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Warum die Wohnraumlüftung bei der Planung oft unter den Tisch fällt

Kurt Maurer
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Der Wohnungslüftungsmarkt trägt alle Kennzeichen eines Boom-Marktes: Die Verkaufszahlen steigen stetig, aber das Potenzial ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Das belegen folgende Zahlen: Derzeit werden in Deutschland jedes Jahr etwa 40.000 zentrale Lüftungsgeräte und 120 000 Einzelraumlüftungsgeräte abgesetzt. In Relation zu den über 220.000 fertiggestellten Neubauwohnungen im Jahr 2014 (Quelle: Destatis) werden sowohl die künftigen Chancen als auch die aktuellen Defizite des Themas Wohnungslüftung deutlich.

Denn bei den Absatzzahlen ist zu berücksichtigen: Viele Lüftungsgeräte werden im Zuge von energetischen Bestandssanierungen verbaut. Somit ist die Anzahl von Neubauwohnungen ohne durch Ventilatoren gestützte Lüftung nach wie vor hoch – nicht zuletzt aufgrund eines mangelnden Bewusstseins auf der Bauherren- und Nutzerseite. Aber auch Unsicherheiten bei Planern und Fachhandwerkern, welche Lösung im konkreten Fall wirtschaftlich und technisch sinnvoll ist, lassen oft die Wohnungslüftung "unter den Tisch fallen".

Wie sinnvoll ist der Einsatz einer kontrollierten Lüftung?

Dass in die Baukostenkalkulation eine Heizungsanlage gehört, ist heute selbstverständlich. Nicht so um 1950, als Zentralheizungen zum Siegeszug in deutsche Wohnungen starteten. Schließlich war damals ein Kohle- oder Ölofen billiger. Erst ab den 1970er-Jahren gehörte die zentrale Öl- oder Gasheizung zum Standard im Wohnungsbau. In diesem Umfeld lösten Energieeffizienz und Komfort als klare Vorteile den anfänglich reinen Investitionskostenvergleich ab.

Eine ähnliche Entwicklung wird die Wohnungslüftung erleben. Allerdings bleibt für diesen Wandel deutlich weniger Zeit. Seit 2020  müssen Neubauten eine klimaneutrale Bilanz von Energieverbrauch und -erzeugung vorweisen (Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden). Allein diese Vorgabe bedingt eine durch Ventilatoren gestützte Wohnungslüftung vor allem aus zwei Gründen:

  • Eine Bauweise mit sehr geringen Transmissionswärmeverlusten unterbindet den "natürlichen" Luftaustausch über Leckagen in der Gebäudehülle.
  • Um die geforderte Energieeffizienz zu erreichen, muss die Wärme aus der Fortluft zurückgewonnen werden.
Marktentwicklung KWL dezentral 2014 bis 2016. Im Jahr 2017 lag der Absatz bei ca. 179 000 Geräten.

In modernen Neubauten verschiebt sich schon heute der Bedarf an Raumwärme hin zu einem steigenden Kühlbedarf. Die Kühlung kann wirtschaftlich und einfach über Wohnungslüftungsanlagen realisiert oder unterstützt werden. Somit wird eine geeignete Lüftungsanlage in Zukunft sowohl für den Wohnkomfort als auch für die Energieeffizienz bedeutsamer sein als die Heizung. Diese Erkenntnis setzt sich allerdings derzeit nur langsam durch. Das ist an den vielen Neubauten erkennbar, die heute nach wie vor ohne maschinelle Lüftung geplant werden.

Um Investitionskosten zu senken, erwarten Bauherren beispielsweise sogar, die Vorgaben der "Lüftungsnorm" DIN 1946-6 so zu rechnen, dass als Ergebnis eine Wohnungslüftung nicht erforderlich scheint. Doch die so vermeintlich eingesparten Gelder übersteigen zusätzliche Ausgaben im Verlauf der Gebäudenutzung um ein Vielfaches. Feuchteschäden an der Bausubstanz, Energieverluste durch intensive Fensterlüftung oder geringere Mieteinnahmen durch mangelhaften Komfort sind nur einige Beispiele.

Die Wirtschaftlichkeit richtig bewerten

Dass sich die Wirtschaftlichkeitsfrage einer Wohnungslüftung nicht in erster Linie an der Investition festmachen lässt, zeigt wiederum der Vergleich mit der Heizung. Bei der Wahl einer Heizungsanlage steht ganz selbstverständlich der berechnete Wärmebedarf im Vordergrund. Kein Bauherr würde, nur um Geld zu sparen, eine kosten- oder verbrauchsgünstige Heizung kaufen, die aber nicht die erforderliche Leistung bringt. Ziel ist vielmehr, den berechneten Wärmebedarf so wirtschaftlich wie möglich zu decken. Energieeffizienz und Investitionskosten werden dabei gegeneinander abgewogen. Hinzu kommen dann besondere Komfortansprüche.

Das gleiche Prinzip ist auf die Auslegung von Wohnungslüftungsanlagen anzuwenden. Ausgehend vom notwendigen Mindestluftwechsel in Abhängigkeit der Personenzahl und unter Berücksichtigung der baulichen Voraussetzungen ist das wirtschaftlichste Lüftungssystem zu wählen. Außerdem sind Komfortansprüche zu beachten, wie Feuchterückgewinnung oder eine Regelung für den CO2-abhängigen Luftaustausch.

Zentrales oder dezentrales Lüftungssystem?

Bei der Frage, welches System zu einem Gebäude und den Nutzeransprüchen passt, ist zunächst die Entscheidung zwischen dezentraler Einzelraumlüftung und zentraler, kontrollierter Wohnungslüftung zu fällen. Wie die zuvor erwähnten Verkaufszahlen belegen, wird häufig einer dezentralen Lösung der Vorzug gegeben. Der Hauptgrund ist, dadurch die Installation eines Kanalsystems zu sparen. In Bestandsgebäuden ist eine solche häufig auch tatsächlich unmöglich oder unwirtschaftlich. Dezentrale Lüftungssysteme spielen somit ihre Vorteile insbesondere bei Sanierungen aus.

In Neubauten ist das jedoch anders: Werden Einzelraumlüftungsgeräte konsequent auf den tatsächlich erforderlichen Luftaustausch ausgelegt, liegen die Investitionskosten dezentraler und zentraler Lüftungsgeräte auf dem gleichen Niveau. Im Neubau kommen zur Zielsetzung des reinen Mindestluftaustauschs nach DIN 1946-6 noch die höheren energetischen Anforderungen der EnEV hinzu. Um diese erfüllen zu können, sind in der Regel schon heute Wohnungslüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung erforderlich.

Darüber hinaus steht das Raumklima immer mehr im Fokus der Nutzer. Neben dem Mindestluftaustausch spielen dabei die Faktoren Luftfeuchtigkeit und CO2-Gehalt eine entscheidende Rolle. Zentrale Wohnungslüftungen lassen sich analog dieser Parameter gezielt regeln. Einzelraumlüftungen in Wanddurchlässen zeigen hier jedoch Schwächen, die sich gravierend auf den Komfort auswirken: Weil in jedem Raum Ventilatoren direkt in der Außenwand verbaut sind, steigt die Geräuschbelastung bei höherem Lüftungsbedarf schnell über die zugelassenen 30 dB(A). Zudem schwankt die Temperatur der zugeführten Luft, denn üblicherweise arbeiten Einzelraumlüftungen im Wechselbetrieb: Im Abluftbetrieb lädt die Wärme der Raumluft eine Keramik auf, die dann im Zuluftbetrieb wieder an die Frischluft abgegeben wird.

Stehen der Komfort, die Feuchterückgewinnung und die Gesamtenergieeffizienz einer Wohnungslüftung im Vordergrund, ist somit eine zentrale Anlage die bessere Wahl. Hauptsächlich zwei verschiedene Systeme stehen hier zur Verfügung: kontrollierte Wohnungslüftungen mit Enthalpie-Plattenwärmeübertrager oder mit Rotationswärmeübertrager. Beide gewinnen Wärme und Feuchte zurück; allerdings gibt es Unterschiede.

Feuchterückgewinnung mit welcher Technik?

Plattenwärmeübertrager bestehen aus mehreren Kanälen, die von der Zu- und Abluft gegenläufig durchströmt werden. Die Platten übertragen dabei die Wärme von der Abluft auf die Zuluft. Soll auch Feuchtigkeit übertragen werden, trennen nicht Platten die Kanäle, sondern Membrane. Durch sie diffundiert die Feuchtigkeit.

In Rotationswärmeübertragern dreht sich ein Körper aus Aluminiumlamellen in einem zweigeteilten Luftstrom. Im unteren Teil strömt die Außenluft durch den Rotor, im oberen Teil die Abluft. Durch die Rotationsbewegung wird sowohl die Wärme als auch die auf den Lamellen kondensierte Feuchte auf die Zuluft übertragen. Eine sogenannte neutrale Zone im Luftstrom verhindert den Übertrag von Gerüchen.

Die physikalischen Unterschiede der Wärme- und Feuchterückgewinnung von Enthalpie-Plattenwärmeübertragern zu Rotationswärmeübertragern legen auch die Einsatzgrenzen fest. Plattenwärmeübertrager sollten generell nur in Gebieten installiert werden, wo die Außentemperatur nicht unter den Gefrierpunkt fällt. Die hohe Kondensatbildung lässt Plattenwärmeübertrager ohne Feuchterückgewinnung bei etwa –4 °C einfrieren, mit Feuchterückgewinnung bei ca. –6 °C. Heizregister können das verhindern, sind aber sehr energieintensiv: Schon zwei Wintertage mit –10 °C kosten mehr Strom als der Antrieb eines Rotationswärmeübertragers das ganze Jahr aufnimmt. Um das Einfrieren des Rotors zu verhindern, ist in der Regel keine Elektroheizung notwendig, denn diese Lüftungsgeräte sind frostsicher bis etwa –30 °C. Das Operieren mit Temperatur-Durchschnittswerten ist zur energetischen Bewertung beider Systeme also nicht zielführend. Vielmehr sind die konkreten Wetterdaten des Gebäudestandortes zu berücksichtigen.

Die Feuchterückgewinnung in Plattenwärmeübertragern nach dem Enthalpieverfahren ist ungeregelt. An Tagen mit hoher Außenluftfeuchtigkeit besteht deshalb die Gefahr der Überfeuchtung der Raumluft. Zudem lässt die Diffusionsfähigkeit der Membranen im Laufe der Zeit nach. Erfahrungsgemäß ist nach fünf Jahren ein Enthalpie-Plattenwärmeübertrager zu erneuern.

Der Rotationswärmeübertrager hingegen überträgt die Luftfeuchtigkeit nach dem Kondensationsprinzip. Der Unterschied zum Enthalpieverfahren: Ist die zugeführte Luft gesättigt, wird keine Feuchtigkeit mehr aus der Abluft übertragen. Eine Überfeuchtung der Räume ist somit also ausgeschlossen. Zudem kann die Feuchterückgewinnung über die Umdrehungsgeschwindigkeit des Rotors geregelt werden.

Welchen Stellenwert hat die Effizienzfrage?

Bei der letztendlichen System- und Produktauswahl kann der Energieeinsatz für die Lüftung nicht das primäre Entscheidungskriterium sein. In erster Linie muss vielmehr eine Lüftungsanlage ein optimales Wohlfühlklima sicherstellen – das aber dann so energieeffizient wie möglich erreicht wird.

Um das beste Verhältnis von Raumluftqualität und Energieverbrauch einer Wohnungslüftung zu ermitteln, ist der reine Vergleich technischer Angaben von Gerätezertifikaten dabei jedoch zu kurz gegriffen: Das für den tatsächlichen Energieverbrauch relevante individuelle Nutzerverhalten sowie die Besonderheiten eines Gebäudes lassen sich nicht in einem Zertifizierungsprozess berücksichtigen. Vergleiche von Geräten sollten daher auf der konkreten Auslegung einer bedarfsgerechten Wohnungslüftung beruhen.

Der Verband Eurovent (Europäischer Industrieverband der Hersteller von Kälte- und Lüftungsanlagen) hat außerdem eine weitere Unsicherheit bei Gerätezertifikaten ausgeräumt: Zertifiziert werden typischerweise Mustergeräte. In der Serienproduktion weichen die tatsächlichen Daten von den geprüften dann aber oft deutlich ab. Eurovent vergibt deshalb ein eigenes Gütesiegel: Dazu werden Seriengeräte auf dem freien Markt gekauft, geprüft und mit den Herstellerangaben verglichen. Nur wenn die Ergebnisse deckungsgleich sind, erhält das Lüftungsgerät das Eurovent-Siegel als zusätzliches Qualitätskriterium für Fachplaner und -handwerker.

Dieser Beitrag von Kurt Maurer erschien zuerst in SBZ 04/2018. Kurt Maurer ist Vice President Products in der Systemair-Gruppe und Geschäftsführer der Systemair GmbH in Windischbuch.

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