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Hygienekonzepte in Trinkwassersystemen oder: Wie funktioniert eigentlich ein Auslauf im Garten?

Elmar Held

Stagnation in Trinkwasseranlagen führt bekanntlich zu einer Vermehrung von Bakterien und anderen ungewollten Veränderungen im Trinkwasser. Viele äußere Umstände können zur Stagnation beitragen oder Auswirkungen auf das Wasser verstärken. Bleiben beispielsweise alte Leitungsteile einer Trinkwasserinstallation nach einem Umbau mit dem neuen System verbunden, obwohl diese Rohre dann nicht mehr durchströmt werden, steht das Wasser nutzlos rum, stagniert also. Wer möchte diese Brühe nach zwei Tagen, zwei Wochen, zwei Monaten oder gar zwei Jahren noch trinken? Sicherlich niemand. Aber Stagnation findet im kleinen Maßstab auch an anderer Stelle statt. Nur sind diese Stellen nicht so offensichtlich.

Der Klassiker: ein Gartenauslaufventil

Für das folgende Beispiel betrachten wir das Gartenauslaufventil eines Einfamilienhauses. Anschließend übertragen wir dieses Problem auf andere Aufgaben innerhalb der technischen Gebäudeausrüstung.

Die klassische Installation haben wir in einem Strangschema dargestellt, das als Szenario 1 gekennzeichnet ist. Wir gehen davon aus, dass es für einen Volumenstrom von 0,42 Liter pro Sekunde (l/s) ausgelegt werden soll bei einem Mindestfließdruck von 1000 Millibar (mbar). Was ist das Besondere an gerade diesem Ventil? Einmal sicherlich die recht hohe Anforderung an den Volumenstrom von 0,42 l/s. Ein Waschtisch wird für nur 0,07 l/s ausgelegt, also für ein Sechstel der Kapazität dieses Gartenauslaufs. Zum Betrieb eines Rasensprengers braucht man halt ein wenig mehr als zum Händewaschen.

Für das Gartenauslaufventil kann eine weitere Besonderheit gelten, es kann als ein sogenannter Dauerverbraucher in die Auslegung eingehen. Die Begründung leuchtet schnell ein: Denn solch ein Verbraucher kann durchaus länger als eine Viertelstunde am Stück in Betrieb bleiben. Während also das WC nicht zwingend gleichzeitig mit dem Waschtisch versorgt werden müsste, will das Gartenauslaufventil dieses Sonderrecht für sich beanspruchen. Und die dritte Eigentümlichkeit dieses Ventils ist die lange Benutzungspause im Winter. Diese Zapfstelle wird dann über Monate nicht mehr durchspült.

Umgangssprachlich: Du sollst dieses Gartenauslaufventil gut versorgen, im Zweifel mit einem fetten Rohrquerschnitt, denn wenn es läuft, dann muss es kräftig fließen. Die Pausen in der Benutzung können sehr lang sein. Dann dösen entsprechend dicke Rohrquerschnitte mit einem ordentlichen Wasserinhalt vor sich hin.

Fünf Szenarien sollen zur Versorgung dieses Gartenauslaufventils entworfen werden:

Am Beispiel eines Gartenauslaufventils lassen sich Probleme und natürlich Lösungen für Hygienekonzepte in Trinkwassersystemen anschaulich erklären.

Szenario 1: Einfach anbinden

Im einfachsten und leider auch häufigsten Fall würde man diesen Wasserhahn an irgendeine greifbare Kaltwasserleitung im Keller anbinden und fertig. Was mit dem stehenden Wasser in der Leitung anschließend während der Winterpause passiert, weiß man nicht so genau, will man vielleicht auch nicht wissen. Nur, der erste Schluck Wasser, den man dieser Zapfstelle im Frühling entlockt, kann ja eigentlich nicht gesund sein. Diese Einbahnstraße steht im Winter still, das kann sich auch nach hinten, also ins restliche Trinkwassernetz, auswirken. Die sogenannte retrograde Verkeimung wächst im Zweifel auch gegen eine vorher vereinbarte Fließrichtung, denn Legionellen lesen keine Schilder und sind Anarchisten.

Das Problem einer hygienisch bedenklichen Einbausituation besteht übrigens auch, wenn man diese Außenzapfstelle während der frostigen Jahreszeit vom Trinkwassernetz trennt. Das Absperren mittels eines Schrägsitzventils, das mit einer Entleerung ausgestattet ist, kann nicht als Barriere angesehen werden. Und auch eine Verkeimung einer im Winter leergelaufenen Leitung lässt sich nicht mit Sicherheit ausschließen. Denn wer garantiert die völlige Trocknung des Innenlebens im Rohr und damit das Absterben von Legionellen und Co während der Außerbetriebnahme im Winter?

Szenario 1: Die Einbahnstraße zum Gartenauslaufventil bietet keine Gewissheit für einen hygienischen Betrieb des Trinkwassersystems.

Szenario 2: Ringleitung

Es wird eine Leitung hin und eine Leitung wieder zurück zur Kaltwasserleitung gelegt. Das nennt man dann Ringleitung und sorgt für eine sehr leistungsfähige Versorgung der Zapfstelle. Denn der Hin- und Rückweg dienen ja gleichzeitig als Zuleitung. Für einen Betrachter von außen ist die Welt dann auch in Ordnung. Nur innen bleibt das Problem wie im Szenario 1. Die Stagnation im Winter kann durch diese Montageart nicht verhindert werden, denn bleiben wir doch mal realistisch: Warum sollte das durchströmende Wasser im Winter bis zum Gartenauslauf strömen und dann auf der anderen Seite wieder zurück? Im Winter würde das Wasser einfach geradeaus nach oben strömen und weder den Weg A noch B ausreichend durchströmen.

Und was aus meiner Sicht auch noch recht schwer wiegt, ist die Tatsache, dass man nicht so leicht feststellen kann, welchen Weg das Wasser im Sommerbetrieb nun wirklich zurücklegt. Nimmt es den Weg durch den Ring auf Leitung (A) oder doch durch (B)? Wenn das nicht eindeutig geklärt werden kann, rate ich dringend von diesem Unsinn ab. Warum Unsinn? Begründung: Was passiert, wenn beispielsweise 90% des Volumenstroms durch Leitung (A) an die Zapfstelle geführt werden und damit nur 10% durch Leitung (B)? Richtig, dann würde Leitung (B) zu langsam durchströmt und könnte einen umfangreichen Biofilm im Inneren ausbilden. Gut für Legionellen, schlecht für den Verbraucher. Leitung (A) wäre also zumindest im Sommer hygienisch in Betrieb, während die langsame Durchströmung in Leitung (B) für eine fortschreitende Verkeimung des gesamten Systems sorgen würde.

Szenario 2: Die Ringleitung verbessert die Situation nur optisch. Für einen garantierten Wasseraustausch unter dem Gesichtspunkt der Hygiene ist aber nicht unbedingt viel getan.

Szenario 3: Schleifen

Hierbei wird die Ringleitung aus Szenario 2 im Steigestrang unterbrochen. Das Wasser in den Leitungen wird dann immer erst zum Gartenauslaufventil geleitet und versorgt dann erst den Strang. Diese Anordnung nennt man eine Schleife oder man spricht von einem Schleifen der Rohrleitung. Der Vorteil dieser Anordnung liegt auf der Hand. Bei jedem Zapfen im Strang, beispielsweise in der Küche, wird auch immer das Wasser auf dem Weg zum Gartenauslaufventil ausgetauscht. Selbst in der Winterpause behält das Wasser damit seine Trinkwasserqualität, weil eine Stagnation auszuschließen ist.

Nachteil dieser Anordnung ist die relativ dicke Zuleitung, die man in Richtung Auslaufventil (Strecke A) und dann zurück zum Strang (Strecke B) verlegen muss. Denn im Zweifel wird ja das Gartenauslaufventil benutzt und gleichzeitig im Bad im OG geduscht oder Ähnliches. Die Wirtschaftlichkeit dieser Anschlussart ist also zu beachten. Als weiteren Nachteil der dicken Dimensionen sehe ich die geringe Fließgeschwindigkeit, beispielsweise im Winter. Dann wird das Gartenauslaufventil wohl nicht gleichzeitig mit der Dusche betrieben. Die Durchströmung des Rohres beschränkt sich dann also auf eine sehr geringe Anforderung resultierend aus der Dusche und vielleicht noch einer Wasserbewegung in Richtung Küche. Die Dimension des Rohres ist aber für den anspruchsvolleren Fall vorgesehen. Damit ist die Geschwindigkeit der Strömung in den Wintermonaten real sehr niedrig. Das begünstigt wiederum das Ausbreiten eines Biofilms innerhalb des Rohres. Dieses Szenario 3 scheint mir daher akzeptabel, wenn auch nicht ideal.

Szenario 3: Das klassische Schleifen funktioniert immer, ist jedoch nicht der Goldstandard.

Szenario 4: Strömungsteiler

Es wird ein Strömungsteiler gesetzt und die Zuleitung zum Gartenventil erfolgt auf Leitungsweg (A) und (B) mit sehr kleinem Durchmesser. Wird im Garten gezapft, so stellen beide Leitungen einen Zulauf dar. Die Funktion ist also hervorragend und sparsam erfüllbar. Zapft jedoch jemand am Strang, so sorgt das Venturiprinzip für eine Druckdifferenz im Strömungsteiler. Damit erfolgt augenblicklich eine Wasserbewegung in den Leitungen (A) und (B). Auch der Winter stellt kein Risiko für Stagnation dar, denn der Wasseraustausch bleibt durch die Bewegung im Strang gewährleistet.

Der Volumenstrom zum Gartenauslaufventil hängt allerdings von einigen Faktoren ab. Besonders bei geringen Verbräuchen im Strang tut sich nicht viel in den Leitungen (A) und (B). Auch darf die Leitungslänge, also der Weg zum Auslaufventil und damit der Rohrreibungswiderstand, nicht zu groß sein. Klar, da ist ja keine Pumpe mit vorhersehbarem Druck am Werk, sondern „nur“ die Antriebskraft des durch das Venturiprinzip hervorgerufenen Druckunterschieds.

Szenario 4: Ein Venturirohr clever ins System eingesetzt hilft beim Wassertausch im Winter.

Szenario 5: Strömungsteiler plus dynamische Verstellung

Der Strömungsteiler wird zusätzlich mit einer dynamischen Verstellung versehen. Diese Verstellung verschließt gewissermaßen den Durchgang und zwingt das Wasser, wenn denn im Strang gezapft wird, um die Ecke in Richtung Gartenauslaufventil. Bei kleinen Volumenströmen gelangen so 90% des Volumenstroms über die Leitungen (A) und (B) zum weiterführenden Strang. Dies entspricht im Verhalten dem Schleifen einer Rohrleitung, also dem Szenario 3. Beim Händewaschen im Bad des Hauses käme es also zum Wasseraustausch durch Schleifen.

Erhöht sich jedoch der Volumenstrom im Strang, öffnet sich das eigentliche dynamische Bauteil in Fließrichtung vor dem Venturirohr. Der dynamische Verschluss wird gewissermaßen von einem steigenden Volumenstrom immer weiter mitgerissen und öffnet sein Tor dabei. Daraus folgt, dass bei starker Durchströmung das Venturiprinzip für die Durchströmung der Leitungen (A) und (B) sorgt. Beim Duschen im Bad des Hauses käme es also zum Wasseraustausch durch die aufgebaute Druckdifferenz des Venturiprinzips. Es werden die Vorteile einer Ringleitung kombiniert mit den Vorteilen der Rohrschleife. Der Mehraufwand an Material beschränkt sich auf den Strömungstrenner mit dem dynamischen Bauteil.

Szenario 5: Ein Venturirohr mit zusätzlicher dynamischer Komponente ist berechenbar und sorgt für hygienische Sicherheit im System.

Venturi sorgt für Hygiene

Seit vielen Jahren nutzt die Sanitärindustrie das Venturiprinzip in der beschriebenen Form der Szenarien 4 und 5. Man setzt ein Venturirohr ein, um Stagnation an zeitweise ungenutzten Zapfstellen zu verhindern. Die Venturidüse wird dabei ganz einfach in die Hauptverteilleitung zwischen den beiden T-Stücken, die zur Ringleitung und damit zur Zapfstelle abzweigen, eingebaut. Bei jeder Wasserentnahme im Fließweg hinter der Venturidüse entsteht automatisch ein geringer Druckunterschied, der das Volumen der Ringleitung zur Einzelzapfstelle regelmäßig austauschen sollte. Stagnation in dem Rohrleitungsabschnitt wird so sicher vermieden – die bedarfsgerechte Dimensionierung der Haupverteilleitung immer vorausgesetzt.

Eine solche Düse, beispielsweise aus dem Hause Viega, ist in Ringleitungen mit Einzelzapfstellen einsetzbar, deren Länge weniger als 15m beträgt und die mit maximal zwei Wandscheiben sowie zehn Bögen installiert werden. Damit kann der Wasseraustausch beispielsweise von Waschmaschinenanschluss und Ausgussbecken ohne aufwendige Berechnung abgesichert werden. Die Begrenzung auf 15m und eine maximale Anzahl an Bogen in einer solchen Strecke ergibt sich aus den theoretisch erreichbaren Druckdifferenzen an dieser Düse.

Der Sanitärpartner Kemper aus Olpe bietet den Venturi-Strömungsteiler an. Dieses Bauteil beinhaltet den im Szenario 5 beschriebenen dynamischen Verschluss. Bei geringer Durchströmung läuft dann der gesamte Volumenstrom über die Schleife und bei großem Volumenstrom öffnet sich ein ansonsten geschlossenes Ventil und der eigentliche Venturi-Effekt kommt zum Tragen.

Kemper und Viega hätten theoretisch die Einschnürung und damit die erzeugte Druckdifferenz aus dem Venturi-Effekt extrem ausfallen lassen können. Das hätte dann aber auch hohe Reibungswiderstände an der Düse zur Folge gehabt. Eine extreme Einschnürung ginge also auch einher mit einem entsprechend hohen Einzelwiderstand dieser Düse. Unsere Partner aus der Sanitärindustrie mussten also einen Kompromiss für diese Düse wählen und die Druckdifferenz in einem sinnvollen Rahmen belassen. Daher können also nicht beliebig lange Strecken mit dieser Technik durchströmt werden.

Die Lösung à la Venturi von Viega aus Szenario 4
Die Venturilösung von Kemper aus Szenario 5: A: Draußen wird gezapft B: Kleiner Volumenstrom im Bad (Waschtisch) C: Großer Volumenstrom im Bad (Dusche)

Zusammenfassung

Was Sie einem Kunden einbauen, bleibt natürlich Ihr Geheimnis. Aber die Vorteile der Systeme mit Strömungsteiler auf Basis eines Venturi-Effekts liegen auf der Hand. Der Mehraufwand hält sich auch für den Kunden in Grenzen. Der Erfolg ist dabei durchschlagend und überzeugend. Und vielleicht will Ihr Kunde gar nicht die billigste Lösung (Szenario 1), sondern die für ihn beste. Ganz sicher will er aber hygienische Wasserverhältnisse in seinem Wohnumfeld, was Szenario 1 und 2 nicht liefern können.

Die beschriebenen Zusammenhänge sind extrem wichtig auch bei Konzepten zur Einhaltung der Hygiene in anderen Nutzungsverhältnissen. Stellen Sie sich bitte mal den Flur eines Krankenhauses vor, von dem ausgehend 30 Zweibettzimmer mit Trinkwasser versorgt werden. Wenn da ein Ausgussbecken in einem Abstellraum sehr selten (bis niemals) benutzt wird, sollte der Wasseraustausch doch auch unbedingt gesichert werden. Ihnen fallen sicherlich noch mehr Anwendungsfälle ein.

Dieser Artikel von Dipl.-Ing.  Elmar Held ist zuerst erschienen in SBZ-Monteur-Ausgabe 3/2022. Elmar Held ist verantwortlicher Redakteur des SBZ Monteur. 

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