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Einblasdämmung in der Sanierung: geringer Einsatz, große Wirkung

Alexander Borchert

Auf der Jahrestagung des Gebäudeforums Klimaneutral im September in Berlin kam auch die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz der Energie- und Gebäudewende zur Sprache. Um die stehe es derzeit nicht zum Besten, erklärte Beatrice Kuhn von der Deutschen Energie-Agentur, und stellte dazu eine Studie vor, welche die soziale Schieflage im Wohnungssektor verdeutlichte: Die unteren Einkommensgruppen werden durch die Energiepreissteigerungen am stärksten belastet, und die Ausweitung des Emissionshandels auf den Gebäudebereich ab 2027 wird die fossilen Energien noch sehr viel teurer machen. 

Diese Tendenzen geben den Expert:innen schon länger zu denken. Denn zugleich herrscht bekanntlich ein Gefühl der Ohnmacht in der Gruppe der sozial Schwachen vor, die keine Möglichkeiten sehen, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Dem entgegenzuwirken sei sein erklärter Auftrag und der seiner Kolleg:innen, erläuterte etwas später Thomas Zwingmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Er wies überdies darauf hin, dass zu den Betroffenen nicht nur Mieter:innen, sondern auch Hauseigentümer:innen mit einem geringen Einkommen zählen. Es wurde klar: Ihnen allen Handlungsspielräume in der Energie- und Gebäudewende zu eröffnen, darauf kommt es jetzt besonders an.

Oberste Geschossdecke zuerst

In Deutschland stehen rund 19,5 Millionen Wohngebäude, zirka 16 Millionen davon sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Die sind energetisch aufgrund ihres ungünstigen A/V-Verhältnisses gehandicapt: Sie besitzen relativ viel wärmeabstrahlende Außenfläche im Verhältnis zum Wohnraum. Ihre Wärmeverluste pro Quadratmeter Nutzfläche sind wesentlich größer als bei einem Mehrfamilienhaus, geschweige denn bei einem Hochhaus. Außerdem stammen die meisten aus der Zeit vor 1979, vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung. 

Viele von ihnen sind entweder gar nicht oder mangelhaft saniert, die Gebäudehüllen somit extrem wärmedurchlässig. Insbesondere Häuser aus der frühen Nachkriegszeit, die durch akuten Wohnraummangel geprägt war, verfügen häufig lediglich über dünne, einschalige Außenwände aus mineralischen Baustoffen. Dächer und auch Keller sind ohne jede Dämmung. Und tatsächlich befinden sich nicht wenige von ihnen im Besitz von Menschen mit nur spärlichen finanziellen Mitteln.

Doch es gibt zahlreiche Optionen, mit denen auch für kleines Geld beachtliche Energieeinsparungen zu erzielen sind. Nicht ohne Grund führt das Gebäudeenergiegesetz (GEG) im Paragraphen 47 die Dämmung der obersten Geschossdecke als die einzige Nachrüstpflicht in Bezug auf den Wärmeschutz an. Dabei muss ein U-Wert von 0,24 W/m2a erreicht werden, der sich indes mit den marktgängigen Dämmstoffen leicht unterbieten lässt. Am preisgünstigsten ist der Wärmeschutz der nicht begehbaren Geschossdecken mit Schütt- oder Aufblasdämmstoffen. Es bieten sich Zelluloseflocken an, daneben Mineralwolle, sowohl Stein- als auch Glaswolle, außerdem Holzfasern.

 

Ein Arbeiter in Schutzkleidung installiert eine Isolierung auf einem Dachboden, umgeben von weißem Isoliermaterial.
In Steildach und Holzrahmenbau lässt sich die Einblasdämmung aus Mineralwolle sauber und schnell über Schläuche und Düsen in die Hohlräume einbringen.

Hohlräume verfüllen 

Werden Dachböden nicht als Lagerräume genutzt, bedeckt man sie lediglich mit dem Dämmmaterial. Sollen sie dagegen begehbar bleiben, können Balken und Bretter oder Holzwerkstoffplatten tragfähige Konstruktionen schaffen, die das Schüttgut oder die Flocken aufnehmen. Besteht die Geschossdecke ohnehin aus Holzbalken und einer Bretterlage, werden einfach die Hohlräume verfüllt, wozu man lediglich wenige der Bretter vorübergehend entfernen muss. Selbst wenn die vorhandene Deckenkonstruktion nicht genug Dämmstoff aufnehmen kann, um den U-Wert zu erreichen, ist das GEG dennoch erfüllt.

Diese Lage zu ergänzen, kann sich jedoch lohnen, denn ab einem U-Wert von 0,14 W/m2a ist der neue Wärmeschutz förderfähig. Ein weiterer Vorteil der Aufblas- beziehungsweise Einblasdämmung: Sie passt sich allen Unebenheiten an, füllt bei korrekter Verarbeitung auch Hohlräume mit den kompliziertesten Geometrien lückenlos, was mit Dämmungen in Matten- oder Plattenform nicht so leicht zu erreichen ist. Nach Angaben des Infoportals www.daemmatlas.de, gepflegt vom Institut für preisoptimierte energetische Gebäudemodernisierung (IpeG-Institut), kann sich eine „minimalinvasive“ Art der Dämmung innerhalb von drei Jahren amortisieren.

Schließen der schlimmsten Wärmelecks

In einer 2022 für das IpeG-Institut angefertigten Studie geht Autor Werner Eicke-Hennig auf zahlreiche Varianten der Einblasdämmung ein, mit denen die schlimmsten Wärmelecks von Gebäuden mit relativ geringem organisatorischem und finanziellem Aufwand geschlossen werden können [1]. Die vorgestellten Varianten ergeben sich dank der in vielen alten Gebäuden vorhandenen Hohlräume, die einst aus Sicht der damaligen Erbauer sinnvoll erschienen, die aber tatsächlich bauphysikalisch bedenklich und risikobehaftet sind, da in ihnen Tauwasserausfall droht.

Dafür bieten sie sich heute für den Wärmeschutz an, zum Beispiel die Lufträume im zweischaligen Mauerwerk zwischen tragender Mauer und Vormauer, einer im Norden und Westen Deutschlands verbreiteten Bauweise, oder die Lufträume in den Außenwänden von Fertighäusern der 1960er und 1970er-Jahren, die Kriechkeller, Rollladenkästen, Gebäudetrennfugen, die Abseiträume von Dächern, zwischen Dachaufbau und Drempel oder die Sparrenzwischenräume von Steildächern.

Eine der neueren, höchst rationellen Methoden der Einbringung in die Sparrenzwischenräume ist der Dämmsack oder Thermobag. Er besteht auf der Dachseite aus einer Unterdeckbahn, auf der Raumseite aus einer Dampfbremse, wird in den Sparrenzwischenraum eingebracht und anschließend mit dem Dämmstoff ausgeblasen.

Als Dämmmaterialen stehen außer den schon genannten Zelluloseflocken, den Stein- und Glaswollefasern und Holzfasern auch Stroh sowie EPS-Kügelchen und SLS-Einblasdämmstoff zur Wahl (Silikat-Leichtschaum beziehungsweise Blähglas). Man muss sie lediglich entsprechend den Anforderungen im konkreten Fall aussuchen: Sollen sie wasserabweisend sein wie EPS, nicht brennbar wie Stein-, Glaswolle oder SLS), sollen sie nicht rieselfähig sein wie Mineralwolle, Holzfaser?

Ein Mann installiert Holzbalken zur Isolierung auf einem Dachboden, umgeben von Baumaterialien.
Ein Handwerker baut die Unterkonstruktion für eine begehbare Dämmung der obersten Geschossdecke auf.

Hochleistungsdämmstoffe – noch zu teuer

Muss die Dämmschicht aus baulichen, konstruktiven Gründen extrem dünn ausfallen, bleibt so wie bisher nur der Griff zu eher hochpreisigen Materialien, etwa Putzen, die Aerogel enthalten. So arbeiten Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen an preisgünstigen Aerogelen, die doppelt so gut dämmen sollen wie EPS, doch die Marktreife haben sie bisher nicht erlangt [2].

Neben den Aerogelen sind andere Hochleistungsdämmstoffe erhältlich, die dazu ebenso als Einblas- und Schüttdämmstoff verwendet werden können. Ein Unternehmen aus Düren bietet ein aus geblähtem Kunststoff bestehendes Material mit Mikroporen an, das nach Angaben des Anbieters einen Lambda-Wert von 0,025 W/mK besitzt, allerdings noch auf seine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung wartet. Dennoch wird es bereits eingesetzt, dort, wo es auf den Millimeter ankommt.

Wo das Geld knapp ist, aber der Wärmeschutz dringend erforderlich, ist die Versuchung groß, sich vermeintlicher Wunderlösungen zu bedienen. Dazu zählen die immer mal wieder angebotenen „wärmedämmenden Anstriche“, die Mikroglas- oder Mikrokeramikkügelchen enthalten. Doch sind sie erwiesenermaßen wirkungslos. Nicht wesentlich besser steht es um das Dämmvermögen der mit infrarotreflektierender Folie kaschierten mehrlagigen Vliese, die von begeisterten Youtubern wegen ihrer guten Verarbeitbarkeit gelobt werden. Sie kommen gerade dort wie gerufen, wo wenig Platz für eine ordentliche Dämmung ist, etwa beim Bau von Tiny Houses. Doch sie halten bei weitem nicht, was die Hersteller versprechen. Es gehört mit zu den Aufgaben von Energieberatenden, vor solchen vermeintlich günstigen Lösungen zu warnen.

Nach wie vor existieren Dämm-Mythen

Neben der schlechten finanziellen Situation vieler Gebäudeeigentümer:innen und dem mangelnden Wissen über die durchaus vorhandenen Fördermöglichkeiten sorgen immer noch irrige Vorstellungen über den Wärmeschutz für Zögerlichkeit. Zwar ist, folgt man einer überarbeiteten Metastudie des Münchner Forschungsinstituts für Wärmeschutz, das Wissen über die Gebäudedämmung in der breiten Bevölkerung besser geworden [3].

Doch nach wie vor begegnen Effizienzexpert:innen tagtäglich bei ihren Auftrageber:innen, aber auch bei Angehörigen von Bauberufen solchen abstrusen Ideen wie: „Die Wände eines Hauses müssen atmen können, Dämmung verhindert das und führt zu Schimmel“, „Dämmung ist brandgefährlich“, „Dämmung bringt nichts“, „Dämmung ist Sondermüll“. Hier müssen Energieberatende zuhören – mit Wertschätzung und Empathie – und trotzdem die Scheinargumente in aller Ruhe widerlegen, ohne in den Oberlehrerton zu verfallen. Hilfreich können dabei Referenzprojekte sein, die den Gewinn gut geplanter Wärmeschutzmaßnahmen für alle Beteiligten verdeutlichen können.

Energieberatende haben eine anspruchsvolle Aufgabe: den Ratsuchenden einerseits die Angst vor den notwendigen Maßnahmen zu nehmen, andererseits auf den Ernst der Lage hinzuweisen, den Handlungsbedarf klar zu machen. Denn Dämmung muss ja in Zukunft nicht nur vor den immer teureren Wärmeverlusten in der Heizperiode schützen, sondern auch vor der Sommerhitze, die in den kommenden Jahren noch weit extremere Formen annehmen dürfte als bisher. Letztlich aber ist ihre Botschaft eine positive: Jede, jeder kann etwas tun.

Quellen

[1] Werner Eicke-Hennig, Energieinstitut Hessen, Niedriginvestive Energiespartechniken für die Energiewende im Gebäudesektor, 2022

[2] Fraunhofer UMSICHT: Aerogel-Dämmstoff für die Bauindustrie und den Leichtbau, https://t1p.de/GEB240831

[3] Forschungsinstitut fü Wärmeschutz: Technologien und Techniken zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden durch Wärmedämmstoffe, https://t1p.de/GEB240832

Dieser Artikel, geschrieben von Alexander Borchert, erschien zuerst im Gebäude Energieberater Ausgabe 08/2024. 

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