Feuchteschäden und Schimmel: Warum die luftdichte Ebene so wichtig ist
Energieberatende sind gleich nach den Schadensgutachtern diejenigen, die die Bedeutung der luftdichten Bauweise am besten kennen. Sie wissen, wie wichtig die intakte und lückenlose luftdichte Ebene der Gebäudehülle ist. In ihrer Berufspraxis aber müssen sie öfter erleben, dass Ausführende und Planende sowie Bauherren diesem wichtigen Punkt nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen. Führen Energieberatende nicht die Baubegleitung durch, können sie nicht rechtzeitig auf Fehler in der Erstellung einer luftdichten Ebene hinweisen. Zudem wird häufig erst nach Abschluss der Maßnahme eine Luftdichtheitsmessung in Auftrag gegeben – und das meist nur dort, wo sie Förderbedingung ist, etwa, weil sie in der Bilanzierung des Effizienzhauses mit angesetzt wurde.
Der Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB) versucht seit seiner Gründung im Jahre 2000 diese Bauweise als Voraussetzung von Energieeffizienz und Schadensfreiheit in das allgemeine Bewusstsein zu rücken. GEB-Redakteur Alexander Borchert sprach mit Geschäftsführer Oliver Solcher, über die Aufgaben, die größten Probleme und über die Möglichkeiten von Energieberatenden, Verbesserungen zu erreichen.
Nach dem Verständnis vieler Menschen schützt eine undichte Gebäudehülle – also unter anderem die gute, alte Fugenlüftung – vor Feuchteschäden und Schimmelbefall. Das ist offenbar nicht so oder meistens nicht so. Warum nicht?
In einem Schwarzwaldhaus vor 100 Jahren mag das bedingt richtig gewesen sein, in einer Scheune mag das heute noch funktionieren. Wenn aber die Nutzung eines modernen oder modernisierten Gebäudes nach aktuellen Komfortstandards stattfindet, sieht das etwas anders aus. Dann wird feuchte, warme Luft produziert. Dringt diese über Leckagen in die Gebäudehülle ein und kühlt ab, kondensiert die gebundene Feuchtigkeit und führt zu Schäden. An der Physik kommen wir schwer vorbei.
Anders gefragt: Ebenso weit verbreitet ist immer noch die Ansicht, dass die Feuchte- und Schimmelprobleme erst mit der Einführung der luftdichten Bauweise auftraten.
Es ist klar, dass nach einer Modernisierung und der damit einhergehenden Abdichtung eines Gebäudes ein anderes Lüftungsverhalten gewährleistet werden muss. Das kann – verantwortungsvolle Nutzer vorausgesetzt – über die Fenster geschehen. Zugleich aber bringt eine solche Modernisierung deutlich erhöhte innenseitige Oberflächentemperaturen der Außenbauteile mit sich. Bauphysikalisch wird das Gebäude dadurch deutlich robuster, die Raumluft kann auch einmal mehr Feuchtigkeit aufnehmen, ohne dass diese auf den Oberflächen kondensiert. Man darf übrigens nicht vergessen, dass die Forderung einer luftdichten Bauweise gar nicht so neu ist. Schon in der ersten Fassung der DIN 4108 von 1952 war von ihr die Rede.
Wenn andererseits lediglich die alten undichten und schlecht dämmenden Fenster durch neue ersetzt werden, hört man öfters: „Seit dem Fenstertausch schimmelt es bei mir!“ Die Fenster waren bisher die kältesten Bereiche im Raum. Kondensat bildete sich dort – viele von uns kennen noch die Abtropfrinnen in den Kastenfenstern. Nach dem Austausch ist der Fensterbereich deutlich wärmer und andere Bereiche, wie zum Beispiel die Raumecken als geometrische Wärmebrücken, sind nun die kältesten Bereiche. Dort wird die Feuchtigkeit zuerst ausfallen, wenn sie nicht nach außen abgeführt wird. Verantwortlich für den Feuchtigkeitsausfall ist jedoch nicht das modernisierte Fenster, sondern das nicht angepasste Lüftungsverhalten der Nutzer.
Wo in der Gebäudehülle besteht bei Undichtigkeiten die größte Gefahr der Feuchteanreicherung?
Im Dachbereich, weil die feuchtwarme Luft ja dorthin aufsteigt und wir dort die Dachkonstruktion haben, innerhalb der eine Kondensation leicht stattfinden kann. Wobei die verursachende Leckage gar nicht dort liegen muss. So kann durch Fehlstellen in der Luftdichtheitsschicht in den Geschossen darunter Konvektion in der Gebäudekonstruktion entstehen, zum Beispiel im Mauerwerk, oder hinter einem Wärmedämmverbundsystem, und zur Durchfeuchtung führen.
Wie ist es um das Wissen über Bedeutung der Luftdichtheit bei den Baubeteiligten bestellt? Sind Bauherren, Architekten, Planende und Ausführende ausreichend sensibilisiert?
In der Breite eindeutig noch nicht. Auf der Baustelle denkt in der Regel jeder Ausführende nur in den Grenzen seines Gewerkes, das Gewerk „Luftdichtheit“ als solches gibt es ja nicht. Da wird es schnell kritisch, weil die luftdichte Ebene fehlerhaft erstellt wird oder gar nicht. Aus falsch verstandener Sparsamkeit wird dann die Mauer hinter einer Vorwandinstallation nicht verputzt oder der Putz nicht bis an den Rohfußboden beziehungsweise die Rohdecke geführt. Nur können bereits kleinere Fehlstellen in der luftdichten Ebene Folgen haben und Behaglichkeitsbeeinträchtigungen oder Feuchte- und Schimmelschäden nach sich ziehen.
Seit 2014 fordert die Förderbank KfW die Erstellung eines Luftdichtheitskonzepts. Es muss die grundsätzlichen Schritte bei der Planung und Umsetzung der luftdichten Ebene für das konkrete Vorhaben beschreiben. Die Vorlage hierfür stammt von Ihrem Verband, eine entsprechende Broschüre kann man sich auf Ihrer Internetseite herunterladen. Wie sind die Verantwortlichkeiten zwischen Bauherrschaft, Ausführenden, Planenden – sofern vorhanden – und Energieberatenden verteilt?
Der nicht vorhandene oder nicht beauftragte Planende ist genau das Problem. Energieberater Thomas Kramps hat auf der jüngsten Tagung des FLiB darauf hingewiesen, dass es in den meisten Fällen keinen gibt. Idealerweise erstellt der Energieeffizienzexperte mit dem Luftdichtheitskonzept das Grundgerüst der Luftdichtheit, der Planende – ob Architekt oder Ingenieur – führt das Konzept in seiner Ausführungsplanung fort, der Handwerker setzt das Geplante anschließend um. Festgelegt werden muss unter anderem, wo die luftdichte Ebene verlaufen und wie und in welcher Reihenfolge vorgegangen werden soll, um beispielsweise eine Zerstörung der Luftdichtheitsschicht durch Folgegewerke zu verhindern.
Will der Bauherr aber kein Planungsbüro beauftragen, läuft es nur mit Absprache unter allen Beteiligten. Die Ausführenden schulden einen funktionierenden Bauteilanschluss. Mit dem Luftdichtheitskonzept des Energieberatenden liegt zumindest mal ein Plan vor, wie die luftdichte Ebene verlaufen soll, sowie ein grobes Konzept für die Bereiche, bei denen eine Ausführungsplanung erfolgen beziehungsweise genau aufeinander abgestimmt gearbeitet werden muss. Nun muss „nur noch“ gemeinsam die Ausführung dieser Details festgeschrieben werden. Der Dachdecker verlegt zwar die luftdichte Ebene, es muss jedoch unter anderem definiert werden, wie und mit welchen Materialien die Bauteilanschlüsse erfolgen sollen. Und diese Gedanken und Zeit, sprich: diese Ausführungsplanung, wollen der Ausführende und der Effizienzexperte bezahlt haben.
Worauf ist beim Erstellen der luftdichten Ebene zu achten, vor allem im Dach?
Man sollte robuste, leicht ausführbare Konstruktion gegenüber Ausführungen mit hohem Aufwand bevorzugen. So sieht man derzeit im Dachaufbau im Zuge der Dachdämmung und -sanierung, dass die luftdichte Ebene vermehrt über die Sparren samt Zwischensparrendämmung geführt wird, anstatt die Sparren in der Sub-and-Top-Variante zu umschlaufen. Der Anschluss an die Traufe kann so deutlich vereinfacht werden. Außerdem kann ein belüftetes Dach mehr Sicherheit bringen als ein Warmdach: Eventuell über Leckagen eindringende Feuchtigkeit kann nach außen abgeführt werden. Bei einem Warmdach geht das nicht. Es muss sehr sorgfältig gearbeitet werden, denn eindringende oder im Bauprozess eingedrungene Feuchte kann nicht nach außen abgeführt werden.
An den Traufseiten muss die außenseitige Luftdichtheitsbahn dicht an die innenseitige Dichtheitsebene angeschlossen werden. Müssen hier alle Sparren durch die luftdichte Ebene geführt werden, erhöht das das Risiko für Ausführungsfehler. Werden die Sparrenüberstände jedoch abgeschnitten und die Bahn um den Dachaufbau herum nach unten zu Mauer oder Ringanker geführt, kann der Anschluss der Luftdichtheitsbahn an den Innenputz deutlich einfacher erfolgen. Aufgedoppelte Sparren auf den bestehenden bilden anschließend den neuen Dachüberstand. Beim Anschluss der Giebelwand an den Dachaufbau braucht die Mauerwerkskrone einen Glattstrich, um eine saubere Anbindung der Folie an die Wand gewährleisten zu können sowie einer Konvektion im Mauerwerk entgegenzuwirken.
Wie sieht es mit Fenstern und Türen aus?
Es gilt, zwischen Laibung und Blendrahmen das Drei-Ebenen-Prinzip zu befolgen: innen die Luftdichtheitsschicht, mittig die Schall- und Wärmedämmung, die auch mit Ortschaum umgesetzt werden kann, außen der Schlagregenschutz.
Wie ist im Fall von Durchführungen von beispielsweise Abgasanlagen, Kabeln oder Rohren durch Wände und Decken vorzugehen?
Auch hier gilt das Prinzip der Fehlervermeidung. Natürlich kann aus Klebebändern eine dauerhafte Abdichtung erstellt werden, vorgefertigte Manschetten vermeiden jedoch mögliche Ausführungsfehler. Solche Manschetten sind jeweils für unterschiedliche Querschnitte passend zu bekommen, erleichtern die Arbeit erheblich und senken den Zeitaufwand.
Und bei Vorwandinstallationen?
Das lückenlose Verputzen der Außenwand muss sich hier durchsetzen, genauso wie hinter Schächten oder Kaminen. Aber da ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Inwieweit ist ein Blower-Door-Test vor Beginn einer Modernisierungs-, einer Umbau- oder Anbaumaßnahme sinnvoll?
Eine frühzeitige Messung kann Schwachstellen aufzeigen, die unter Umständen bisher im Modernisierungskonzept keine Berücksichtigung gefunden haben.
Welche Daten zum Gebäude sollten vor einem Blower-Door-Test mindestens vorliegen?
Dazu haben wir vom FLiB eine Checkliste zusammengestellt. Messende müssen unter anderem wissen, ob das Gebäude eine raumlufttechnische Anlage im eigentlichen Sinne hat oder nicht. Nicht jeder Ventilator ist gleich eine RLT-Anlage.
In Laufe der FLiB-Tagung am 8. März wurde mehrmals hervorgehoben, wie wichtig die baubegleitende Messung ist. Wann genau sollte sie erfolgen?
Zu einem Zeitpunkt, zu dem die luftdichte Ebene noch sichtbar ist. Dann ist ein Schließen möglicher Fehlstellen unkompliziert und führt nicht zu einer Diskussion über Kosten und Aufwand. Es kann sein, dass das nicht immer mit nur einer Messung machbar ist. Es kann allerdings auch sein, dass eine sehr frühe Prüfung nur eines eingebauten Bauteils in einem größeren Gebäude, wie eines Fensters, dabei hilft, die restlichen vielleicht 500 Fenster korrekt einzubauen.
Stichwort Sparsamkeit: Wo liegen die Kosten für einen Blower-Door-Test, abhängig von Gebäudeart, -größe und -struktur?
Für ein Einfamilienhaus kann man von 500 Euro ausgehen, für ein kleines Mehrfamilienhaus von zirka 1.000 Euro. Alles andere ist schwer zu pauschalieren. Und natürlich werden Sie Angebote finden, die deutlich darunter liegen. Deshalb ist es wichtig, im Vorfeld festzulegen, was genau beauftragt wird.
Wie muss ein Luftdichtheitstest nach DIN EN ISO 9972 ablaufen?
Eine erste Gebäudebegehung zeigt, ob der Messzeitpunkt erreicht ist. Ist das der Fall, werden die Bezugsgrößen wie Volumen und Hüllfläche berechnet und vor Ort abgeglichen. Anschließend wird die Messtechnik eingebaut und das Gebäude präpariert, indem zum Beispiel die Öffnungen einer RLT-Anlage abgedichtet werden. All das wird dokumentiert. Bei mindestens 50 Pascal Unterdruck beziehungsweise dem größten Differenzdruck der geplanten Messreihe erfolgen Suche und Dokumentation von großen Leckagen. Es werden Messreihen bei Unter- und Überdruck aufgenommen.
Achtung: Eine ausführliche Leckagesuche muss separat beauftragt werden. Im Rahmen der „normalen“ GEG-Messung nach DIN EN ISO 9972 erfolgt nur die erwähnte Dokumentation der großen Leckagen. Es hängt ja auch weniger an der Genauigkeit des Blower-Door-Test, mit dem können je nach Messsystem einstellige Volumenströme gemessen werden. Man muss begreifen, dass es im Endeffekt die Ausführung der luftdichten Ebene ist, die überprüft werden muss. Wenn man frühzeitig auf der Baustelle ist, kann man sie sehen und beurteilen. Aus dem n50-Wert kann ich nur ablesen, ob bestimmte Grenzwerte eingehalten werden.
Prinzipiell darf jeder die Luftdichtheitsmessung anbieten. Welche Qualifikation aber muss man besitzen, um einen „wasserdichten“ Blower-Door-Test durchführen zu können?
Messende müssen einerseits die DIN EN ISO 9972 kennen, andererseits aber auch ein Basiswissen zu GEG und BEG haben, denn sie legen die Bezugsgrößen, Kennwerte und Messregeln fest. Dazu sind Kenntnisse zur Bauphysik, zum Feuchteschutz und zum Wärmeschutz nach DIN 4108-2 sinnvoll sowie zur Planung der Luftdichtheit. Hersteller von Blower-Door-Messsystemen oder auch das Energie- und Umweltzentrum am Deister, bieten Schulungen an. Der FLiB führt Zertifizierungsprüfungen durch, auch in den Schulungszentren.
Ein Vorschlag auf der FLiB-Tagung, um die Wichtigkeit des Blower-Door-Tests hervorzuheben, lautete, man solle die Leckagefläche der Gebäudehülle veranschaulichen anstatt nur den relativ abstrakten n50-Wert zu nennen. Ihre Meinung?
Ich denke, der Vorschlag einer Visualisierung ist gut. Der Kennwert alleine ist nicht aussagekräftig genug. Wird dem Bauherren jedoch die äquivalente Leckagefläche in Form eines Lochs gezeigt, kann das unter Umständen besser verstanden werden. Davon abgesehen sollten Energieberatende verstärkt mit dem Argument der wirksamen Verhinderung von Feuchte- und Schimmelschäden argumentieren, denn genau darum geht es. Ziel muss sein, den Bauherrn davon zu überzeugen, dass es weniger auf den Grenzwert ankommt, als auf die sorgfältig ausgeführte Gebäudehülle, um wirklich wasserdicht – im Sinne des Bautenschutzes – zu sein.