Mieterstrom: Warum der Markt immer mehr in Bewegung kommt
Es ist ein ganz klares Signal in Richtung Marktentwicklung: Das Investment-Management der niederländischen Umweltbank Triodos will bis spätestens 2025 satte 70 Millionen Euro von Investoren einsammeln, um damit Mieterstromprojekte zu finanzieren. Das Geld wird über den Triodos Energy Transition Fund verwaltet.
Mit diesem Geld soll der Kölner Mieterstromdienstleister „Einhundert Energie“ Solaranlagen mit einer Leistung von 50 Megawatt auf Mehrfamilienhäusern errichten und betreiben und mit dem Strom die Bewohner versorgen.
Dazu haben die beiden Partner extra ein gemeinsames Tochterunternehmen, die „Einhundert Solar“, gegründet. Die Kölner setzen die Anlagen im sogenannten Contracting-Modell um, bei dem Einhundert nicht nur den Betrieb der Anlage, sondern auch die gesamte Finanzierung übernimmt. Damit können sich die Immobilienunternehmen, die Einhundert mit der Lösung ansprechen will, auf ihr eigentliches Geschäfts konzentrieren und müssen sich nicht um die Stromversorgung ihrer Mieter kümmern.
90 Megawatt bisher installiert
Einhundert setzte das Modell schon mit einer Reihe von deutschen Immobilienunternehmen wie Interboden und der Rheinwohnungsbau um. „Unser Contractingmodell wird stark nachgefragt, denn es nimmt unseren Kunden viele Bürden und Kosten. Aufgrund des Drucks zur Dekarbonisierung von Gebäudeportfolien sowie der Knappheit an Material, Installationskapazitäten und billigem Kapital sehen wir einen rasant steigenden Bedarf für dieses Produkt“, beschreibt Ernesto Garnier, Geschäftsführer von Einhundert Energie, die derzeitige Marktlage. „Mit dem Joint Venture Einhundert Solar können wir diese Nachfrage gemeinsam mit dem Triodos Energy Transition Europe Fund bedienen“, betont der Einhundert-Chef. Denn damit stehen genügend Investitionsmittel für die Umsetzung der Projekte zur Verfügung.
Strompreise treiben den Markt
Tatsächlich wäre ein Zubau von 50 Megawatt Mieterstromleistung eine echte Ansage an den Markt. Allein damit würde Einhundert Solar die installierte Mieterstromleistung in Deutschland um mehr als die Hälfte des derzeitigen Wertes erhöhen. Denn das Marktstammdatenregister weist bei einer entsprechenden Abfrage Mitte August 2022 immerhin schon 4.881 Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von fast 90 Megawatt aus, für die ein Mieterstromzuschlag gezahlt wird.
Doch auch andere Anbieter merken, dass die Nachfrage drastisch zulegt. Denn immerhin hat sich schon jetzt im Vergleich zu Ende 2019 die installierte Leistung der Mieterstromanlagen von damals installierten 9,4 Megawatt fast verzehnfacht. „Im Zuge der Energiepreiskrise ist die Nachfrage nochmals enorm angestiegen“, sagt Manuel Thielmann, Leiter der dezentralen Energieversorgung beim Münchner Ökoenergieversorger Polarstern.
Das Münchner Unternehmen ist auch im Mieterstromsegment gut unterwegs. „Das liegt nicht so sehr an der EEG-Novelle oder verbesserten Rahmenbedingungen, wobei diese die Umsetzung der Projekte schon etwas vereinfachen”, sagt Thielmann mit Blick auf die wachsende Nachfrage. „Die jetzigen Anfragen kommen vor allem aus der Wohnungswirtschaft oder von Wohnungseigentümergemeinschaften und sind zum größten Teil durch die hohen Stromkosten getrieben. Diese Tendenz wird zunehmen. Denn die hohen Einkaufskonditionen für die Versorger am Energiemarkt sind bei Verbrauchern noch gar nicht angekommen.“
Mit steigenden Strompreisen werden wiederum die Mieterstromanlagen umso wirtschaftlicher für alle Beteiligten. Die seit dem 1. Juli 2022 weggefallene EEG-Umlage ist erst einmal eine Gleichsetzung des Mieterstroms mit dem anderen Eigenverbrauch.
Doch de facto ist der Mieterstrom, der in den vergangenen Jahren immer wieder darunter gelitten hat, dass die volle EEG-Umlage aufgeschlagen wurde, jetzt gegenüber dem Eigenverbrauch sogar im Vorteil. „Denn während beim Eigenverbrauch nur die EEG-Umlage weggefallen ist, bekommt der Mieterstrom noch einen Zuschlag“, erklärt Manuel Thielmann.
Zehn Prozent unter Grundversorgung
Das gilt auch für den Netzstrom, für den zwar jetzt ebenfalls keine EEG-Umlage mehr erhoben wird, aber der noch andere Preisbestandteile enthält wie Netzentgelte, Stromsteuer und sonstige Umlagen. Zu Letzteren gehören unter anderem die KWK-Umlage und die Umlage für die Finanzierung des Netzanschlusses von Offshore-Windkraftanlagen.
Dies ist inzwischen für die Mieterstromanlagen die entscheidende Größe, um die Bewohner der Mehrfamilienhäuser vom Mieterstromangebot zu überzeugen. „Darin liegt aber inzwischen nicht mehr die große Herausforderung, da wir mit dem Mieterstrompreis laut gesetzlicher Vorgabe ohnehin zehn Prozent unter dem Grundversorgungstarif bleiben müssen“, weiß Thielmann. „Dazu kommt, dass die Grundversorgungspreise anders als noch im letzten Jahr inzwischen in vielen Fällen die preiswertesten Tarife der Versorger sind, da die Strommengen dafür langfristig am Markt eingekauft wurden.“
Inzwischen muss sich die Solarstromanlage im Mieterstromprojekt aufgrund der gestiegenen Einspeisevergütung gegen die Volleinspeiseanlage wirtschaftlich durchsetzen – egal ob sie im Contracting- oder im Lieferkettenmodell betrieben wird. Bei Letzterem bleibt die Anlage, anders als beim Contracting, im Besitz des Immobilieneigentümers.
Dieser liefert wiederum den für das Gebäude benötigten Solarstrom an einen Dienstleister oder Versorger, der seinerseits diesen Solarstrom mit einer Reststromlieferung aus dem eigenen Portfolio kombiniert als Mieterstrom an die Hausbewohner liefert. „Wir oder der Anlagenbetreiber müssen in beiden Fällen mit dem Ertrag, den wir mit Mieterstrom erwirtschaften, zuzüglich des Mieterstromzuschlags und der Erlöse aus der Überschusseinspeisung, mehr erwirtschaften, als wir an Erlösen bei einer Volleinspeisung hätten, bei der noch nicht einmal ein aufwendiges Summenzählermodell installiert werden muss“, beschreibt Thielmann die gegenwärtige Herausforderung bei der wirtschaftlichen Umsetzung von Mieterstromprojekten.
Hier spielen die höheren Investitionskosten aufgrund des Summenzählermodells zur Messung und Abrechnung des vor Ort verbrauchten Solarstroms eine große Rolle. Doch auch dabei kommen den Anbietern die hohen Strompreise der Versorger zugute. Denn selbst bei üppigen Einspeisetarifen von 9,4 bis 13,4 Cent pro Kilowattstunde können die Mieterstrompreise weit darüber liegen, zumal dann noch der Zuschlag dazukommt, der die Mehrkosten für Messung und Abrechnung des Mieterstroms abdecken soll.
Verbraucher profitieren mehr
Dieser wird in Zukunft außerdem nicht mehr an den Zubau der Photovoltaik gekoppelt. Vielmehr starten die Anbieter zum Jahreswechsel mit einem Preis, der sich aus den derzeitigen Einspeisevergütungen errechnet. „Wir haben ausgerechnet, wo der Mieterstromzuschlag ungefähr landen wird. So gehen wir davon aus, dass es bis zehn Kilowatt einen Zuschlag von 2,70 Cent pro Kilowattstunde geben wird, wenn die Degression so weitergeht. Für Anlagen bis 40 Kilowatt beträgt der Zuschlag dann 2,51 Cent pro Kilowattstunde und für Anlagen bis einem Megawatt wird es dann wohl 1,69 Cent pro Kilowattstunde geben“, sagt Manuel Thielmann. „Das ist bei den aktuellen Energiepreisen ausreichend. Jetzt ist auch mehr Luft zwischen Strompreis vom Versorger und Mieterstromkosten, sodass auch die Letztverbraucher noch stärker von der Solaranlage profitieren können.“
Hinzu kommt, dass bis Februar 2024 jegliche Degression wegfällt, die Mieterstromzuschläge also stabil bleiben. Dies erhöht die Planungssicherheit bei den Anbietern und den Immobilienbesitzern. Außerdem gibt es mit Inkrafttreten des neuen EEG zum Jahreswechsel auch Mieterstromzuschläge für größere Generatoren. Bisher lag der Deckel bei 100 Kilowatt. Dann wird er auf ein Megawatt angehoben. So können auch größere Projekte gebaut und die Dachflächen ausgenutzt werden. Sicherlich wird es dann auch Mieterstromanlagen mit 120 oder 150 Kilowatt geben.
Direktvermarktung bleibt Herausforderung
Bisher war dies vor allem in Quartieren aufgrund der verschiedenen Dächer möglich. Denn die Anlagen wurden hier für die Berechnung des Mieterstromzuschlags nicht zusammengefasst, sodass auf jedem Gebäude innerhalb eines Karrees eine Mieterstromanlage mit maximal 100 Kilowatt installiert werden konnte, ohne dass die Grenze für die Förderung überschritten wurde.
Dass mit der jetzigen Anhebung des Deckels für den Mieterstromzuschlag die Megawattgrenze ausgereizt wird, sieht Manuel Thielmann aber kaum. „Es ist schon sehr selten, dass die ganz großen Anlagen im Geschosswohnungsbau errichtet werden“, sagt er. „Das ist eher für gewerbliche Mieterstromprojekte relevant.“
Wichtiger wäre aus seiner Sicht gewesen, auch die Grenze anzuheben, ab der die Anlagen in die verpflichtende Direktvermarktung gehen müssen. „Wenn die Mieter 70 oder 80 Prozent des Stroms direkt vor Ort verbrauchen, ist es vor allem für kleinere Mieterstromanbieter schwierig, einen Direktvermarkter für die sehr geringen und schwer prognostizierbaren Strommengen zu finden“, beschreibt Thielmann das Problem. „Ein anderer Vorschlag neben der Anhebung der Grenze für die verpflichtende Direktvermarktung wäre, dass diese sich auf den Netzanschluss bezieht. Nur wenn mehr als 100 Kilowatt Leistung der Mieterstromanlage an einem Netzanschluss angeklemmt wären, ginge die Anlage in die Direktvermarktung.“
Hier hilft auch die neue Regelung kaum, dass auf einem Gebäudedach eine Eigenverbrauchsanlage und ein Generator zur Volleinspeisung errichtet werden können. Diese Regelung in Paragraf 48 Absatz 2a des EEG legt dazu fest, dass die beiden Anlagen galvanisch voneinander getrennt werden müssen und jeweils eigene Messeinrichtungen brauchen.
Die Regelung hilft auf großen Industriedächern sicherlich, die ganze Fläche zu nutzen. Doch für Mieterstromanlagen ist sie nur bedingt brauchbar, da auf den Dächern von Mehrfamilienhäusern in der Regel kaum noch Platz für einen zweiten Generator ist. Doch sollte tatsächlich noch Dachfläche frei bleiben, wenn die Mieterstromanlage geplant ist, ist dies sicherlich eine Möglichkeit, auch hier die Dachflächen komplett auszunutzen.
Quartierskonzepte ermöglichen
Dann kann die Anlage für die Versorgung von Mietern so knapp geplant werden, dass mehr dieses Stroms vor Ort verbraucht wird, während der Rest des Daches mit einer Volleinspeiseanlage belegt wird. Doch die Nutzung des Solarstroms vor Ort könnte auch mittels einer neuen Eigenverbrauchsdefinition erhöht werden. Eine solche hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur EEG-Novelle eingefordert – explizit, um einen Anreiz für mehr Mieterstromprojekte zu schaffen. Diese neue Definition sollte es ermöglichen, innerhalb von Quartieren auch Solarstrom von benachbarten Gebäuden zu beziehen.
Bisher ist dies kaum möglich, weil in der Regel dann ein Teil des Stroms durchs allgemeine Netz fließen würde. „In der Anfangszeit der Mieterstromentwicklung haben wir das gelöst, indem wir Teile des Stromnetzes zurückgekauft haben, wenn es nur um eine Stichleitung ging. Oder wir haben intern Hausanschlüsse stillgelegt“, erinnert sich Manuel Thielmann. „Doch dies ist im Hochlauf und in der Skalierung schwierig umzusetzen, weil das viele Elektroarbeiten bedingt, die teurer geworden sind.“
Regelungen vereinheitlichen
Dies bleibt auch bei Gebäuden aus den 1960er- bis 1980er-Jahren mit mehreren Aufgängen oder bei Plattenbauten eine Herausforderung. Obwohl diese eigentlich mit Blick auf den Eigenverbrauch und die Dachflächen gut geeignet für Mieterstromprojekte wären. Doch hier wird jeder Aufgang als ein Gebäude betrachtet und die Nutzung des Mieterstroms durch Bewohner der benachbarten Aufgänge ist nicht möglich.
Neben der unübersichtlichen Vielzahl von Messkonzepten und Abrechnungsformeln, die je nach verantwortlichem Verteilnetzbetreiber unterschiedlich ausfallen, und einem bundeseinheitlichen Anmeldeprozess für Mieterstromanlagen wäre eine quartiersinterne Nutzung des Solarstroms durch alle Mieter eine Stellschraube, die die Umsetzung von solchen Projekten beschleunigen würde.