Abstand, Strang II) und im entlegensten Kreis (40 Meter Abstand, Strang III) spielt sich fast nichts mehr ab. Der Vorgang ist vergleichbar mit einem Anschluss zur Gartenbewässerung, an den ein Schlauch mit 3 Meter Länge, einer mit 20 Meter Länge und einer mit 40 Meter Länge angeschlossen ist. Der dickste Schwall wird aus dem kurzen Stück Schlauch austreten, mit abnehmender Tendenz zu den beiden längeren Stücken.
Zurück zum 3-Stränge-Beispiel. Werden sämtliche waagerecht verlaufenden Kellerleitungen zu den Strängen I, II und III durch eiskalte Keller geführt, so würden sich diese Leitungen naturgemäß abkühlen. Der großzügig durchströmte Kreis zum Strang I würde durch den Nachschub an Wärme nur um 1 Grad abkühlen, der Kreis zum Strang II um 9 Grad und der zum Strang III um 15 Grad. Dieser Schieflage muss man entgegentreten, ansonsten bliebe nur Strang I geschützt vor Legionellen. Ein mittleres Hygieneproblem würde im Strang II die Folge sein und der Strang III wäre die Brutstätte für Legionellen schlechthin.
Abhilfe
Nun könnte man den Weg durch den Kreislauf I verengen, gewissermaßen also den Druckverlust in diesem Kreis erhöhen. So bliebe automatisch mehr übrig für die Stränge II und III. Den Strang II würde man ebenfalls drosseln, aber nicht so heftig wie Strang I. Dann bliebe dem Wasser in den dann gleichberechtigten Strängen nichts übrig, als sich aufzuteilen und bei gleichen Druckverlusten gleichmäßig durch die Stränge zu ziehen.
Hierzu wäre beispielsweise ein Festwiderstand in den Strängen einzubauen. Die ohnehin üblichen Strangabsperrventile im Keller des Gebäudes könnten mittels vorgegebener Werte gedrosselt werden. Dann hätte man so genannte Strangregulierventile. Diese hätten allerdings eine feste Einstellung. Äußere Einflüsse, wie beispielsweise abnehmende Umgebungstemperaturen für die einzelnen Leitungsverläufe, würden nicht ausgeglichen. Das ist nicht unbedingt und allzeit befriedigend.
Temperatur-Trick
Um das Problem der temperaturbezogenen Durchströmung der Zirkulation in den Griff zu bekommen, kann man natürlich auch die Temperatur an den jeweils interessanten Stellen im System messen. In Abhängigkeit von der jeweilig gemessenen Temperatur könnte man dann die Drosselungen der über- oder unterversorgten Stränge jeweils anpassen. Und genau das machen so genannte thermische Regulierventile. Und die Regelung erfolgt sogar ohne viel Schnickschnack und ohne Hilfsenergie.
Man setzt „einfach“ ein Ventil in den Strömungsverlauf des Rücklaufs, also der eigentlichen Zirkulationsleitung. Dieses Ventil reagiert ähnlich wie ein Thermostatventil. Es spricht jedoch nicht auf eine Raumtemperatur an, sondern auf die Temperatur des durchströmenden Wassers. Hierzu ist ein Dehnkörper integriert, der sich wie gewohnt bei Wärme ausdehnt und bei Kälte zusammenzieht. Bei Wärme schiebt dieser Dehnkörper daher das Ventil in Richtung Schließen. Bei Abkühlung öffnet der Dehnkörper das Ventil entsprechend. Die Temperatur wird so zum logischen Maßstab für den Durchfluss des heißen Wassers. Umgangssprachlich würde das Ventil also rufen:
- „Durchströme mich, mir wird´s zu kalt!“
oder
- „Lass langsamer gehen, mir wird´s zu heiß!“.
Einbauort und Einstellung
Diese thermischen Regulierventile werden in den Rücklauf eingebaut und üblicherweise dort, wo die Steigestränge in den waagerecht verlegten Hauptstrang münden, wie in Schema B.
Für das Regulierventil am Strang B I bedeutet das, dass dieses vielleicht auf 56 °C eingestellt wird. Klar, denn von diesem Punkt im Zirkulationsnetz sind nur noch geringe Temperaturverluste bis zum TWE zu erwarten. Das Ventil im Strang B II wird auf 57 °C voreingestellt, denn von diesem Strang hat das Zirkulationswasser ja noch einen Rückweg bei hoher Temperatur zurückzulegen. Strang B III wird vielleicht auf 58 °C eingestellt, damit der lange Weg bei bestem Schutz gegen Legionellen angemessen durchströmt wird.
Problem der Desinfektion
Mit entsprechender Hitze könnte man zwischenzeitlich Legionellen killen. Dazu wird üblicherweise eine Temperatur von 70 °C im Netz gefahren. Das Verhalten eines thermischen Regulierventils würde nun eigentlich eine thermische Desinfektion verhindern. Wenn nämlich zum Abtöten von Legionellen die Temperatur des Zirkulationsnetzes doch mal auf 70 °C gebracht werden müsste, dann würde eigentlich eine starke Drosselstellung angefahren, bei dem das Ventil kaum noch Wasser durchlässt. Eigentlich ja, aber uneigentlich haben einige Hersteller auch das in den Griff bekommen, wiederum ohne Hilfsenergie.
Wird also eine thermische Desinfektion durchgeführt, geht das Ventil bei steigender Temperatur in eine starke Drosselstellung, da der Dehnkörper für eine Verengung des Durchflusses sorgt. Doch auch während der stärksten Drosselung fließt noch heißes Wasser durch das Ventil. Der Dehnkörper erfährt also eine Ausdehnung über 60 °C hinaus.
Dabei schiebt er den zur Querschnittsverengung vorgesehenen Stift mit seiner Verdickung durch den Ventilsitz hindurch und im Anschluss an die stärkste Drosselstellung erweitert sich der Querschnitt wiederum. Die thermische Desinfektion kann so ebenfalls mühelos bewältigt werden.
Auslegung in der Praxis
Die Einstelltemperaturen werden natürlich nicht, wie im hier skizzierten Beispiel, einfach geschätzt. Vielmehr kann man unter Einbeziehung verschiedener Einflüsse wie verlegter Rohrdimension, Dämmung und Umgebungstemperaturen die Einstelltemperatur jedes Ventils am Computer berechnen. Das hört sich schwieriger an, als es letztlich ist.
Insgesamt sind also geeignete Lösungen am Markt verfügbar, die dem hohen Anspruch an Komfort und vor allem an die Hygiene gerecht werden. Wenn man Sinn und Funktion dann noch versteht, wirkt die Technik doch wirklich bemerkenswert einfach wie auch genial.
Besonderheiten
Die Beispiele aus dem Schema A und B zeigen, wie man ein Mehrfamilienwohnhaus in den Griff bekommt. In die Wohnungen, also zu den einzelnen Zapfstellen selbst, wird keine Zirkulationsleitung verlegt, da ja das zirkulierende Wasser vom Warmwasserzähler registriert würde. Betrachtet man jedoch Sonderbauten mit hohen Komfort- und Hygieneansprüchen kann die Zirkulation natürlich auch bis zu diesen Entnahmestellen geführt werden. Beispielsweise in Hotels oder Krankenhäusern sind diese Anforderungen an Komfort und Hygiene entsprechend hoch und man rechnet ohnehin nicht nach Wasserverbrauch ab. Man zirkuliert daher auch durch die Etagen selbst zu den Entnahmestellen und nicht nur im Steigestrang. Diese Situation wird im Schema C dargestellt.
Das Problem der ungleichen Druckverluste würde sich strang- und geschossweise zeigen. In der Folge würden sich die kurzen Wege in den unteren Geschossen und ohne einen hydraulischen Abgleich entsprechend durchströmen lassen. Die oberen Geschosse, mit höheren Druckverlusten würden nur noch mäßig durchströmt. Die oberen Geschosse könnten sich daher bezogen auf Komfort und Hygiene problematisch zeigen. Es ist daher notwendig, in solchen Fällen auch die Geschosse in ein geregeltes Konzept einzubeziehen. Die „kleinen“ Volumenströme in den Geschosszirkulationen werden daher mit geeigneten thermischen Regulierventilen ausgestattet und auf diese Weise abgeglichen.
Wichtig ist in einem solchen System mit aufeinanderfolgenden Drosselungen, dass die Ventile in den Steigesträngen keine thermostatischen Reglungen erhalten. Vielmehr werden die Ventile in den Steigesträngen auf einen Festwert eingestellt. Im Schema D wird diese Art der mehrstufigen Einregulierung dargestellt.
Chaos bei Serienschaltung
Würde man im Strang und in den Geschossen jeweils thermostatisch geregelte Ventile einsetzen, würde sich ein chaotisches Temperaturgefüge einstellen. Daher darf in einem solchen Einsatzfall nur das jeweils erste Ventil thermostatisch gesteuert werden. In den Geschossen baut man daher thermische Regulierventile ein, gleicht aber die Stränge mittels eines festen Widerstands ab. Die relativ kleinen Ventile in den Etagen müssen also nur noch mit einem geringen Differenzdruck fertigwerden. Die großen Ventile in den Strängen drosseln mittels Festwert in Abhängigkeit von der Position im Strangverlauf den gesamten Volumenstrom des Strangs auf ein passendes Niveau.
Im Schema D wird also in den Geschossen der „winzige“ Volumenstrom für eine Wohnung reguliert und der gesamte Volumenstrom von drei Wohnungen über das Strangregulierventil am Ende des Steigestrangs beeinflusst. Die Regeleigenschaften der „kleinen“ Ventile sind daher optimiert für den geringen Volumenstrom und eine geringe Druckdifferenz. Sie werden daher als Feinstregulierventile bezeichnet. Die „großen“ Ventile teilen den gesamten Volumenstrom auf drei Stränge auf.
Schematische Darstellung des Zusammenspiels von Dehnkörper und Durchflussmenge:
- a) im Normalbetrieb
- b) bei zu hoher Durchströmung und folglich zu hoher Temperatur
- c) während thermischer Desinfektion und folglich gewollt hoher Temperatur
Dieser Beitrag von Elmar Held ist zuerst erschienen in SBZ Monteur 08/2019.